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Thailändische Currypasten vom Anwalt: Jurist Woraphon Kitkoson sattelte um auf Gastronom. In seinem Restaurant "Khao Taan" in Friedrichshain verkauft er nun auch leckere Pasten.

© Khao Taan / promo

Spezialitäten zum Mitnehmen: Kauf beim Koch

Corona zwingt Berlins Gastronomen, sich neu zu erfinden. Einige bieten nun eigene Produkte zum Mitnehmen an – ein Zukunftsmodell?

Von
  • Kai Röger
  • Susanne Leimstoll

Eigentlich sollte es nur ein schmales Regal werden. Ein Brett hatte Vadim Otto Ursus sogar schon gekauft, für drei, vier selbst gemachte Produkte. Vielleicht will ja ein Gast die Koji-Butter mitnehmen, die es in seinem Restaurant „Otto“ aufs Sauerteigbrot gibt. Oder das Garum, das Ursus zum Saibling serviert. Oder den Tee, den er in der Schorfheide sammelt und fermentiert. Das waren so die Gedanken, die der junge Koch hatte, als er im Herbst sein kleines Restaurant in der Oderberger Straße eröffnete. Dann kam der Shutdown. Und aus der vagen Idee entstand aus der Not ein ganzer Laden. In seinem „Pantry Shop“ steht jetzt praktisch seine ganze Speisekammer im Schaufenster. Ein Überraschungserfolg. „Ich konnte es gar nicht fassen: In der ersten Woche stand der Laden voller Tüten. Wir hatten 130 Bestellungen, die wir mit dem Fahrrad ausgefahren haben, plus Leute, die vorbeikamen.“

Brot, Pralinen und Fisch

Mit dem Fahrrad liefern sie jetzt nicht mehr. Aber der Pantry Shop hat den Shutdown überdauert. Er ist sogar gewachsen. Zu den vielen eigenen Produkten, die Ursus herstellt, kommen ein paar von befreundeten Produzenten. Etwa das Brot von „Domberger Brot-Werk“, die Pralinen von „Pars“ oder die heiß geräucherte Forelle, die er von dem Fischer bezieht, der ihn auch sonst mit frischem Fisch beliefert. Von dem braucht er gerade viel weniger. Weil das Restaurant so klein ist, bietet er nur eine kleine Speiseauswahl auf der Terrasse. Deshalb gehen ihm jetzt die Fischabschnitte aus, aus denen er das Garum macht, das jetzt alle wollen. Wer nicht in der Ecke wohnt, bestellen kann man es bei upandcomingberlin.com oder bei archipel.berlin, zwei Lieferdiensten, die sich auf Haus- und Handgemachtes spezialisiert haben. Noch so eine Idee der Krise.

Anstehen für Kochboxen

Aber nicht jede Idee hat Bestand, natürlich nicht. „Die ersten zwei Wochen des Shutdowns haben sich durchgehend angefühlt wie Samstagabend halb neun, voller Laden und 20 Kunden warten noch davor“, erzählt Lode van Zuylen. Vor seinem Restaurant „Lode & Stijn“ standen die Leute Schlange, um Kochboxen, Produkte von den Erzeugern und Backwaren zu kaufen, die Lode van Zuylen in seinem Ofen zauberte. Doch das änderte sich abrupt, als die ersten Lockerungen kamen. So schnell, wie der improvisierte Deli entstand, verschwand er auch wieder. „Wenn ich für sechs Eier eine Marge von 1,50 Euro erziele, dann frag ich mich, warum ich denn einen Sommelier und einen Souschef eingestellt habe?“ Den Plan, den Betrieb auf breitere Beine zu stellen, hat er aber nicht aufgegeben. Im Gegenteil. „Mein Vorbild war immer das ,Relae‘ in Kopenhagen.“ Die haben als Casual-fine-dining-Restaurant angefangen, dann kam ein Bistro dazu, dann eine Bäckerei mit Pizzeria und schließlich ein Bauernhof. „Eine wunderschöne Kette. Die können sich selber beliefern.“ Den zweiten Schritt hat van Zuylen schon getan. Diesen Sommer eröffnet das „Remi“, ein Bistro im Suhrkamp-Haus in Mitte.

„Vielleicht sind wir ein Restaurant, vielleicht ein Weinbistro, vielleicht nächste Woche wieder was anderes.“ Das könne ganz flexibel sein, sagt Vadim Otto Ursus. „Die Herangehensweise ändert sich nicht, nur die Plattform.“ Klar ist: Er will weitermachen mit seinem Pantry Shop. „Entweder weniger, oder deutlich mehr.“ Was es wahrscheinlich nicht wird: ein Regal.

PRODUKTE ZUM MITNEHMEN

Currypasten

Eigentlich ist Woraphon Kitkoson, den alle Gaan nennen, ja Anwalt. Sechs Jahre arbeitete er als Jurist. Dann hatte der Thailänder keine Lust mehr auf Paragrafen und Verträge. Stattdessen begann er, über die Berliner Streetfood-Märkte zu tingeln. Warum auch nicht, seine Oma hat ja auch eine Bäckerei in Bangkok. Und Essen faszinierte ihn seit seiner Kindheit. Sein erstes Restaurant hat er letztes Jahr in Friedrichshain eröffnet. Während des Shutdowns hat er eine neue Idee realisiert: Warum nicht jene Pasten verkaufen, die die Basis so vieler Curry-Gerichte sind? Jetzt hat er neben einer süß-sauer-scharfen Chilimarmelade mit vielen Röstnoten (Tipp: mit Limette und bisschen Wasser wird daraus ein tolles Salatdressing) ein rotes und ein grünes Curry im Angebot, perfekt als Marinade oder für alles kurz Gebratene (Foto oben). Allerdings hat Gaan aktuell Nachschubprobleme bei den grünen Chilis. Es fliegen ja gerade kaum Flugzeuge nach Thailand.

Khao Taan, Gryphiusstr. 10, Friedrichshain, Di-Sa 18-23 Uhr, Preis: 7 Euro

Milchreis

Der Milchreis ist im „Michelberger“ ein fester Bestandteil des Frühstücks. Und während niemand mehr in das Hotel an der Warschauer Straße zum Frühstücken kommen konnte, wurde der Milchreis mit Kokosmilch und Zimt eben im Einweckglas zum Mitnehmen angeboten. Neben vielen anderen guten Dingen, die man in dem Markt verkaufte, den man im Restaurant eingerichtet hatte. Immerhin hat das Michelberger ja sogar einen eigenen Bauernhof. Den Markt gibt es jetzt nicht mehr, den Milchreis bekommt man aber immer noch an der Bar. Und ein paar andere tolle Sachen. Etwa einen Lemon Curd, der cremiger ist als das, was es im Supermarkt so gibt. Oder Marmeladen, die das Team um Alan Micks und Andreas Rieger in der Küche herstellen. Zum Milchreis etwa passt die Himbeermarmelade mit Thymian. Die ist nicht zu süß, herrlich fruchtig und mit einer duftigen ätherischen Note.

Michelberger Restaurant, Warschauer Str. 39/40, Friedrichshain, Café tägl. ab 7 Uhr, Preis: 150g/2,80 Euro

Kartoffelsuppe

Das ist wohl der Nachholeffekt, auf den alle hoffen. Das „Nobelhart & Schmutzig“ ist schon wieder gut ausgebucht. Spontanbesuche laufen nur über eine Warteliste. Und die wächst stetig. Mindestens hier scheint sich eine wirtschaftliche Normalität eingestellt zu haben. Seinen Lieferservice wird das Nobelhart trotzdem beibehalten. Wer also eine leicht vereinfachte Form des Menüs zu Hause nachkochen will, kann ordern. Im Nobelhart-Shop wiederum bekommt man allerhand Hausgemachtes: eingelegte Senfsaat, geräucherte Butter, Griebenschmalz und Öl vom wilden Wacholder etwa. Dazu gibt es kleine Gerichte zum Aufwärmen, etwa die mit Kartoffel und Deichkäse gefüllten Schlutzkrapfen, die mit Wildkräutersalat und einer wunderbaren Sauerkrautsauce kommen. Der heimliche Star im Sortiment ist aber die Kartoffelsuppe von Micha Schäfer mit geräucherter Butter. Am besten schmeckt sie mit der Blutwurst von Gut Hirschaue.

Nobelhart & Schmutzig, Friedrichstr. 219, Kreuzberg, Di-Sa 17-20 Uhr, Preis: 16 Euro/Liter

Brutal lokal: Hausmacher-Kartoffelsuppe aus Billy Wagners Restaurant "Nobelhart & Schmutzig"
Brutal lokal: Hausmacher-Kartoffelsuppe aus Billy Wagners Restaurant "Nobelhart & Schmutzig"

© Caroline Prange / promo

Tahini

Essen ist in Tel Aviv feiern. Das macht auch den Charme der Restaurants aus, die Shani Ahiel betreibt. Das „Yafo“ in Mitte ist ebenfalls eine Bar, das „Shishi“ in Kreuzberg ein bisschen eleganter, die Gerichte raffinierter, die Teller ausgefeilter. Ein paar Produkte haben die beiden Restaurants ebenfalls gemein. Einmal wären da das extra-cremige Tahini. Das Sesammus ist in der levantinischen Küche eine Geheimwaffe: Ob Hummus, gegrillter Blumenkohl oder Baba Ganoush – Tahini macht den Unterschied. Zusätzlich gibt es Sumach, ein feinsäuerliches Pulver der Frucht des Färberbaums, und Zataar, eine Mischung aus schwarzem Sesam und getrockneten Kräutern. 200 Gramm davon kosten 5 Euro. Kaufen kann man die Produkte direkt in den Restaurants, oder bestellen bei upandcomingberlin.com.

Yafo, Gormannstr. Str. 17b, Mitte, tägl. ab 12 Uhr

Shishi, Ritterstr. 12-14, Kreuzberg, Mo-Sa ab 18 Uhr, Preis: 6,50 Euro/150ml

Szechuan Sauce

Ob Ramen-Suppen, Dan-Dan-Schalen oder Mapo Tofu – „The Panda Noodle“ am Lausitzer Platz ist ein Spezialist für asiatische Teigwaren, inklusive neonleuchtender Streetfood-Atmosphäre. Dazu gibt es Produkte von der asiatischen Community, denn während des Shutdowns hat Betreiberin Daeng an den Wochenenden regelmäßig einen Minimarket organisiert. Zu kaufen gibt es einiges Handgemachtes. Etwa Kimchi von Jules Ferment, Sambal von Mamakan, oder auch die Curry-Pasten von Khao Taan. Aber auch die superscharfe Szechuan Sauce von The Panda Noodle. Eine Allzweckwaffe bestehend aus Sesampaste, Knoblauch, Zucker, Reisessig, Sojasauce und natürlich einem satten Schuss Chili-Öl. Bisschen Fandevotionalien gefällig? Die Baseball Caps von Panda Noodle gibt’s in fast allen Farben des Regenbogens (22 Euro). Wer es nicht in den Laden schafft: Bei upandcomingberlin.com kann man die Sachen auch bestellen.

The Panda Noodle, Lausitzer Platz 12, Kreuzberg, Mi-Sa 12-22 Uhr, Preis: 6 Euro

Bachsaibling-Garum

Otto Vardim Ursus ist ein findiger Selbermacher, der scheinbar das „Noma“-Kochbuch verinnerlicht hat: Er setzt Essige an, kocht diverse Sirupe, impft Butter mit Buchweizen-Koji und fermentiert alles, was bei drei nicht auf dem Baum war. Daraus entstehen so Sachen wie Kombucha, Brombeerblatt-Tee und Bachsaiblings-Garum. Garum? Das kannten schon die alten Römer. Es war das Maggi der Antike, nur besser. Besser, weil es kein fordergründig schmeckender Kräuterauszug ist, sondern eine Flüssigkeit, die bei einer aufwendigen, komplizierten und äußerst geruchsintensiven Fermentation von Fischabfällen entsteht. Das klingt jetzt nicht gerade appetitlich. Muss es auch nicht. Wie Maggi ist Garum eine Würzsauce, die unterstützt. Mehr als Maggi aber hält sie sich mit ihrem Eigengeschmack zurück. Sie dient und verleiht Eintöpfen, Salatdressings, Suppen und Saucen ein tiefes, fast unerklärlich gutes Aroma.
Otto, Oderberger Str. 54, Prenzlauer Berg, Mi-So ab 12 Uhr, Shop: otto-pantry.net, Preis: 11 Euro/ 100ml

Sozusagen das Maggi der Antike: Garum - im Fall von Otto Vadim Ursus Bachsaiblings-Garum.
Sozusagen das Maggi der Antike: Garum - im Fall von Otto Vadim Ursus Bachsaiblings-Garum.

© Cate Gowers / promo

Gemüsefond

Die Idee, eigene Produkte aus der Restaurantküche zum Mitnehmen anzubieten, gab es schon vor dem Lockdown. Ist ja auch naheliegend, Christoph Hauser, Küchenchef des „Herz & Niere“, ist ein begnadeter Tiere-Vollverwerter, Wurstmacher, Bäcker, Sirupmacher ... Parallel zum Restaurantbetrieb hat er schon früh die Produktlinie „Weck die Heimat“ ins Leben gerufen. In der Krise hat er das Sortiment noch erweitert und will das auch beibehalten. Gut so! Seine Innereieneintöpfe wie Schafslungen- oder Rinderherzklappen-Ragù sind Kennerware. Aber sein Rahmgulasch und die Fischsuppe im Glas (2 Euro Pfand) sind exzellent und werden nur noch von den Fonds getoppt: Fisch, Huhn, Rind und Gemüse gibt es praktisch immer frisch zum Abholen. Die ganze Power, die er da hineinbringt, offenbart sich beim Gemüsefond: dunkel, dicht, intensiv aromatisch. Einfach mal für den Kartoffelsalat verwenden. Und die Gäste fragen: „Wie hat er das nur gemacht?“

Herz & Niere, Fichtestr. 31, Kreuzberg, Di-Sa ab 14 Uhr, Preis: 6 Euro/500ml

Eingeweckte Heimat: Diverse Fonds aus dem Kreuzberger Restaurant "Herz & Niere".
Eingeweckte Heimat: Diverse Fonds aus dem Kreuzberger Restaurant "Herz & Niere".

© Kai Röger

Lebercreme

Sieht aus wie Foie gras, schmeckt irgendwie fleischig, ist aber eine seidenweiche Creme aus gebratenen Kräuterseitlingen, glattgemixt mit Hühnereiweiß, angereichert mit einer Alkoholreduktion und aufmontiert mit Butter. Ein typische Kreation des österreichischen Zwei-Sterne-Kochs Sebastian Frank, dessen Passion es ist, Klassiker „neu zu denken“. Die Vorstufe der Lebercreme hatte er lange vor Corona zehn Monate auf der Karte seines Restaurants „Horváth“, eine Art krümelig-knuspriges Pilzhaschee. Dann fiel ihm ein, das Ganze einzufrieren, zu mixen, charakterlich zu verändern. „Eine gelungene Metamorphose“, sagt er und inszeniert das Gericht auf dem Teller klassisch mit einer Scheibe Butterstrietzel, aber mit einer Essig- statt Portweinreduktion. Wer die „Lebercreme“ so liebt, dass er sie auch zu Hause essen will, kann sie auf Vorbestellung auch im Einmachglas mitnehmen.

Der Corona-Shutdown hat Sebastian Frank seinem jahrelangen Traum von einem Zweitrestaurant mit österreichischen Klassikern kurzzeitig nähergebracht. Er bietet neuerdings von Freitag bis Sonntag Mittagstisch. A la carte gibt es die Speisen seiner Heimat: Wiener Schnitzel, Langos, Kaiserschmarrn, klare Brühe mit diversen Einlagen, ein Schöpfgericht“, etwa Kalbsbeuscherl oder demnächst auch Kalbsrahmgoulasch. Aber eben à la Frank. „Ich mach’s, wie ich’s daheim gelernt hab‘“, sagt er. "Eine Fritteuse würd‘ ich hier nie aufstellen. Ich servier’s so, wie es sein soll oder gar nicht.“

Seine Mittagsschmankerl, aus der Krisennot geboren, sieht er trotz hervorragender Umsätze nicht als sein Zukunftsmodell. „Wenn das Ganze zur Routine wird, verlieren Apfelstrudel und Kaiserschmarrn ganz schnell ihre Romantik.“ Den Sommer über, bis Ende August, sind seine österreichischen Klassiker noch am Wochenende zu haben. Danach gibt’s im „Horváth“ wieder ausschließlich „Horváth“. 

Horváth, Paul-Lincke-Ufer 44a, Do–So ab 18 Uhr, Lunch Fr–So 12–14.30 Uhr, Preis: 13 Euro/70ml

Heißt Lebercreme, ist aber aus Kräuterseitlingen: ein Schmankerl aus dem "Horváth".
Heißt Lebercreme, ist aber aus Kräuterseitlingen: ein Schmankerl aus dem "Horváth".

© Susanne Leimstoll

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