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Der Sambesi spritzt bei Victoria Falls auf einer Breite von fast zwei Kilometern in die Tiefe.

© Jacques Marais

Simbabwe: Reise zu den Victoria Falls

Simbabwe hat die Victoria Falls, herrliche Nationalparks. Doch mit Robert Mugabe regiert „die Karikatur eines Diktators“, sagt Desmond Tutu.

Im Tagungsraum eines Luxushotels ist die Tourismusbranche von Victoria Falls bester Laune. Man feiert den ersten Direktflug der Ethiopian Airlines. Gerade erst wurde der Flughafen mit chinesischem Geld ausgebaut – ein großer Schritt für die kleine Stadt, die direkt an den Victoriafällen liegt, einer der größten Sehenswürdigkeiten des südlichen Afrikas.

Eine Tombola leitet den gemütlichen Teil ein. Verlost wird ein Freiflug von Victoria Falls in das fünf Stunden entfernte Addis Abeba.

„Ihr wollt wissen, wer der Gewinner ist?“ Ein Herr im dunklen Anzug faltet bedeutungsschwer einen Zettel auseinander und blickt herausfordernd in die Runde. „Der Gewinner bin ich selbst.“ Die Gäste warten mit eingefrorenem Lächeln ab. „Hat jemand etwas dagegen? Gut, dann geht der Preis ja wirklich an mich.“ Nach einer quälenden Kunstpause verliest er doch noch den tatsächlichen Gewinner. Die Losfee im Anzug ist der Botschafter der Republik Simbabwe in Äthiopien. Mit anderen Worten: Robert Mugabes Botschafter hat gerade einen Witz über Korruption gemacht.

Eigentlich sollte es hier von Touristen wimmeln

Nur einen halben Kilometer vom Hotel entfernt stürzt der Sambesi auf einer Breite von fast zwei Kilometern 100 Meter tief in eine schmale Schlucht. Den Touristen, die die Fälle von den Aussichtspunkten der gegenüberliegenden Seite aus bestaunen, peitscht das Wasser um die Ohren. Beim Sturz in die Tiefe wird es aufgewirbelt und türmt sich zu einer gigantischen Gischtwolke auf, die man schon vom 20 Kilometer entfernten Flughafen aus sieht. Trotz der dicken gelben und schwarzen Regencapes, die sie am Eingang des Rundwegs in die Hand gedrückt bekommen, werden die Besucher nass bis auf die Unterhose.

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David Livingston „entdeckte“ die Fälle im Jahr 1851. Die ursprünglichen Anwohner nannten sie „Mosi-oa-Tunya“, „donnernder Rauch“. Tourismus gibt es hier, seit die britische Kolonialregierung den Ort an die Eisenbahnlinie anschloss, die von Kapstadt nach Kairo führen sollte. Heute steht das volle Programm bereit: der Fußweg mit Panoramablick, Hubschrauberrundflüge, die Bootsfahrten. Will Smith ist dieses Jahr am Bungee-Seil von der Brücke an den Fällen gesprungen, die Simbabwe mit Sambia verbindet.

Eigentlich sollte es hier von Touristen wimmeln. Doch wer einmal an den Niagarafällen war, wird überrascht sein, wie beschaulich es an den Victoriafällen zugeht. Sicher, von Europa und den USA aus ist die Anreise weit. Doch das ist nicht der einzige Grund. Dem Massentourismus steht auch Simbabwes Ruf im Weg, ein unsicheres Land zu sein, das seit Jahrzehnten von einem erratischen Diktator regiert wird. In den Reise- und Sicherheitshinweisen – ohnehin für viele Reiseländer ein Vorfreudedämpfer – mahnt das Auswärtige Amt, man solle sich von Demonstrationen fernhalten. Wörtlich: „In Notfällen ist von Sicherheitskräften in der Regel keine Hilfe zu erwarten.“ Das ist die Definition für einen Staat, der am Ende ist.

"Wer nach Simbabwe reist, unterstützt die Menschen"

"Donnernder Rauch". Von den Fällen wird eine 20 Meter hohe Gischtwolke gesprüht.
"Donnernder Rauch". Von den Fällen wird eine 20 Meter hohe Gischtwolke gesprüht.

© Detlev Overmann

Shelley Cox kennt die Zweifel am Reiseziel Simbabwe. Die Tourismusmanagerin ist in Simbabwe geboren und aufgewachsen. Auch sie ist bei der Branchenfeier dabei. Cox verkauft die Region. Und sie verkauft Optimismus: Simbabwes Besucherzahlen seien in den letzten Jahren gestiegen, wenn auch nicht so deutlich wie in den Nachbarländern, in Botswana, Sambia und Südafrika. „Vor allem im Vereinigten Königreich fragen sich die Leute, ob sie mit einer Reise hierher eine Regierung unterstützen würden, mit deren Politik sie nicht einverstanden sind“, sagt sie. „Aber das ist ein Fehlschluss. Wer nach Simbabwe reist, unterstützt die Menschen, die hier leben!“

Es ist das alte Dilemma, das jedem Boykottaufruf zugrunde liegt: Würde eine Warensperre langfristig nützen, weil sie das Ziel hat, ein Regime in die Knie zu zwingen – oder überwiegt die Last, die von den einfachen Bürgern getragen wird?

„Komm’ rein, riskier’ mal einen Blick“, sagt Eric, um Passanten in seinen kleinen Souvenirladen vor den Toren des Marktes von Victoria Falls zu locken. Er ist einer von 5000 Händlern in der Stadt, seine Existenz hängt vom Tourismus ab. In dem kargen Raum stehen ein paar schmucklose Regale mit Holzschalen, Statuetten der „Big Five“, des legendären Großwilds Afrikas, dazu Ketten und Anhänger. Eine große Schale quillt über vor Scheinen, die aussehen wie Spielgeld: 500 Millionen, 50 Milliarden, 20 Billionen Simbabwische Dollar. Die Banknoten, Zeugen der Hyperinflation, die die Wirtschaft des Landes endgültig zum Erliegen brachte, werden heute als Andenken verkauft. 2015 schaffte Simbabwe seine wertlos gewordene Währung ab, es wurde ohnehin schon lange in US-Dollar und Südafrikanischem Rand gezahlt.

Das Problem im Land ist der "Boss"

Eric bietet einem Kunden, der noch etwas unschlüssig eine Schale mit Tigerstreifen in den Händen dreht, einen Deal an: „Hast du vielleicht etwas zu verkaufen? Ich mache dir dann einen besseren Preis.“ Der Tourist schaut verdutzt. „T-Shirts oder Schuhe, die du nicht mehr brauchst.“ Der Händler deutet auf seine durchgetretenen Turnschuhe. „So etwas ist hier kaum zu bekommen.“ Ein weißes T-Shirt kann der Kunde erübrigen. Es sieht aus wie neu, von Eric bekommt er dafür vier Dollar Rabatt.

„Du unterstützt eine große Familie“, sagt er. „Souvenirs zu verkaufen, ist besser als andere Jobs. In denen verdienst du viel weniger – und manchmal kannst du ewig darauf warten, dass sie dich überhaupt bezahlen.“ Er schaut sich kurz um. „Weißt du, das Problem hier ist der Boss.“

Mit „Boss“ ist Staatschef Robert Mugabe gemeint, der das Land seit der Unabhängigkeit im Jahr 1980 regiert, zunächst als Ministerpräsident, dann als Präsident. Niemand hier nennt ihn beim Namen, die meisten Simbabwer sagen „Boss“, „Big Boss“ oder „Old Man“. 93 Jahre ist er inzwischen alt, sein Porträt hängt in allen öffentlichen Einrichtungen, in Banken, am Flughafen, in den Besucherzentren der Nationalparks: Mugabe trägt einen dunklen Anzug mit Einstecktuch und schaut aus einer riesigen Kastenbrille ernst in die Kamera. Die simbabwische Flagge hinter ihm ist so drapiert, dass der schwarze, mittlere Streifen in der linken oberen Bildecke aussieht wie eine Kondolenzschleife. Doch noch ist der Herr sehr lebendig.

Mugabe darf, außer in den Vatikan, nicht mehr in die EU

Elefanten trinken im Hwange-Nationalpark.
Elefanten trinken im Hwange-Nationalpark.

© Frank Sillen

Anders als etwa in Kuba wird die Diktatur in Simbabwe von Europäern nicht romantisiert. Unbedingt einmal dorthin reisen, bevor Mugabe abtritt – so einen Wunsch hört man nicht. Dabei galt Mugabe in seinen ersten Amtsjahren als Hoffnungsträger. Bis er begann, Wahlen zu manipulieren. Um die Jahrtausendwende enteignete Simbabwe 4000 weiße Großgrundbesitzer. Es war der Versuch, einem Land die Kolonialgeschichte in einer Rosskur auszutreiben. Mugabe teilte die meisten Territorien unter seinen Buddys auf, auch Kleinbauern wurden bedacht, die es nun für den Eigenbedarf bewirtschaften. Mit der Enteignung ging viel landwirtschaftliches Know-how verloren, die Produktion brach ein. Simbabwe, einst Kornkammer des südlichen Afrika, exportiert lange kein Getreide mehr.

Mit der Landreform brachte Mugabe die westlichen Regierungen endgültig gegen sich auf. In der EU hat er – Vatikanbesuche ausgenommen – seit 2002 Einreiseverbot. Das muss man selbst als Autokrat erst einmal schaffen. Die nächsten Wahlen finden 2018 statt. Mugabe hat schon angekündigt, dass er, dann 94 Jahre alt, wieder antreten wird.

Rucksacktouristen sieht man an den Victoriafällen kaum

Die Gäste des kolonialen Victoria Falls Hotel machen nicht den Eindruck, als würden sie sich über den Staatschef lange den Kopf zerbrechen. Hier trifft man sich um drei Uhr nachmittags auf der großen Terrasse zum High Tea und lässt den Blick zur Sambesi-Brücke schweifen, hinter der sich die Gischt türmt. Den ganzen Tag über strahlt hier ein Regenbogen. Bei Vollmond, heißt es, sogar nachts. King George, Queen Elizabeth und Agatha Christie übernachteten hier schon, auch neue Prominenz, Hillary Clinton etwa und David Hasselhoff. In den mit dicken Teppichen gedämpften Gängen hängen Schwarz-Weiß-Fotos aus der Zeit, als das Königshaus mit dem Sonderzug anreiste.

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An den Victoriafällen und an anderen touristischen Highlights des Landes sind Inseln relativen Wohlstands gewachsen. Rucksacktouristen sieht man kaum. Im „Backpacker’s“, dem einzigen Hostel in Victoria Falls, kostet das Doppelzimmer pro Nacht 52 Euro. Das leisten sich Budget-Traveller oft nur für ein, zwei Nächte. Die anderen Hotels im Ort kosten viermal so viel – die günstigeren jedenfalls. Vorerst hat sich Simbabwe vor allem auf wohlhabende Besucher eingestellt. Außerhalb der Stadt und im zwei Autostunden entfernten Hwange-Nationalpark zahlen Gäste 400 Euro pro Übernachtung für Safaricamps, Safaritouren inbegriffen. Jedes Jahr kommen neue Unterkünfte hinzu. Die Branche investiert für die Zeit nach dem „Big Boss“.

Reisetipps für Victoria-Falls und den Hwange-Nationalpark

HINKOMMEN

Mit Ethiopian Airlines über Frankfurt und Addis Abeba ab 700 Euro in der Economy Class.

UNTERKOMMEN 

Victoria Falls Hotel: 1904 gegründetes Luxushotel mit 161 Zimmern. Die günstigsten kosten ab 353 Euro. Der High Tea um 15 Uhr ist ein Klassiker und günstig: 12 Euro für Tee und ein dreistöckiges Tablett mit Scones, Gurkensandwiches und Kuchen. victoriafallshotel.com

Elephant Camp: Luxuscamp mit zwölf Suiten, das zehn Kilometer außerhalb von Victoria Falls liegt. Von den Terrassen hat man einen weiten Blick über den Busch. Morgens und nachmittags ist es gegen Bezahlung möglich, die

Ranger dabei zu begleiten, wie sie den im Haus aufgewachsenen Geparden im Freigelände von der Leine lassen. Eine Übernachtung kostet ab 400 Euro pro Person. www.theelephantcamp.com

TIERE BEOBACHTEN

Im Hwange-Nationalpark: Camp Hwang, Safaricamp mit eigenem Wasserloch im Herzen des Hwange-Nationalparks. Übernachtung inklusive Verpflegung und Safaritouren ab 384 Euro. www.camp-hwange.com

Ivory Lodge, Safari-Lodge am Rand des Hwange-Nationalparks. Übernachtung in komfortablen Pfahlhütten ab 260 Euro. www.ivorysafarilodge.com

Martin Kaluza

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