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Mir doch egal. Dieser forschen Frau in Havanna, die sich von Touristen gegen kleines Geld gern ablichten lässt, droht durch die neue Invasion keine Gefahr. Im Gegenteil.

© gws

Kuba: Platz da, hier kommt der Kapitalismus

Kuba und die USA nähern sich diplomatisch an. Amerikanische Firmen sind startklar für Investitionen. Doch die Normalisierung wird Jahre dauern.

Als Beyoncé und Jay Z im April 2013 auf Kuba Urlaub machten, hatte die Reise in den sozialistischen Inselstaat für Amerikaner noch einen gewissen Abenteuerfaktor. Der Kurztrip des Promipaars ins verbotene Ferienparadies sorgte gar für ein juristisches Nachspiel – erst nach mehr als einem Jahr befand eine Untersuchungskommission der US-Regierung, dass „Jay and Bey“ keine Sanktionsverstöße vorzuwerfen seien. Seitdem ist einiges passiert.

Nach 54 Jahren diplomatischer Eiszeit weht wieder die rot-weiß-blaue Nationalflagge Kubas in Washington. Die USA und der Karibikstaat haben eine neue Ära eingeläutet und wieder Botschaften eröffnet. US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro hatten im Dezember überraschend die Absicht zum Neustart angekündigt.

Die Annäherung weckte rasch den Geschäftssinn der US-Wirtschaft – einige Firmen preschen bereits voran. So zum Beispiel Airbnb. Wer heute nach Kuba reisen will, hat auf der Online-Wohnbörse mittlerweile mehr als 2000 Unterkünfte zur Auswahl. Das Unternehmen aus San Francisco war in dem lange von Revolutionsführer Fidel Castro (88) dominierten Land schon Anfang April zur Stelle. Das zahlt sich bereits aus: „Ich glaube nicht, dass wir jemals einen Markt hatten, der so schnell wächst wie Kuba“, sagte Airbnb-Chef Brian Chesky im Mai. Inzwischen genehmigte die US-Regierung auch ersten Unternehmen den Fährbetrieb.

Netflix-Chef lobt Kubas großartige Filmkultur

Der US-Kreuzfahrtriese Carnival will ab Mai 2016 von Miami aus Kurs auf die Karibikinsel nehmen. „Wir freuen uns, mit den kubanischen Behörden zusammenzuarbeiten“, sagte Konzernchef Arnold Donald. Rivalen wie Baja Ferries oder United Caribbean Lines sind ebenfalls startklar. Genauso die Hotelkette Hilton, die von 1958 bis zur Verstaatlichung 1960 mit dem Hotel Habana in Kuba vertreten war.

Der Online-Videodienst Netflix startete sein Angebot bereits im Februar. „Kuba hat großartige Filmemacher und eine starke Kunstkultur, wir hoffen, ihre Arbeit eines Tages für unser weltweites Publikum anbieten zu können“, sagte Netflix-Chef Reed Hastings. Der Mangel an schnellem Internet dürfte die Geschäfte zunächst zwar noch erschweren. Doch US-Telekomriesen wie AT&T oder Verizon stehen bereits in den Startlöchern.

Normale Ferienreisen sind nach wie vor tabu

Es drängt sich der Eindruck auf, als ob die ganze US-Wirtschaft auf den Durchbruch ins sozialistische Kuba hinfiebere – die 1862 in Kuba gegründete und 1960 ins US-Exil ausgewanderte Rum-Firma Bacardi ist ein weiteres prominentes Beispiel. Die Zahl der Lobbyorganisationen, die in Washington Druck für ein Ende des Handelsembargos machen, ist zuletzt rasant gestiegen. Denn bislang hat sich noch nicht wirklich viel geändert, und Experten schätzen, dass eine Normalisierung Jahre dauern kann.

Auch wenn der US-Tourismus auf Kuba boomt – normale Ferienreisen sind nach wie vor tabu. Lediglich ein Dutzend Ausnahmefälle gibt es, die Besuche erlauben. Außerdem hat Kuba bei der wirtschaftlichen Öffnung ja auch noch ein Wörtchen mitzureden. „Wenn der freie Markt es erlaubte, wäre in 72 Stunden nichts mehr übrig für die Kubaner“, warnte Luis René Fernández Tabio, ein Ökonom in Diensten von Kubas Regierung, jüngst im US-Magazin „The New Yorker“.

Es gibt keinen Zweifel: Die Annäherung der ehemaligen Erzfeinde schreitet auf vielen Ebenen voran. Als die Hotelerbin Paris Hilton im März in Kuba war, gab es – anders als bei Beyoncé und Jay Z – keine rechtlichen Bedenken in den USA. Doch bis der US-Kapitalismus die karibische Insel überrollt, dürfte es noch dauern. Wenn die Kubaner es überhaupt gestatten.

Hannes Breustedt

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