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© dpa

Syrische Metropole Bosra: An der Kreuzung der Antike

Bosra, im Süden Syriens, war einst Metropole auf dem Weg nach Mekka. Das Erbe ist erhalten. Auch anderswo im Land.

Die Hauran-Ebene ist ein Plateau von karger Schönheit. Schwarze Basalthügel und rötliche Erde signalisieren fruchtbaren vulkanischen Boden. Dazwischen, wie von der Hand eines Riesen geworfen, Basaltgeröll, das die Bauern schon seit Jahrhunderten aufsammeln, um Mauern aufzuschichten, die ihre Felder begrenzen. Auch die Häuser sind aus Basalt gebaut. Das gibt dieser Landschaft im Süden Syriens ihr eigenes Gepräge. „Schwarzland“ wurde es genannt. Im zweiten Jahrhundert vor Christus herrschten hier die Nabatäer, die für ihre rotbraune Felsenstadt Petra in Jordanien weltberühmt sind. Kaum einer weiß jedoch, dass der letzte Nabatäerkönig Bosra, die einstige Metropole des Hauran, zur Hauptstadt seines Reiches machte, wenngleich die Stadt von der Anlage her nicht so spektakulär ist wie die Felsenstadt in Jordanien. Nach der Eroberung durch Kaiser Trajan wurde Bosra dank der strategischen Lage an der Karawanenstraße nach Mekka Hauptstadt der römischen Provinz Arabia.

Max von Oppenheim, der deutsche Forschungsreisende und Archäologe, der 1899 das Gebiet erkundete, beschreibt Bosra als die „wohl bedeutendste Ruinenstadt“ des Hauran-Gebiets. „Mit seinen Türmen, Minarets und der das ganze Trümmerfeld überragenden Burg macht der Ort einen überaus imposanten Eindruck; nicht minder ergreifend aber wirkt der Anblick der furchtbaren Zerstörung, welcher auf Schritt und Tritt dem Wanderer sich bietet. Neben den Wirkungen der Erdbeben erkennt man die Spuren der zahlreichen Kriege, die über Bosra hingezogen sind, was bei der Lage des Ortes, am Fusse des Gebirges und am Eingangsthore der Wüste ganz natürlich erscheint“, schreibt von Oppenheim. Heute markieren eine helle Moschee mit zwei schlanken Minaretten und ein mächtiger Wasserturm das neue Bosra, in das die meisten Bewohner der Altstadt umgesiedelt wurden.

Seit 1980 steht Bosra auf der Weltkulturerbeliste der Unesco und Syrien schickt sich an, die schwarze Nabatäerstadt neben den Klassikern Damaskus, Aleppo und Palmyra ins Blickfeld der ausländischen Besucher zu rücken.

Zuerst fällt die mächtige Zitadelle aus arabischer Zeit auf, fünf wuchtige Türme – ursprünglich waren es elf – und hohe Mauern signalisieren Wehrhaftigkeit, eine Brücke überwindet den Burggraben. Betritt man die Burg, geht es abwärts durch ein dunkles, hohes Gewölbe, das die Dimensionen dieses Bauwerks aus der Zeit der Ayyubiden aus dem 12. Jahrhundert erahnen lässt. Zweigt man von diesem Gang ab und steigt ein paar Stufen hinunter, kommt die Überraschung: Es wird hell, man steht auf der Bühne des römischen Theaters, das Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus erbaut wurde. Steil ragen im Halbrund die Zuschauerränge auf, rund 15 000 Personen finden hier Platz. Noch heute wird diese wunderbare Spielstätte für Veranstaltungen genutzt. Die Akustik ist brillant. Selbst im obersten Rang hört man noch deutlich, was unten gesprochen wird.

Wieso ist das Theater von Bosra so gut erhalten? Zur Zeit der Kreuzritter bot die Hauran-Ebene kaum Schutz, alles war flach. Aber mit dem römischen Theater in Bosra hatten die Ayyubiden ein erhöhtes Bauwerk, an das man anknüpfen konnte. Mauern wurden um das Theater gezogen, im Innern wurden drei Etagen eingebaut, der römische Bau als Grundlage eines arabischen Palastes genutzt. Letztendlich wurde so das gesamte Theater mehr oder weniger über die Jahrhunderte konserviert. Erst 1946 begann die syrische Regierung, das Theater von Bosra wieder von den mittelalterlichen Einbauten zu befreien. 1970 waren die Arbeiten abgeschlossen.

Vom obersten Zuschauerrang schweift der Blick über das schwarze Ruinenfeld des antiken Bosra. Noch sind in der Nähe des Theaters einige Häuser bewohnt, man sieht auf den Dächern festgeschraubte Satellitenschüsseln. In den schattigen Höfen warten die Einheimischen auf Touristen, um ihnen Tee anzubieten oder Körbe, kleine Webwaren und Keramik zu verkaufen. Dadurch, dass die Häuser aus frühchristlicher Zeit zum Teil noch bewohnt sind, entsteht eine ganz merkwürdige Atmosphäre, als habe ein Erdbeben den Ort heimgesucht. Man hat nicht das Gefühl, durch eine antike Siedlung zu gehen. „Hier ist der Palast aus der Zeit der Nabatäer“, sagt unser Führer Imad Idden Assaf. „Er stammt noch aus der Zeit, als hier die Hauptstadt war.“ Nach einigen Minuten erreicht man an einen riesigen Torbogen, dessen Fundament ungefähr vier bis fünf Meter unter dem heutigen Straßenniveau liegt. Man kann zuschauen, wie zwei Männer in aller Ruhe mit Schaufeln die Basis dieses Nabatäertores weiter freilegen. Eine große Prachtstraße kreuzt den Weg, die Häuser links und rechts sind zum Teil eingestürzt. Die Straße führt abwärts und nähert sich dem antiken Niveau, wo wiederum eine Prachtstraße kreuzt. Sie ist von Basaltsäulen aus römischer Zeit gesäumt. Hier befinden sich in der Nähe auch die Überreste der Thermen.

Und wieder schafft der schwarze Stein diese surreale Atmosphäre, als trügen die Ruinen Trauer ob ihrer vergangenen Pracht. Aber man spürt sofort, dass dieser Ort sowohl ein gewaltiges Potenzial birgt als auch der Hilfe bedarf, denn die beiden Arbeiter mit ihren Schaufeln am Torbogen werden es alleine kaum schaffen. Bosra ist ein Schnittpunkt der Kulturen. Die alte Kathedrale aus schwarzem Stein kündet vom frühen Christentum. Und vom Einzug des Islam zeugen jene Moscheen, die mit ihren hohen eckigen Minaretten noch wie Kirchtürme aussehen.

Fährt man über Land zurück, passiert man auch Suweida, das in einem kleinen Museum wunderbare römische Mosaike bewahrt. Der Kulturreichtum des Hauran-Gebietes ist beachtlich, auch die christlichen Basaltbauten in Qanawat nördlich von Suweida faszinieren. Und alles wird penibel gepflegt, als kulturelles Erbe bewahrt. Nicht umsonst ist Syrien stolz auf seine religiöse Toleranz und Glaubensvielfalt.

So findet sich nordöstlich von Damaskus ein weiteres Juwel syrischer Architektur, abseits der großen Touristenströme, aber ein Highlight jeder Syrienreise. Für den, der Burgen mag, stellt der Krak des Chevaliers alles in den Schatten. Das Bauwerk ist die Burg schlechthin und steht zu Recht seit 2006 auf der Unesco-Weltkulturerbeliste. Krak des Chevaliers liegt rund 50 Kilometer von der Stadt Homs entfernt auf einem etwa 650 Meter hohen Ausläufer des Alawiten-Gebirges. In engen Serpentinen windet sich die Straße vom Dorf Al Hosn ausgehend hinauf und lässt die fruchtbare Ebene zurück. Der Fluss Orontes ist nicht weit, ebenso der Libanon und die Mittelmeerküste. Diese strategische Lage hatten schon die Araber erkannt, die hier im 10. Jahrhundert eine Festung angelegt hatten, Hosn-al-Aqrad, die Burg der Kurden.

1110 vertreibt der Kreuzritterfürst Tankred von Antiochia die Kurdengarnison und lässt die Burg für bis zu 4000 Soldaten ausbauen. 1142 geht die Burg an den Johanniterorden über. Im Laufe dieser Kreuzritterherrschaft wird die Burg immer weiter ausgebaut. Fährt man von Homs die Straße hinauf, ist die Burg lange unsichtbar, zu steil ist der Berg. Die neue Umgehungsstraße führt in einer Schleife um die eigentliche Festung und offenbart dann von einer Anhöhe herab die eigentliche Schauseite gen Westen: Auf einem schrägen Berghang thront der Krak des Chevaliers: ein majestätischer Anblick hoch über den Dörfern der Ebene und dem Himmel so nah. Eine Unterburg mit halbrunden mächtigen Türmen umfasst die eigentliche Hauptburg, die ihrerseits mit dicken Türmen und schräg verlaufenden Mauern geschützt ist.

Was aussieht wie eine Brücke ohne Tor, entpuppt sich als Aquädukt für die Wasserversorgung. Brunnen, tiefe Zisternen sowie ein großer Burggraben bilden riesige Wasserreservoirs. Das mächtige Gewölbe des Aufgangs, in dem ein Trupp Reiter leicht hinaufreiten könnte, erinnert von den Dimensionen her an die Festung um das römische Theater von Bosra. Der Mensch fühlt sich klein und verloren in diesen Gängen, die sich zum Burghof der Hauptburg hochwinden. Ein mächtiger Rittersaal, verziert mit gotischen Spitzbogen, zeugt von der hohen Handwerkskunst der Baumeister.

In der riesigen ehemaligen Kapelle sind noch Spuren christlicher Bemalung zu erkennen, die auch die spätere Umwandlung in eine Moschee überstanden haben. Die Treppen sind so breit und stabil, dass die Ritter sogar bis zum obersten Burghof reiten konnten. Ganz oben, auf dem Turm, hat man faszinierende Einblicke in die Burg – und grandiose Aussichten übers Land. Man schwebt gleichsam über Syrien.

Der Krak des Chevaliers hat viele Versuche der Eroberung erlebt, Nur-ed-Din ist gescheitert, und auch Sultan Saladin hat sich die Zähne an ihm ausgebissen. Erst dem legendären König Az-Zaher Baibars gelang es 1271 nach zermürbender Belagerung und einem Kampf Turm um Turm, die Kreuzritter zur Aufgabe zu bewegen. Sie wurden respektvoll behandelt, und der König ließ die beschädigte Burg restaurieren und zum Sitz des VizeSultanats ausbauen. Die Eroberung dieses christlichen Wahrzeichens erregte in der arabischen Welt damals Aufsehen, aber es ist auch den Arabern und der späteren Mandatsmacht Frankreich zu verdanken, dass dieses herausragende Bauwerk seit 1935 öffentlich zugänglich ist.

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