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Saleh

© AFP

Saudi-Arabien: Das Schloss in der Wüste

Saudi-Arabien öffnet sich dem Tourismus. Die Nabatäerstadt Madain Saleh ist jetzt Weltkulturerbe Neue Resorts wollen sich die Saudis Milliarden kosten lassen.

Am etwas klapperigen Eingangstor döst ein Soldat. Oft muss er die Tür zu dem Areal für die im Auto anreisenden Besucher jedoch nicht öffnen. In den Sommermonaten kommen durchschnittlich 700 Touristen, im Winter sind es dann etwas mehr. Insgesamt etwa 10 000 Reisende im Jahr, berichtet der Chef des Postens. Doch Madain Saleh – oder Al Hijr, wie die Araber sagen – soll nicht länger ein Geheimtipp bleiben. Die Nabatäerstadt in Saudi-Arabien steht seit dem vergangenen Sonntag auf der Unesco-Welterbeliste und soll Vorzeigeobjekt für den erwachenden Tourismus in diesem bisher eher verschlossenen Land Arabiens sein.

Die in den rötlichen Stein gehauene Schwesterstadt Petra in Jordanien ist inzwischen weltbekannt, zählte im vergangenen Jahr 500 000 Besucher, in ruhigeren Zeiten des Nahen Ostens auch noch mehr. Sie wurde unlängst gar von Millionen Internetnutzern zu einem der „sieben neuen Weltwunder“ gekürt. Doch von Madain Saleh hat noch kaum jemand gehört. Kein Wunder, standen doch die Pflege des nicht-islamischen Erbes und der Tourismus in der Vergangenheit nicht sehr weit oben auf der Agenda des Königreiches. Und die Tatsache, dass die Saudis überhaupt einen Antrag bei der Unesco gestellt haben, ist ein Novum.

Das zwölf Quadratkilometer große Gelände, etwa 360 Kilometer nördlich von Medina, ist wahrlich ein magischer Ort: Inmitten des weißen Wüstensandes, in einer schier endlosen Ebene, ragen die bizarren rötlichen Sandsteinformationen wie Inseln auf, in die mehr als hundert Gräber (die Unesco gibt 111 an) mit ihren hohen Fassaden gehauen sind. Mit ziselierten Säulen, Fensterstürzen, zum Teil auch Vogeldarstellungen verziert. Besonders imposant ist der Qasr al-Farid, was übersetzt das „einsame Schloss“ bedeutet: Ein isoliert aufragender Felsen erhebt sich in der Ebene, in den ein einziges Grabportal gehauen ist. Oder das Qasr al-Bint, ein lang gestreckter Felsblock, in den insgesamt 29 Gräber, teilweise zweistöckig übereinander, geschlagen wurden. Dazu die Sammelbecken für Regen und das komplexe System von Wasserleitungen, ebenfalls in den weichen Stein gehauen, für die die Nabatäer berühmt sind. Von der Wohnsiedlung, in der Mitte des Areals gelegen, sind nur noch Grundmauern übrig.

Vom Jahr 100 vor Christus bis zum zweiten Jahrhundert nach Christus war dies die zweitwichtigste Stadt des Königreiches der Nabatäer, dieses arabischen Stammes, der über Jahrhunderte die Handelsrouten der Region beherrschte – bis die Römer unter Trajan sich das Gebiet einverleibten. Später war die Stadt eine wichtige Station auf der Pilgerroute nach Damaskus und Anfang des 20. Jahrhunderts entstand hier einer der wichtigsten Bahnhöfe der Hejaz-Bahn, die für wenige Jahre die Türkei mit dem Pilgerort Medina verknüpfte.

Dieser Vorstoß der Saudi-Araber ist Teil ihrer groß angelegten Tourismusstrategie, über die der energiegeladene, hochgewachsene Prinz Sultan bin Salman wacht. „Wir haben unser historisches Erbe vernachlässigt“, kritisiert der Vorsitzende der 2000 gegründeten Tourismuskommission, der selbst in einem traditionell gebauten Lehmhaus außerhalb Riads wohnt. So soll noch in diesem Jahr mit der Renovierung der historischen Altstadt von Dschidda begonnen werden. Auch traditionelle Gebäude in der bergigen, grünen Südprovinz Asir sollen in Museen oder Hotels umgewandelt werden. Und das erste 100 Quadratkilometer große Gebiet für Ferienanlagen wurde südlich von Dahran in der Ostprovinz ausgewiesen, am Roten Meer sollen zwei weitere noch in diesem Jahr folgen. Der Anfang einer Entwicklung, die sich die Saudis viele Milliarden Euro kosten lassen wollen.

Prinz Sultan macht keinen Hehl aus den Motiven: „Das sind wirtschaftliche Initiativen, die in den Provinzen Arbeitsplätze schaffen sollen. Anderthalb Millionen bis 2025.“ Außerdem hat der anvisierte Familientourismus eine wichtige soziale, gar politische Komponente: „Die jungen Menschen sollen ihr Land kennen- – und lieben lernen.“ Und damit ihr Königshaus – könnte man fortsetzen – und den Ausbau des Tourismus als Teil des Kampfes gegen den militanten Islamismus sehen, der sich teilweise gegen das Herrscherhaus der Saudis richtet. Vier Millionen Saudis verbringen jährlich ihre Ferien außerhalb des Königreiches – „ein guter Teil dieses Geldes soll zukünftig im Land bleiben“, sagt Prinz Sultan.

Auch wenn das Mitglied des Königshauses vor Energie kaum still sitzen kann und stolz ist auf das erste Tourismus-Investitions-Forum in der Geschichte Saudi-Arabiens, das im März stattfand – viel ist bisher von den großen Plänen noch nicht zu sehen, die seit 2000 in Arbeit sind. Außer den riesigen, im traditionellen Stil der Wüstenschlösser erbauten Gebäuden der Tourismuskommission im Diplomatenviertel von Riad, in dem hunderte von Mitarbeitern sitzen. „Manche Länder sind vielleicht schneller“, räumt Prinz Sultan ein, „bisher haben wir uns dem unsichtbaren Teil gewidmet, den Masterplänen, dem Aufbau der Subindustrien wie Ausbildung und der Renovierung historischer Stätten.“

Den Besitzer des verlassen daliegenden Hotels Madain Saleh in al Ula, der Kleinstadt 22 Kilometer vom Ort Madain Saleh entfernt, freut die Entwicklung: „Wir sehen einer rosigen Zukunft entgegen“, glaubt Fahr al Soleiman, der vor acht Jahren hier eine Hotelanlage am Fuße eines Felsens eröffnet hat. Sie liegt gleich gegenüber der sogenannten Altstadt, einem Gewirr aus Lehmbauten und Gassen, die noch gar nicht so alt ist, weil die Bewohner von al Ula erst Ende der 50er Jahre in neuere, modernere Häuser umgezogen sind.

Jetzt wird renoviert – damit die Jugend sehen kann, wie noch ihre Großeltern gelebt haben. „Bisher hatten wir nur einige Saudis auf Hochzeitsreise“, berichtet al Soleiman. Neuerdings kommen aber auch Pilger, vor allem aus Malaysia, die nach der Pilgerfahrt noch einige Reisetage in Saudi-Arabien anhängen.

Möglich ist dies erst seit Jahresanfang, als die Regierung die sogenannten Umrah-Plus-Visa einführte, die den Besuch des gesamten Landes nach Abschluss der Pilgerfahrt erlauben. Die neuen Straßen nach Medina und Tabuk haben die Fahrtzeiten nach al Ula und der Nabatäerstätte um Stunden verkürzt. „Und in diesem Jahr soll der lang versprochene Flughafen in al Ula wirklich gebaut werden.“ Da ist sich al So leiman sicher.

Doch der Hotelbesitzer, der früher Saudi Airlines beriet und 1996 erste japanische Touristengruppen ins Land brachte, hofft besonders auch auf ausländische Besucher. „Wir haben lediglich ein Imageproblem“, glaubt er. Harlem in New York City sei schließlich weitaus unsicherer als Saudi-Arabien – dennoch sei sein Land als gefährlich eingestuft.

Inzwischen zeigt das rigorose Vorgehen der Regierung gegen militante Islamisten zusammen mit einem Programm zur Umerziehung und der wirtschaftlichen Entwicklung der abgelegenen Provinzen, aus denen die militanten Gruppen stark rekrutieren, Erfolge. Und so wollen auch deutsche Reiseveranstalter wie Windrose und Ikarus Reisen Saudi- Arabien vom kommenden Jahr an wieder ins Programm aufnehmen.

Kulturreisen, Wüstentouren und Tauchurlaub – darin sieht auch der Tourismusminister Möglichkeiten für westliche Touristen in einem Land, in dem Alkohol (auch für Touristen) verboten ist, Frauen eine bodenlange schwarze Abaya tragen müssen und die Geschlechter strikt getrennt sind. „Wir werden sicher kein zweites Dubai“, versichert Prinz Sultan, „wir importieren nicht einfach alles, sondern entwickeln unser eigenes Erbe und trainieren unsere eigenen Leute.“

Auch der Vorstoß Saudi-Arabiens bei der Unesco zeugt von einem neuen Willen zur Öffnung. Denn wie viele arabische Länder hatte Saudi-Arabien lange gezögert, seine historischen Stätten in den Wettbewerb um das Weltkulturerbe zu schicken, weil es einen Verlust der Souveränität und ausländische Einmischung fürchtete. Dieses Denken hat Prinz Sultan längst hinter sich gelassen: „Die Anerkennung von Madain Saleh als Weltkulturerbe bedeutet, dass die Welt mehr über diesen Teil der saudischen Kultur erfährt. Und die internationalen Richtlinien garantieren den Schutz der Anlage.“

So wurde einem französischen Archäologenteam als ersten Ausländern die Arbeit in Madain Saleh gestattet. Sie haben in vierjähriger Arbeit die erste Bestandsaufnahme gemacht seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als zwei Dominikanermönche die vorerst letzten Karten der Nabatäerstadt angelegt hatten. In diesem Jahr begannen die Grabungen. Darunter die Kultstätte, der Diwan, in der die Nabatäer Statuen ihrer Hauptgötter Duschara, der für Stärke und Männlichkeit steht, und Al Uzza, der Göttin des Wassers und der Fruchtbarkeit, huldigten.

Götzendienst ist dies in den Augen der rigiden und intoleranten Islamlehre, welche in dem Land gepredigt wird, das die zwei heiligsten Stätten des Islam beherbergt, Mekka und Medina. Und in der selbst schiitische Muslime teilweise noch als Abtrünnige gebrandmarkt werden.

Daher haben die Anerkennung und Pflege dieses vorislamischen Erbes revolutionären Charakter: „Die Nabatäer waren keine Muslime, aber sie sind Teil unserer Kultur“, erklärt der Lehrer und Hobbyhistoriker Hamed al Sulaiman aus al Ula, der zahlreiche Broschüren und Fotobände über Madain Saleh veröffentlicht hat. „Dies wollen wir mit unseren Landsleuten und der ganzen Welt teilen.“

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