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Lässig einsteigen, hoch sitzen, bequem fahren - ein gut gemachter, kleiner SUV.

© Rainer Ruthe

Renault Captur mit Autogas-Antrieb: 100 Kilometer für nur 3,72 Euro!

Die Franzosen bieten die Neuauflage des beliebten Kompakt-SUV nun auch mit LPG-Motor an - und sind damit fast allein in Deutschland

Renaults Captur ist ein Erfolgstyp: Mehr als 1,2 Millionen des modischen Kompakt-SUV sind seit 2013 verkauft worden. Schon im Laufe seines bisherigen Lebens hat er sich mit wohnlichem Innenraum, gekonnter Form, Zweifarblackierung und vielen Individualisierungsmöglichkeiten zum gefragten Alltagsbegleiter gemausert. Für die zweite Generation, die am 11. Januar 2020 bei uns startete, wurde der Captur unter dem holländischen Designchef Laurens van den Acker nicht nur aufgehübscht, sondern auch technisch auf Vordermann gebracht. Das ermöglicht die zu 85 Prozent neue Plattform, auf der auch Renault Clio und Nissan Juke aufbauen. Und ein LPG-Motor ist auch mit an Bord.

LPG? Das ist nicht die Abkürzung für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, die es in der DDR gab. Das Kürzel LPG steht für „Liquified Petroleum Gas“ und weist darauf hin, dass LPG ein Flüssiggas ist - ein unter Druck verflüssigtes Gasgemisch aus Propan und Butan, das bei der Benzinherstellung anfällt. Der Gastank selbst besteht aus 3,5 Millimeter starkem Stahl und darf aus Sicherheitsgründen nur zu maximal 80 Prozent befüllt werden; dafür sorgt ein spezielles Differenzdruckventil. Und das Multiventil gewährleistet bei einem etwaigen Schadensfall ein kontrolliertes Ablassen des Gases. Ein LPG-Auto ist mithin keineswegs gefährlicher als ein Benziner.

Treibstoffkosten halbiert

Der größte Vorteil von LPG gegenüber Benzin ist die deutliche Kostenersparnis beim Tanken. So lassen sich für ein und dasselbe Fahrzeug die Treibstoffkosten im LPG-Betrieb um rund die Hälfte verringern – trotz eines Mehrverbrauchs von rund 20 Prozent im Gasbetrieb. Ein weiterer Vorteil: Flüssiggas ist umweltfreundlicher als Benzin. Der Kohlendioxidausstoß reduziert sich um etwa 15, der Ausstoß von Stickoxiden sogar um 80 Prozent. Außerdem hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes herausgefunden, dass sich mit dem alternativen Kraftstoff der Feinstaubausstoß im Vergleich zu benzinbetriebenen Ottomotoren um bis zu 99 Prozent reduzieren lässt. Und im Vergleich zu Diesel-Pkws stoßen Autogas-Modelle nur ein Fünfzigstel der gesundheitsschädlichen Stickstoffoxide aus.

Bis zu 1.275 Liter Zuladung möglich - unbequem ist aber die 78 Zentimeter hohe Ladekante.
Bis zu 1.275 Liter Zuladung möglich - unbequem ist aber die 78 Zentimeter hohe Ladekante.

© Rainer Ruthe

Allerdings läuft die steuerliche Förderung dieses umweltfreundlichen Kraftstoffs unverständlicherweise Ende 2022 aus. Bis dahin reduziert sich der Steuervorteil von Autogas jährlich um 20 Prozent. Experten schätzen, dass ein Liter Autogas dann 75 bis 80 Cent statt des aktuellen Preises von 52 Cent kosten dürfte. Das ist noch immer weniger als die Hälfte des Preises von einem Liter Benzin. Denn ab 2021 werden sich Autofahrer an der Tanke die Augen reiben: Ein sogenannter „CO2-Preis“ – man darf das auch deutlich als neue Steuererhöhung nennen - verteuert ab nächstem Jahr auch Benzin und Diesel. Das hat die Bundesregierung am 8.Oktober 2020 beschlossen. Ab 2021 wird Benzin dann laut CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen pro Liter um sieben Cent teurer werden, 2022 dann um 9,7 Cent, 2023 dann um 11,4 Cent, 2024 dann um 14,6 Cent und 2025 um 17,2 Cent. Bei Diesel ist diese neue Steuer noch höher: Ab 2021 soll Diesel um 9,2 Cent, 2022 dann um elf Cent, 2023 dann um 12,8 Cent, 2024 dann um 16,5 Cent und 2025 schließlich um 20,2 Cent teurer werden. Wie es danach mit dem „CO2-Preis“ weiter nach oben geht, verrät die Bundesregierung noch nicht…

Da kommt ein funkelnagelneuer Renault Captur mit einem effizienten Autogas-Antrieb ab Werk gerade recht. Der Captur TCe 100 LPG Experience.  Er ist erst ab dieser zweithöchsten Ausstattungsstufe lieferbar und kostet mit manuellem Fünfgang-Getriebe 21.152,94 Euro. Damit ist er nur 974,69 Euro teurer als das Einstiegsmodell TCe 90 in der gleichen Ausstattung Experience mit 90-PS-Benziner, aber manuellem Sechsgang-Getriebe.

Der kann sich sehen lassen: Mehr als 1,2 Millionen des modischen Kompakt-SUV sind seit 2013 verkauft worden.
Der kann sich sehen lassen: Mehr als 1,2 Millionen des modischen Kompakt-SUV sind seit 2013 verkauft worden.

© Rainer Ruthe

Der neue Captur wirkt bulliger, das Auto steht moderner da. Die scharfen Rücklichter nehmen den Schwung der auffälligen Tagfahrlichter auf. Der Crossover hat seinen Charakter verändert - statt feminin-sanfter Gestalt kommt er jetzt in maskulin-kantiger Form. Und 4,23 Meter Länge sind elf Zentimeter mehr als bisher.

Viel Platz - aber hohe Ladekante

Die Fondpassagiere dürfen sich so über zwei Zentimeter mehr Kniefreiheit freuen. Das Gros des Längenzuwachses wanderte jedoch in das Gepäckabteil. Der Captur der zweiten Generation bietet den größten Kofferraum seiner Klasse – bis zu 536 Litern normal, und bis zu 1.275 Liter bei umgeklappter Rücksitzbank. Dank doppeltem Ladeboden entsteht eine ebene Fläche. Die um 16 Zentimeter verschiebbare Rückbank ist so praktisch wie im Vorgänger. Leider liegt die Ladekante mit 78 Zentimetern unangenehm hoch.

Der neue Renault Captur empfängt einen nach dem Türöffnen mit einem warmen Signalton: „Hallo, willkommen bei mir!“ Ein witziger Gag. Ebenso wie das perfekt funktionierende Keycard Handsfree System für den schlüssellosen Zugang. Beim Nähern öffnet sich der Captur, beim Weggehen verschließt er sich. Automatisch, mit leichtem Piep und freundlichem Blinken, damit man sicher ist, dass der Captur sicher ist.

Zwar gibt es im Testwagen in der mittleren Ausstattung Experience noch Etliches an Hartplastik, doch ist der Kunststoff sauber verarbeitet und sieht nach mehr aus. Viele Schalter tragen Chromeinlagen, und der Bildschirm leuchtet brillant wie bei einem hochwertigen Smartphone. Das „Lenkrad in Lederoptik“ fühlt sich gar nicht plastikmäßig an und liegt gut in der Hand. Per Lenkrad-Knöpfe lassen sich übrigens die Menüs im Mitteldisplay zwischen den beiden leuchtstarken analogen Runduhren ganz einfach durchwählen – ohne vorheriges Studium der Bedienungsanleitung! Was will man mehr?

Mehr Drehmoment als ein Benziner

Die Vordersitze sind für einen Franzosen fest gepolstert und bieten ordentlichen Seitenhalt. Allerdings vermisst der Tester eine wirksame Lordosenstütze. Nach fünf Stunden Nonstop-Fahrt spürt er, da stimmt was nicht. Der Rücken „hängt durch“, weil er zu gering gestützt wird. Schade, dass Renault auch noch immer an der antiquierten grobrastigen Verstellung der Lehnenneigung per Ratsche festhält.

Zur insgesamt freundlichen Auslegung passt der neu entwickelte bivalente Antrieb mit 100 PS starkem Dreizylinder-Benziner mit konventioneller Mehrpunkt-Einspritzung und Abgasturbolader optimal. Renault setzt beim Drilling nicht auf eine Ausgleichswelle, um den Motorlauf ruhiger zu gestalten. Stattdessen werden ein konventionelles Zweimassen-Schwungrad sowie ein Vibrationsdämpfer an der Kurbelwelle verwendet. Diese Auslegung ermöglicht es, auf zusätzliche Ausgleichsgewichte an der Kurbelwelle zu verzichten, um das Gewicht nicht unnötig in die Höhe zu treiben. Und anders als bei früheren LPG-Varianten gibt es beim neuen optimierten Autogas-Motor keine Leistungseinbußen mehr im Vergleich zum reinen Benzinmotor. So mobilisiert der TCe 100 LPG mit 170 Newtonmetern bei 2000 Umdrehungen in der Minute auch im Flüssiggasmodus ein höheres Drehmoment als der Benziner TCe 90, der es auf 160 Newtonmeter bei 2750 Touren bringt und jetzt interessanterweise über zehn PS weniger Leistung verfügt.

Zur Begrüßung gibt es beim Einstieg einen warmen Signalton - und gute Verarbeitung.
Zur Begrüßung gibt es beim Einstieg einen warmen Signalton - und gute Verarbeitung.

© Rainer Ruthe

Akustisch unauffälliger Dreizylinder

Das Triebwerk im Mini-SUV ist gut geräuschgedämmt, selbst bei 181 km/h laut GPS-Messung (Werksangabe 175 km/h) blieb das Auto erstaunlich kultiviert, und vom Motor war wenig zu vernehmen. Chapeau, Renault! Der Einliter-Turbo präsentiert sich nicht nur als akustisch unauffälliger Dreizylinder, er arbeitet überdies auch auffällig elastisch: Selbst aus niedrigen Drehzahlen um die 1000 Touren beschleunigt er ohne zu murren. So lässt er sich sehr schaltfaul und spritsparend fahren. Wer Freude am Sparen hat, fährt hier richtig. Der Fahrer kann lange im hohen Gang bleiben. Und das ist auch gut so, denn der LPG-Captur besitzt lediglich ein Fünf-Gang-Schaltgetriebe, das sich bei schnellen Gangwechseln als überraschend hakelig erweist. Das ist man von heutigen neuen Autos eigentlich so gar nicht mehr gewohnt. Im ECO-Fahrmodus und mit vorausschauendem Fahrstil, bei dem man nicht langsam unterwegs sein muss, lassen sich im normalen Alltag Verbrauchswerte im Autogas-Betrieb von um die sieben bis acht Liter pro 100 Kilometer erreichen. Der Praxisverbrauch des Captur über die 1400 Kilometer lange Testfahrt, inklusive einiger flotterer Autobahnetappen, hat sich dann bei sehr guten 7,3 Liter Autogas pro 100 Kilometer eingependelt, mithin nur 0,2 Liter über der Werksangabe nach WLTP-Messung. Damit kosten 100 Kilometer bei einem Literpreis von derzeit 51,9 Cent nur 3,72 Euro! Bei diesen extrem niedrigen Kraftstoffkosten kann weder ein moderner Diesel noch ein Elektroauto mithalten. Billiger kann man derzeit nicht Auto fahren!

Wer wird denn da an die untergegangene DDR denken beim Stichwort "LPG"-Antrieb?
Wer wird denn da an die untergegangene DDR denken beim Stichwort "LPG"-Antrieb?

© Rainer Ruthe

Umschaltbar von Gas auf Benzin

Es fährt jedoch nur jener clever, der immer mit dem günstigen und gegenüber Benzin umweltfreundlicheren Autogas unterwegs ist. Eine Tankfüllung ermöglicht eine Reichweite von mindestens 400 Kilometern. Apropos tanken. Das geht fast so schnell wie beim Benziner. Es muss nur das pistolenartige Zapfsystem auf den Adapter geschraubt und arretiert werden, was unkompliziert ist. Und weil der Captur mit seinem bivalenten Antrieb neben dem 40-Liter-LPG-Stahltank auch noch einen 48-Liter-Benzintank an Bord hat, ist bei einem Praxisverbrauch von 5,4 Liter Super E10 (nur 0,3 Liter über der Werksangabe) eine theoretische Gesamtreichweite von über 1000 Kilometer drin. Es muss auch niemand Angst haben, keine LPG-Säule zu finden. Mit Stand vom 1. Oktober gibt es bei uns 6196 Tankstellen, die eine LPG-Säule haben. Also statistisch an jeder zweiten Tankstelle. Allerdings sieht der Umschalter zwischen Benzin und Autogas eher nach einer Baumarkt-Nachrüstlösung aus. Dummerweise hat sich Renault den denkbar schlechtesten Ort für diesen Umschalter mit Pi-Mal-Daumen-Anzeige ausgesucht: Links unten neben dem Lenkrad; man muss sich verbeugen, um diesen Umschalter zu sehen.

Der neue Captur wirkt bulliger - und ist 11 Zentimeter länger. Die scharfen Rücklichter nehmen den Schwung der auffälligen Tagfahrlichter auf.
Der neue Captur wirkt bulliger - und ist 11 Zentimeter länger. Die scharfen Rücklichter nehmen den Schwung der auffälligen Tagfahrlichter auf.

© Rainer Ruthe

Clever gemacht

Die neue Plattform ermöglicht den Einsatz diverser Assistenzsysteme. So sind erstmals ein Querverkehrswarner sowie eine 360-Grad-Kamera verfügbar. Das neu entwickelte Multimediasystem Easy Link kooperiert von der mittleren Ausstattungslinie an serienmäßig mit Smartphones per Apple CarPlay oder Android Auto. Eventuelle Updates für Navigation und Software werden automatisch ohne Zutun des Fahrers vollzogen.

Fazit: Der Captur ist ein ansehnliches, angenehm zu fahrendes,  gut gefedertes Auto, mit dem man unbedenklich auch auf längere Reisen gehen kann. Wie ideal doch so ein gut gemachtes kleines SUV in das alltägliche Leben passt. Lässig einsteigen, hoch sitzen, bequem fahren, und dank verschiebbarer Rückbank flexibel Kinder oder Kisten mitnehmen. Das ist clever. Und vor allem fährt man im LPG-Captur nicht nur umweltfreundlicher als im Benziner, sondern derzeit auch konkurrenzlos günstig.  Um so unverständlicher ist es, dass nur noch wenige Hersteller LPG-Autos ab Werk anbieten. Waren es bis 2019 sieben Hersteller (Dacia, Fiat, Ford, Hyundai, Kia, Opel und Renault), so sind es mittlerweile nur noch drei – Fiat, Dacia und eben Renault.

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