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Frauenverbände fordern seit langem, dass "Upskirting" strafbar wird.

© Stefan Boness/Ipon/Imago

Sexuelle Belästigung: "Upskirting"-Opfer froh über geplantes Gesetz

Wer Frauen heimlich unter dem Rock fotografiert, muss bald mit deutlichen Strafen rechnen. Betroffene begrüßen das geplante Gesetz, doch wen betrifft es?

Es waren nur kurze Momente, doch Hanna Seidel, 29, erinnert sich noch gut daran. Als sie 13 war, filmte ein Lehrer sie und andere Mädchen auf der Klassenfahrt heimlich unter dem Rock. Als sie 16 war, passierte es erneut auf einem Festival. „Ich fühlte mich schmutzig“, erinnert sie sich heute. Was die junge Frau damals erlebte, sorgt heute als „Upskirting“ für Schlagzeilen. Die Übergriffe empören viele, weil sie bislang meist straffrei blieben. Auch in Seidels Fall. Im April startete sie mit einer Freundin eine Petition dagegen, die online mehr als 100 000 Unterschriften bekam.

Bislang gilt das ungewollte Fotografieren höchstens als Ordnungswidrigkeit. Betroffen sind nicht nur junge Frauen in Röcken. Auch Unfallopfer werden von Gaffern oft in ihrer Privatsphäre gestört, selbst Tote noch mit dem Smartphone fotografiert. Die Bundesregierung will jetzt dagegen vorgehen.

Von Frauen gibt es Unterstützung - „von Männern auch Drohungen und Beleidigungen“

Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett einen Gesetzesentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Demnach drohen für ungewollte Fotos des Intimbereichs künftig bis zu zwei Jahre Haft. Geschützt werden soll alles, was durch Kleidung oder Handtücher eigentlich verdeckt ist: Genitalien ebenso wie Po, Busen oder Unterwäsche. Für Unfallopfer soll der Schutz des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ künftig auch nach dem Tod gelten. Für Hanna Seidel ist die geplante Reform eine Bestätigung. Von Frauen erhalte sie für ihre Petition viel Unterstützung – „von Männern auch Drohungen und Beleidigungen“. Doch wie viele Fälle gibt es überhaupt? In Berlin heißt es von der Polizei auf Nachfrage, dass wegen der fehlenden Strafbarkeit bislang keine Fallzahlen bekannt seien.

Bisherige Gesetze greifen nicht, weil es beim „Upskirting“ in der Regel nicht zu Berührungen kommt. Doch auch so hat die Polizei Berlin genügend zu tun: 2018 gab es mehr als 800 Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung. Auch bundesweit gibt es keine „Upskirting“-Statistik.

Die Polizei München berichtete vor Kurzem von durchschnittlich zwei Fälle pro Monat. Die Dunkelziffer sei aber vermutlich deutlich höher. Die Übergriffe mit Selfie-Sticks und Smartphones passierten oft so schnell, dass Betroffene kaum realisierten, wie ihnen geschieht.

Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit

Wenn doch, sorge das vielfach für ein Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit. Viele Frauen wüssten nicht, ob die Bilder womöglich später im Internet verbreitet würden und was darauf zu sehen sei. Auch Hanna Seidel ging es so.

Der Juristinnenbund sieht im „Upskirting“ ebenfalls ein Problem, warnt aber vor gesetzgeberischen Schnellschüssen. Nötig sei eine grundsätzliche Diskussion über „Aspekte digitaler Gewalt gegen Frauen“, heißt es in einer Stellungnahme. Anders formuliert könnte man wohl sagen, dass es nicht nur um härtere Strafen gehen sollte, sondern auch um eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie sexuelle Belästigung im Alltag verankert ist.

In anderen Ländern wurde diese Debatte bereits geführt. In Japan, wo heimliche „Panchira“-Bilder schon vor Jahrzehnten zur Popkultur gehörten, gibt es heute eigene U-Bahn-Wagen für Frauen. In Großbritannien im Januar die Kampagne einer jungen Frau dafür, dass ein Gesetz gegen „Upskirting“ verabschiedet wurde.

In Deutschland soll bald das Strafgesetzbuch ergänzt werden, um bloßstellende Fotos zu bekämpfen. Solche Bilder seien „eine demütigende, durch nichts zu rechtfertigende Verletzung“, sagte Justizministerin Lambrecht in Berlin. Auch Hanna Seidel sieht es so.

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