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Im Grootbos Nature Reserve gehen Reisende auf Blumensafari.

© Grootbos

Reiseziel Südafrika wird wieder beliebter: Eine Safari ins Königreich der Pflanzen

Für die einen ist Fynbos Gestrüpp, für die anderen ein botanisches Weltwunder: Auf Expedition am Kap der Guten Hoffnung.

Jonathan Durham kennt sie alle. Die knapp 900 Pflanzenarten, die im Grootbos Reserve im Westkap wachsen. Deren seltsame Verbreitungsmechanismen, die darauf abzielen, dass eine Feuerwalze einmal durch die Landschaft fegt. Deren Inhaltsstoffe, die Krankheiten lindern. Durham zeigt aus dem Jeep auf ein unscheinbares Kraut mit langen dürren Blättern. „Wild dagga“, sagt er, wildes Marihuana. Macht nicht high, „ich habe es wirklich versucht“, hilft jedoch gegen Magenbeschwerden und Übelkeit.

Jono, wie alle den Naturführer nennen und wie es auch auf seinem Namensschild an der Brust steht, arbeitet seit sechs Jahren als Guide in Grootbos. Übersetzt heißt die Farm: großer Busch. Und das ist die heutige Pflanzenlehranstalt auch. Ein riesiges Gelände von 2759 Hektar, flächenmäßig größer als der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, auf dem strikter Naturschutz und sanfter Tourismus eine gleichbedeutende Rolle spielen

Während anderswo in Südafrika Urlauber nach Giraffen und Löwen Ausschau halten, konzentrieren sich Grootbos-Besucher auf unscheinbare Lebewesen. Sie kommen wegen des Fynbos. Der feine Busch, wie die holländischen Einwanderer die Vegetation im 17. Jahrhundert tauften, gehört zu den botanischen Wundern der Welt. Er ist eine von sechs sogenannten Florenreichen – Regionen mit einer eigenständigen Vegetation.

Jonathan Durham führt als Guide durch das Fynbos.
Jonathan Durham führt als Guide durch das Fynbos.

© Ulf Lippitz

Doch während die Holarktis beinahe die gesamte nördliche Erdhalbkugel umfasst, kommt der Fynbos nur in einem 100 bis 200 Kilometer breiten Küstenstreifen an der Südwestspitze Afrikas vor. Rund um die Millionenmetropole Kapstadt wächst er. 8000 Arten soll diese Pflanzenwelt umfassen, davon sind 5000 endemisch, gedeihen also nirgendwo anders. Zum Vergleich: Der WWF listet für Deutschland 42 solcher Pflanzenarten. Auf diesen Reichtum sind die Südafrikaner stolz. Jono bemüht bei seinen Ausfahrten mit dem Jeep gern den Vergleich zu den Urwäldern des Amazonas. Nur dort seien ähnlich viele Arten pro Quadratkilometer zu finden.

Vermutlich können Reisende diese Vielfalt nirgendwo besser begreifen als in Grootbos. Natürlich sehen sie Protea und Erika auf den Wegen rund um den Tafelberg, wenn sie die Platteklip-Schlucht hinaufschwitzen, und bewundern das gedrungene Dickicht jenseits der Straßen, brechen sie mit dem Mietwagen zum Kap der Guten Hoffnung auf. Doch erstens drängeln in normalen Urlaubssaisons die nachfolgenden Wanderer oder Autos – und zweitens fehlt es oft an einer Einordnung durch Fachleute.

Jono ist der Experte, Michael Lutzeyer der Visionär. Der Gründer von Grootbos hat früh verstanden: Im Fynbos sind die Pflanzen der Star. Die deutsch-südafrikanische Gründerfamilie hat der Natur ihren Raum zurückgegeben. Als sie 1991 die Farm kaufte, war sie gerade mal 125 Hektar groß, inzwischen haben sie zwei Fünf-Sterne-Lodges an den Hang gesetzt, Nachbargrundstücke hinzugekauft, ein privates Naturschutzgebiet mit Forschungsstation eingerichtet und mit Farmern drumherum einen Schutzraum von 21 000 Hektar geschaffen, das entspricht einem Viertel der Stadtfläche Berlins.

Gibt es hier in Hülle und Fülle: Protea, die Nationalblume Südafrikas.
Gibt es hier in Hülle und Fülle: Protea, die Nationalblume Südafrikas.

© Grootbos

Blumensafari. Unwillkürlich denken Europäer dabei an Exkursionen durch holländische Tulpenfelder. Nichts könnte ferner von diesem Bild einer gesitteten Landschaft sein. Auf dieser Tour lernen Deutsche, Briten, Schweizer verrückte Kräuter und verwachsene Bäume kennen, sie zerreiben Blätter, riechen an Blüten und hören vom Feuertod.

Morgens geht es mit Jono los. Gemütlich um halb zehn sitzen die Teilnehmer der Safari im Jeep, nicht um halb sechs wie im Kruger-Nationalpark, um Löwen und Leoparden noch halbwegs aktiv vor ihrer Ganztagsruhe zu erleben. Sträucher flüchten nicht, Blumen laufen nicht weg. Sie wehen höchstens im Wind, der an diesem Tag kräftig bläst.

Zündeln für die Natur

Hinter zwei Kurven, etwa 300 Meter von der Forest Lodge entfernt, sehen die Fynbos-Novizen zuerst kein wildwucherndes Gelände, sondern abgebrannten Busch. „Wir legen zweimal im Jahr kontrollierte Brände, im Frühling und im Herbst“, erklärt Jono. Viele Pflanzen haben sich im Laufe der Evolution an die harsche Natur angepasst. Sie brauchen Feuer, um sich fortzupflanzen.

Nach sommerlichen Buschbränden sprießen die Samen aus einer feuerfesten Kapsel. Zum einen hat sich dann das Dickicht gelichtet und gibt Sprösslingen die Chance auf Sonne, zum anderen verfügt der aschehaltige Boden über mehr Nährstoffe. Da der Mensch die Natur in den vergangenen Jahrzehnten stark reguliert hat, kommt es immer seltener zu wilden Bränden. Also hilft man in Grootbos nach.

Hoffentlich sieht er es nicht

Michael Lutzeyer hat diese fantastische Pflanzenwelt eigentlich durch Zufall gerettet. Der 69-Jährige wollte damals mit seiner Familie einen Campingausflug machen, als kurz vor dem Ort De Kelders das Schild am Straßenrand auftauchte: „For sale“.

Seine Frau soll heimlich gebetet haben, dass ihr Mann es nicht sieht. Sie kannte zwar seinen Wunsch, eine Farm auf dem Land zu haben, aber auch seine manchmal blinde Spontanität. Michael Lutzeyer erblickte das Schild, rief sofort den Makler an und verliebte sich in die Aussicht auf die kilometerlangen Strände der Walker Bay, hinüber bis zur Kleinstadt Hermanus.

Außenansicht der Forest Lodge von Grootbos.
Außenansicht der Forest Lodge von Grootbos.

© Grootbos

Lutzeyer ist in Kapstadt geboren, er lebte in den 70er und 80er Jahren in Deutschland, führte ein Café in Lüneburg, wo er auch seine Frau kennenlernte. Beide kamen Mitte der 80er Jahren zurück ins Land. Zehn Jahre später eröffneten sie auf Grootbos ein Hüttendorf für Selbstversorger, aus dem langsam das heutige Resort entstand. Die Urlauber wollten lieber Rundumservice als Eigenverantwortung, Komfort statt Kargheit. Inzwischen sind Garden und Forest Lodge auch in Deutschland so beliebt, dass der Fernsehsender Vox jedes Jahr seine Show „Sing meinen Song“ vor Ort dreht.

Für zwei Wochen fliegen dann deutsche Popstars ein und singen am Lagerfeuer die Lieder der anderen Teilnehmer. Lutzeyer, eine Mischung aus Ideenmaschine und Quälgeist, der seine Gäste gleich auf Deutsch mit Vornamen anredet, hat einige der Musiker fürs Fynbos begeistern können.

Vox und ZDF

Zwei Mal war Michael Patrick Kelly in Grootbos und ließ sich vom Gründer die Pflanzenwelt erklären. „Er hat sich richtig Zeit genommen, ist mit mir mehrere Male über die Farm gestiefelt.“ Am Ende hat Kelly seine Flugmeilen vor Ort kompensiert, indem er Bäume auf dem Gelände pflanzen ließ.

Von der neuen Staffel, die im Frühjahr gesendet wird, kennt der Hotelier einige Namen. Nach wie vor schaut er deutsches Fernsehen. Als er einmal um 18 Uhr zum Aperitiv auftaucht und nach seiner Frau gefragt wird, antwortet er: „Gerade schlecht, läuft Soko im ZDF.“

Das Showbiz ist für Lutzeyer Mittel zum Zweck. Um Aufmerksamkeit für die Natur zu erzeugen. Seit er vor ein paar Jahren vom Insektensterben in Deutschland erfahren hat, setzt er sich für deren Erforschung in Grootbos ein. In der Nähe der Garden Lodge steht das Forschungszentrum, in dem Wissenschaftler das Chaos der Natur ordnen und jede Insekten- und Pflanzenart katalogisieren. In Schaukästen stecken staubkörnergroße Tiere auf Stecknadeln.

Michael Lutzeyer hat Grootbos gegründet.
Michael Lutzeyer hat Grootbos gegründet.

© Grootbos

Jono fährt den offenen Jeep nun über einen sandigen Boden. Rechts schäumt das Meer, türmen sich die Berge hinter Hermanus zu einem schroffen Schutzwall auf. Links wachsen immergrüne Kegel in den Himmel, an denen manche Wolke klebt. Jono erklärt, dass die Gegend von der Eiszeit verschont wurde und deshalb die Evolution ununterbrochen ihr Werk tat. „Nicht so wie in Europa, wo die Pausetaste gedrückt wurde.“

Der 33-jährige Guide hat in Kapstadt Umweltschutz und Botanik studiert, er zeigt auf Geranien („Die kommen ursprünglich von hier.“) und Protea, die wie Artischocken aussehen („Unsere Nationalblume.“). Er hält an, um den Blütenkelch einer Pflanze sanft auseinanderzunehmen, „hier, diese lilafarbenen Streifen funktionieren wie Landebahnen für Insekten, die dadurch wissen, wo der Nektar lagert und anschließen die Pollen verbreiten“, er reibt an braunem Salbei und sagt: „Das Fynbos ist eine der reichhaltigsten Apotheken in der Natur.“

Arzneien aus der Natur

Schon die Khoisan, die seit Jahrhunderten am Kap leben, haben sich die Kraft der Botanik zunutze gemacht, nicht nur des bitteren „digga“. Aus dem Saft der gelben Pferdefeige lässt sich ein natürliches Antiseptikum herstellen, das auch gegen Sonnenbrand hilft. Tee vom weißen Bukkostrauch lindert Husten und Blasenbeschwerden. Und natürlich gibt es den Rooibos, der inzwischen als Aufguss seinen Siegeszug durch die ganze Welt angetreten hat.

Der Wagen schunkelt weiter, eine Schildkröte flieht im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Andächtig sezieren die Blicke der Touristen jede Blüte, die sich am Wegesrand neigt. Und vergleichen sie mit den Bildern aus dem Florilegium. Dieser Raum in der Forest Lodge ist Kunstgalerie und Klassenzimmer zugleich. Michael Lutzeyer hält dort Vorträge über Naturschutz, in großen Rahmen hängen filigrane Pflanzenzeichnungen. Künstler haben sie für wissenschaftliche Zwecke angefertigt, Lutzeyer hat sie vervielfältigt. Die Drucke können Besucher als Souvenir erwerben und damit die Stiftung zum Erhalt des Fynbos unterstützen.

Diese Erika-Pflanze heißt bei den Guides nur der "Bob Marley".
Diese Erika-Pflanze heißt bei den Guides nur der "Bob Marley".

© Ulf Lippitz

Die Idee, mit Protea statt Prädatoren zu locken, hatte Lutzeyer Ende der 90er Jahre. Sein Vater war ein Hobbybotaniker und begeistert von der Artenvielfalt auf der Farm. Michael kontaktierte einen Wissenschaftler an der Universität von Kapstadt, um zu erfahren, wie viele Pflanzen nun tatsächlich auf dem Gelände vorkamen.

Der Botaniker schätzte etwa 400, am Ende waren es 891 Arten, darunter 81 seltene und sieben neue. Von den entdeckten Arten tragen nun zwei den Zusatz Lutzeyer im lateinischen Namen.

Im Namen des Vaters

Vor einigen Jahren ist Vater Heiner, der große Kenner von Erica und Co, gestorben. Sein Sohn widmet sich nun der Aufgabe, das Fynbos zu beschützen. Vom Laien entwickelte er sich zum Experten, er sieht das als seine Verpflichtung im Namen des Vaters an. Für einen Moment verliert er die Contenance des Berufsoptimisten, sagt leise: „Ich glaube, mein Vater wäre stolz auf mich, wenn er das hier sehen könnte.“

Draußen im Busch schaltet Jono einen Gang hoch. Der Boden wird steiniger, karger. Auf 500 Metern über dem Meer erstreckt sich plötzlich eine gigantische Wiese, „wie ein Korallenriff in den Bergen“, findet Jono. Im Frühling kann man hier alle Farben wild durcheinander sehen. Die Nektarvögel, die mit ihren krummen Schnäbel und glänzendem Gefieder an Kolibris erinnern, haben dann genug optische Reize, um sich sattzunippen.

Vor den Ästen des Milkwood-Waldes sollte man sich in acht nehmen.
Vor den Ästen des Milkwood-Waldes sollte man sich in acht nehmen.

© Grootbos

Es gibt Gräser mit tiefrot hängenden Blüten, rosafarbenen Blumen und weißen langen Kelchen, die in alle Richtungen abstehen. „Der Bob Marley unter den Pflanzen“, sagt Jono, weil der Anblick der Erikapflanze einer Dreadlockfrisur vage ähnelt. Außerdem gibt es noch den „Albert Einstein der Pflanzen“, der auf eine ausgeklügelte Strategie der Verbreitung setzt: Er lockt mit Duftstoffen Ameisen an, die den Samen tief in der Erde vergraben, bis er nach einem Feuer sprießen kann. Eigentlich heißt das Gewächs Nadelkissen-Silberbaum, aber kann man sich Einstein der Pflanzen nicht leichter merken? Danke, Jono!

Nach drei Stunden Safari ist der Leistungskurs Botanik vorüber. Der Kopf raucht. Von der Restaurantterrasse blickt man fragend auf die üppigen Sträucher davor. Sind die schon mal ordentlich abgefackelt worden? Michael Lutzeyer kommt auf einen Plausch vorbei, empfiehlt für später Gin aus eigener Herstellung. Abends, nach dem Drink, kommt es zum Showdown von Mensch gegen Natur. Vor dem Bungalow, in einem märchenhaft verkrüppelten Milkwood-Wald, hängt ein Ast zu tief. Aua! Schädel brummt, Baum gewinnt.

Reisetipps: Eine Nacht in Grootbos inklusive aller Mahlzeiten und Aktivitäten kostet ab 520 Euro, grootbos.com. In der Nähe lohnt eine Tour mit Fatbikes durch die schneeweißen Dünen der Walker Bay: Fatbike Tours De Kelders, fatbiketours.co.za. Zu empfehlen ist auch ein Besuch der Pinguin-Auffangstation in Van Dyks Bay, etwa 15 Minuten mit dem Auto entfernt. Diese Reise wurde unterstützt vom Grootbos Reserve.

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