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Der sächsische Schauspieler Götz Schubert, 53, ist am 18. Dezember im ARD-Krimi "Wolfsland" (20.15 Uhr) zu sehen.

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Schauspieler Götz Schubert: Meine Helden

Dagmar Manzel bewundert er, Manfred Krug verdankt er die Rente. Der Schauspieler Götz Schubert und die Menschen, die ihn prägten.

MANFRED KRUG

In den frühen 70er Jahren gab es eine Serie im DDR-Fernsehen, die hieß „Die Stülpner-Legende“. Das war ein klassischer Straßenfeger. Eine Abenteuergeschichte aus dem Erzgebirge, eine Robin-Hood-Erzählung – und Manfred Krug spielte den Stülpner Karl, einen bauernschlauen Gauner. In Pirna, wo ich aufgewachsen bin, 20 Kilometer elbaufwärts von Dresden, da hat die ganze Familie im Wohnzimmer gesessen, sonntags 16 Uhr, und gebannt auf den Bildschirm geschaut. Krug war ein beliebter Darsteller. Er hatte eine Direktheit, einen Witz, einen Sex-Appeal, den es ansonsten im Osten selten gab. Außerdem trat er in der Komischen Oper auf, machte mit Günther Fischer Jazz-Platten. Die Alben liefen zu Hause bei meinen Eltern. Es war traurig mitanzusehen, wie nach seiner Übersiedlung in den Westen die Schallplatten in der DDR nicht mehr aufgelegt wurden, seine Filme aus dem Fernsehen verschwanden. Für mich war es eine Ehre, ihn nach der Wende kennenzulernen, als wir zusammen „Liebling Kreuzberg“ drehten. Möglicherweise verdanke ich ihm auch einen Teil meiner privaten Rente. Er hat mir geraten, in die Pensionskasse einzutreten. Darüber hatte ich mir davor nie Gedanken gemacht. Das kam mir beinahe unanständig früh vor.

Der deutsche Sänger, Schauspieler und Schriftsteller Manfred Krug 1978 in einem Park in Hamburg.
Der deutsche Sänger, Schauspieler und Schriftsteller Manfred Krug 1978 in einem Park in Hamburg.

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DIGEDAGS

Das sind die drei kleinen Comic-Helden Dig, Dag und Digedag, die Abenteuer in unterschiedlichen Epochen erleben. Durch diese Geschichten habe ich viel gelernt: über das antike Rom, Amerika während des Goldrauschs, die Ritterzeit in Deutschland. Wie man auf diese unglaublich sinnliche Art und frei von Ideologie Historie vermittelt hat, das finde ich noch im Nachhinein großartig. Eine Tragödie, dass die Hefte nur einmal im Monat erschienen. Ich rannte schon eine Woche vorher von einem Kiosk zum anderen, um die Verkäufer zu nerven, ob das neue Heft schon da sei. Damit ich auch ja keins verpasse. Es war eine Schweinearbeit, die zu bekommen, 60 Pfennig das Stück und immer schnell ausverkauft. In den 70er Jahren gab es schließlich Spannungen zwischen Hannes Hegen, dem Erfinder der Figuren, und dem Verlag Junge Welt. 1975 wurden die Digedags eingestellt. Ihre Nachfolger wurden die Abrafaxe, die für mich nie in Frage kamen. Das wäre Verrat gewesen. Ich hatte den Eindruck, das sind die von staatlicher Seite genehmigten Comicfiguren, die sozialistischere Version sozusagen: ideologisch einwandfrei auf Linie. Gerade lese ich die Digedags wieder. Ich habe mir ein paar der Reprint-Mappen aus dem Buchhandel besorgt.

Die Digedags waren von 1955 bis 1975 die Haupthelden in der DDR-Comiczeitschrift Mosaik.
Die Digedags waren von 1955 bis 1975 die Haupthelden in der DDR-Comiczeitschrift Mosaik.

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JEAN-MICHEL JARRE

In meinem elterlichen Haushalt galt der Grundsatz: Gute Musik kann man nur mit klassischen Instrumenten machen. Deshalb habe ich mich für elektronische Musik interessiert. In der Radiosendung „Luftfracht“ habe ich zum ersten Mal ein Stück von Jean-Michel Jarre gehört. Die Musik hat mich emotional getroffen, das Versponnene und Verträumte erwischte mich. Nach meiner Abiturzeit habe ich 1982 eine Reise per Anhalter gemacht. Mein Vater hat meinen Cousin und mich bis kurz hinter die tschechische Grenze gefahren. Totaler Nebel an jenem Tag, und dann sind wir mit Sack und Pack Richtung Budapest verschwunden. Weil es viele West-Alben in der DDR nicht gab, habe ich mir in Ungarn welche gekauft. Eine davon war „Concerts in China“ von Jarre. Das waren Unsummen, die ich dafür ausgab, aber wir haben auf der restlichen Reise einfach gespart. Haben mal unser Zelt auf einer Wiese oder im Vorgarten eines Mietshauses aufgestellt, uns von Hörnchen und Marmelade ernährt. Ich bin Jarre nicht mehr losgeworden, bin auf seine Konzerte gegangen – auch neulich in der Arena am Ostbahnhof. Irre Lichtshow, gigantische LED-Wände, ein wahnsinniger Wumms.

Der Franzose Jean-Michel Jarre zählt zu den Gründervätern der elektronischen Musik.
Der Franzose Jean-Michel Jarre zählt zu den Gründervätern der elektronischen Musik.

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LOUIS DE FUNÈS

Mein Vater war ein leidenschaftlicher Kinofan und hat selbst Filme mit einer Schmalfilmkamera produziert – richtig mit Storyboard. Meine Mutter, mein Bruder und ich waren die Darsteller. Mein Vater hat sich von Jacques Tati inspirieren lassen, vorzugsweise Monsieur Hulot, eine skurrile Figur. Aber ich fand den stillen Humor nie richtig lustig. Da war Louis de Funès eine Art Gegenentwurf und Befreiungsschlag. Etwas ungebremster, brachialer, ja, ich finde ihn dennoch nach wie vor großartig. In der DDR sind die Menschen in Scharen in seine Kinofilme gelaufen. Er hat mit Figuren wie Oscar, Balduin und dem Gendarm von Saint-Tropez etwas Unverwechselbares geschaffen. Wie er die Verzweiflung des kleinen Mannes spielt, der an den Gegebenheiten scheitert, und eine Arie daraus macht, das ist große Slapstick-Kunst. Er ist ein unglaublich präziser Komödiant. Man versteht seine Figuren, obwohl sie oft unsympathisch sind. Es gab mal einen West-Verwandten, der bei uns zu Besuch war und behauptete, dass de Funès im Privatleben überhaupt nicht lustig wäre. Das konnte und wollte ich nicht glauben.

Alles paletti! Der französische Komiker Louis de Funès brachte Jung und Alt zum Lachen.
Alles paletti! Der französische Komiker Louis de Funès brachte Jung und Alt zum Lachen.

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"Lächerlich, was ich als junger Mann durchlitten habe"

Der sächsische Schauspieler Götz Schubert, 53, ist am 18. Dezember im ARD-Krimi "Wolfsland" (20.15 Uhr) zu sehen.
Der sächsische Schauspieler Götz Schubert, 53, ist am 18. Dezember im ARD-Krimi "Wolfsland" (20.15 Uhr) zu sehen.

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EVA STRITTMATTER

Mein Bruder Veit und ich haben in unserer Jugendzeit französische Chansons nachgespielt und eigene Gedichte vertont. Damals gab es eine Reihe hochkantiger dünner Hefte, die sich „Poesiealbum“ nannten und in der monatlich Texte eines Autoren oder einer Autorin abgedruckt wurden. Darüber habe ich Eva Strittmatter entdeckt. „Eine Rose überwältigt alles“, diese Zeile ist mir in Erinnerung geblieben. Kitschig? Wahrscheinlich, aber dafür war ich als junger Mann empfänglich. Wie jeder sehnte ich mich nach Liebe, und zwar mit allen Schattierungen: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Diese Gedichte haben mich zu einer Zeit getroffen, als ich jugendlichen Hormonschwankungen unterworfen war. Im Nachhinein lächerlich, was ich als junger Mann durchlitten habe. Wenn ich nicht mehr mit einem Mädchen gehen wollte, schrieb ich Zettelchen: Ich will dich nie wiedersehen. Im Gegenzug habe ich selbstredend auch solche Zettel bekommen. Die Gefühle kamen an Weltuntergänge heran. Ich war jemand, der viel damit zu kämpfen hatte, weil ich kein extrovertierter Typ bin. In den Gedichten fühlte ich mich verstanden und aufgehoben wie in einem Schutzraum.

Die deutsche Dichterin und Schriftstellerin Eva Strittmatter starb 2011 in Berlin.|
Die deutsche Dichterin und Schriftstellerin Eva Strittmatter starb 2011 in Berlin.|

© picture alliance / akg-images

LEONARD COHEN

Das ist schon schlimm, dass ich dieses Jahr das Gefühl habe, ich muss mich von einigen meiner Helden verabschieden. Cohen habe ich über eine sogenannte Lizenzplatte zu Ostzeiten kennengelernt, „Songs of Leonard Cohen“ – mit Liedern wie „Suzanne“ und „So long Marianne“. Das waren wohlige Schläge in die Seelengrube. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Cohen ist mir viel näher als beispielsweise Bob Dylan. Eines der schönsten Konzerte von Cohen habe ich in der Waldbühne erlebt, das war fast wie ein Gottesdienst. Er spielte ohne viel Tamtam. Ein alter schlanker Mann in einem eleganten grauen Anzug, der für das Publikum wie ein Guru war. Alle mit ihren Lichtern in der Hand, als säße man kollektiv am Lagerfeuer und sinnierte über das Leben und die Liebe. Ich könnte mir vorstellen, dass man ihn bald als Literaten wieder entdeckt. Cohen ist ein Dichter! Er hat am Anfang seiner Karriere Gedichte vorgetragen, auch in großen Sälen, irgendwann hat er Musik dazu komponiert. Die Legende von ihm als Frauenheld ist ein Witz, der ihn dazu gebracht hat, sich bitter durch die zehntausend Nächte zu lachen, in denen er allein war, hat er mal gesagt. Das Gefühl, dass man gern der Frauenliebhaber sein möchte, der man in der Wirklichkeit nicht ist, damit kann ich viel anfangen.

Der kanadische Dichter, Sänger und Songwriter war Meister der Melancholie.
Der kanadische Dichter, Sänger und Songwriter war Meister der Melancholie.

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DAGMAR MANZEL

Ende der 70er Jahre war das Theater in Dresden für mich eine Offenbarung. Das war ein absolutes Zentrum zu der Zeit. Ich bin nach den Vorstellungen mit der Bahn spät heimgekommen und frühmorgens in der Erweiterten Oberschule auf der Schulbank eingenickt. Egal, ich hatte am Vorabend ein großartiges Stück gesehen. Wolfgang Engel inszenierte mit einer jungen Truppe von Schauspielern, Sylvester Groth, Daniel Minetti – und Dagmar Manzel. Was ich da von ihr gesehen habe, war beeindruckend. Sie als Maria Stuart mit Glatze, der Henker mit einem Schwert in der Hand, dazu choralartige Musik. Großartig! Ich hatte das Gefühl, da steht Maria Stuart auf der Bühne – die komplette Identifikation mit der Rolle. Mit großen Augen saß ich im Saal und dachte, Mann, muss das toll sein, da mitspielen zu dürfen. Theater bedeutete für mich zu träumen, verstanden und mitgenommen zu werden. Der schönste Moment: wenn der Saal langsam dunkel wird und der Vorhang noch geschlossen ist. Eine Imagination, die im Kopf passiert. Eine freudige Erwartung, alles ist möglich. Dagmar war hinreißend, und das ist sie heute noch. Ich kenne sie inzwischen ein bisschen besser. Wir haben auch gemeinsam auf der Bühne gestanden. Sie begeistert mich nach wie vor, weil sie eine Künstlerin ist, die neugierig geblieben ist und sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruht. Heute singt sie auf der Bühne der Komischen Oper. Dass sich jemand noch mal neu definiert, dafür habe ich den größten Respekt.

Die Schauspielerin Dagmar Manzel ist neben ihren Kino- und Fernsehproduktionen auch auf der Bühne zu sehen.
Die Schauspielerin Dagmar Manzel ist neben ihren Kino- und Fernsehproduktionen auch auf der Bühne zu sehen.

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OLAFUR ARNALDS

Den Musiker habe ich über die Krimiserie „Broadchurch“ entdeckt. Dazu hat er einen fesselnden Soundtrack geschrieben. Das Hauptthema gibt es auch in einer Liedversion. Die hat die Qualität eines Klagegesangs und erreicht die Dimension einer griechischen Tragödie. Das holt mich als Zuschauer genau bei der Handlung ab: In der ersten Staffel geht es um den Tod eines kleinen Jungen. Als ich mir Musik von Arnalds digital heruntergeladen habe, bemerkte ich, dass ich bereits andere Musiktitel von ihm besitze. Er hat mal Chopin auf minimalistische Weise neu eingespielt, dabei knisternde Sounds unter die Musik eingebaut, so dass es klingt, als würde die ganze Zeit die Aufnahme kratzen. Ich kann das am besten mit einem Gemälde vergleichen, wo am Ende mit Sandpapier noch mal Kanten reingeschliffen werden. Mich fasziniert an dem, dass er so vielseitig ist: Klassik, Techno, Filmmusik. Er arbeitet auf einem unglaublich hohen musikalischen Niveau. Mir gefällt diese Verbindung von Kunstfertigkeit und profundem Wissen. Er hat einfach Kunstverstand. Ich habe mir sofort Karten für sein Konzert in der Kulturbrauerei besorgt – und dann konnte ich leider nicht hingehen. Meine Frau ist mit ihrer Schwester gegangen. Nach einer Viertelstunde haben sie den Saal wieder verlassen. Es war im Prinzip Techno. Meine Frau beschrieb es so, dass wohl viele ältere Semester dort waren, die alle langsam hinausgingen. Das hätte ich selbstredend nicht gemacht.

Olafur Arnalds ist ein isländischer Multiinstrumentalist und Produzent.
Olafur Arnalds ist ein isländischer Multiinstrumentalist und Produzent.

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