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Ahnenverehrung. Eine chinesischstämmige Malaysierin betet in einem Tempel in Penang. In dem Bundesstaat stellen die Chinesen mit etwa 45 Prozent die Bevölkerungsmehrheit.

© Reuters

Malaysia: Das positive Qi

Malaysias Insel Penang hat nicht nur feine Strände, grüne Berge und begeisternde Architektur. Verblüffend ist vor allem der Einfluss chinesischer Kultur.

Fremdenführerin Pat Chong ist eine resolute ältere Lady. Mit einem lauten „Hallo?!“ unterbricht sie plötzlich ihren Vortrag, klatscht in die Hände und ruft grinsend: „Warum schauen Sie mich an? Sie müssen sich umsehen, Sie müssen die Energie spüren!“ Von der soll es hier im offenen Innenhof besonders viel geben. Regnet es auf Penang, so wird das Wasser in einem flachen, rechteckigen Becken im Boden aufgefangen, in das auch alle Rinnen des Hauses münden. Von dort fließt es über ein ausgeklügeltes System nach draußen. Und zwar ganz langsam. „Regen symbolisiert Reichtum“, sagt Chong. „Wie mit dem Wasser soll es auch mit dem Geld laufen: viel einnehmen, sachte und kontrolliert ausgeben.“

Das Blue Mansion, eine strahlend blau verputzte Stadtvilla im malaysischen George Town, wurde in den 1880er Jahren nach den Prinzipien des Feng Shui errichtet. Berge auf der einen, das Meer auf der anderen Seite. Alles hier sollte den Wohlstand seines ohnehin schon schwerreichen chinesischen Eigentümers mehren – auch das achteckige Muster des Bodenmosaiks, über das uns Pat Chong jetzt führt; denn die Acht ist in China eine Glückszahl.

Das zweistöckige Gebäude ist umstanden von Mangobäumen, Palmen und Kiefern. Es hat ein Dach aus Terrakottaziegeln, Türen aus Teakholz und Dutzende Zimmer, in denen antike chinesische Möbel stehen. Selbst während der tropischen malaysischen Nachmittage herrschen im Innern angenehme Temperaturen. An Zwischenwänden findet man feinste Schnitzereien, und von der Decke hängen rote Lampions. Auch ein paar europäische Stilelemente gibt es im Blue Mansion, etwa gotische Fensterbögen.

Anfang der 90er Jahre wurde hier der Oscar-prämierte Film „Indochine“ mit Catherine Deneuve gedreht. Die Unesco listet das Haus als Weltkulturerbe, der Reiseführer „Lonely Planet“ zählt es zu den zehn schönsten Villen der Welt, und für Pat Chong, die seit mehr als 15 Jahren Besucher auf einstündigen Touren durch die Räume führt, ist es „ein magischer Ort“: „Ich kann das positive Qi hier wirklich fühlen.“

Obwohl außergewöhnlich prächtig, ist das Haus mit seiner chinesischen Architektur und den internationalen Einflüssen doch auch wieder typisch für George Town, der Hauptstadt des Bundesstaats Penang. Dieser besteht vor allem aus der gleichnamigen Insel in der Straße von Malakka. Das Eiland ist etwa so groß wie Malta, George Town mit seinen 700 000 Einwohnern liegt an seinem östlichen Ende, gegenüber dem Festland.

Malaysia – mein zweites Zuhause

Prächtig. Der Innenhof des Blue Mansion. Die Stadtvilla ist Unesco-geschützt.
Prächtig. Der Innenhof des Blue Mansion. Die Stadtvilla ist Unesco-geschützt.

© vario images

Penang ist anders: Überall sonst im Land stellen die Malaien die Bevölkerungsmehrheit, hier sind es die Chinesen. Sie haben die Insel geprägt. Penang ist deshalb ein guter Ort, um der Geschichte der Überseechinesen nachzuspüren, die in ganz Südostasien wirtschaftlich überaus einflussreich sind. Und es ist, stärker als beinahe jede andere Region Malaysias, ein lebendiger melting pot, wo sich die verschiedenen Kulturen des Landes mischen.

Das Blue Mansion gehörte einst einem Mann namens Cheong Fatt Tze (cheongfatttzemansion.com). „Rockefeller des Ostens“ wurde er genannt. Wie hunderttausende andere Chinesen verließ Cheong im 19. Jahrhundert sein kriselndes Heimatland, um weiter südlich sein Glück zu suchen. „Die Heirat mit einer Frau aus reicher Familie und ein Gespür fürs Geschäft ermöglichten ihm eine steile Karriere“, sagt Führerin Chong. Aus dem mittellosen Emigranten wurde ein mächtiger Händler von Pfeffer, Kautschuk, Tee und Kaffee, Tabak und Opium. Bald stieg Cheong ins Bankgeschäft ein und betrieb Dampfschiffe, Chinas „Kaiserinwitwe“ Cixi machte ihn zu ihrem Berater.

Im ersten Stock des Hauses zeigt Pat Chong ein altes chinesisches Hochzeitsbett, errichtet aus Holz, ohne einen einzigen Nagel. Wer wohl hier schlief? Das weiß sie nicht so genau, sicher ist nur: „Seit Generationen hatte keiner mehr die Chance, da drin Rock ’n’ Roll zu machen.“ Da klatscht die Führerin wieder in die Hände und amüsiert sich sichtlich über ihren kleinen Scherz. „Cheong hatte in Städten überall in China und Südostasien unterschiedliche Häuser für seine mindestens acht Ehefrauen und die gemeinsamen Söhne“, erklärt sie. „Das war damals so üblich, ein Teil der Geschäftspolitik.“ Die Frau, die er am meisten liebte, kam in Penang unter.

Wo sonst? Ein paar Stunden auf der Insel genügen und man hat selber Lust, sich hier häuslich niederzulassen. Zumal die malaysische Regierung ein Programm gestartet hat, um Ausländer zum Kauf von Apartments zu animieren, unter dem Namen „Malaysia My Second Home“ (mm2h.gov.my/german). Da sind zum einen Penangs feine Strände, die grünen Berge, ein beeindruckender botanischer Garten voller tropischer Pflanzen, und da ist George Towns von der Unesco geschützter Stadtkern. Eine chaotische Mischung aus Bauten der britischen Kolonialzeit, Kirchen, Hindu-Tempeln und Läden mit Bollywood-DVDs (für die indische Minderheit), Moscheen (für die muslimischen Malaien), buddhistischen Tempeln – und chinesischen Clanhäusern.

Das der Familie Khoo ist vielleicht das schönste, es gibt dort sogar ein Theater, in dem chinesische Opern aufgeführt werden (khookongsi.com.my). Wie Cheong Fatt Tze kamen die Khoos aus Chinas Süden nach Thailand, Burma, Indonesien, Malaysia und wurden dort reich: dank kaufmännischen Geschicks, Familienbande und harter Arbeit. Das Clanhaus, errichtet Anfang des 20. Jahrhunderts, war Ausdruck dieser Macht, die die Chinesen in der Region freilich nicht immer besonders beliebt machte. In seinem Zentrum befindet sich, bewacht von steinernen Löwen, ein taoistisch-konfuzianischer Tempel, in dem hunderte Khoos bis heute ihrer Ahnen gedenken und für Wohlstand beten. Tafeln zeigen, an welchen renommierten Universitäten von London bis Melbourne Familienmitglieder Abschlüsse gemacht haben. Im Keller zeichnet eine kleine, sehenswerte Ausstellung die Geschichte des Clans und der chinesischen Einwanderer nach.

Möglichst viel ausprobieren

Schmelztiegel. Chinesische Garküchen sind auf Penang wahrlich keine Seltenheit.
Schmelztiegel. Chinesische Garküchen sind auf Penang wahrlich keine Seltenheit.

© picture alliance / Arco Images G

Einer der berühmtesten Chinesen, die je auf Penang lebten, war Sun Yat-sen, der nach dem Ende der mehr als 2000-jährigen Monarchie 1911 erster Präsident der Republik China wurde – bis heute gleichermaßen verehrt von den Kommunisten in der Volksrepublik wie von den Nationalisten auf Taiwan. In Penang plante Sun einen gescheiterten Umsturzversuch und knüpfte Verbindungen zu reichen Überseechinesen, die er für seine Sache gewinnen wollte. Der „Sun Yat-sen Heritage Trail“ führt auf seinen Spuren durch George Town, außerdem ist dem „Vater des modernen Chinas“ ein Museum gewidmet (sunyatsenpenang.com). Dort steht eine große Statue von Sun, und in Schaukästen sind mit Figuren die Stationen seines Lebens nachgestellt.

Vor dem Besuch in Penang hatten wir den malaysischen Schriftsteller Tan Twang Eng um ein paar Tipps gebeten. Der 41-Jährige ist auf der Insel geboren. Auch sein erster Roman „The Gift of Rain“, für den renommierten „Booker Prize“ nominiert, spielt hier – vor dem Hintergrund der japanischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Für das zweite Buch, „The Garden of the Evening Mists“, gewann er den „Man Asian“-Literaturpreis, kommendes Jahr wird es bei Droemer auf Deutsch erscheinen. Tan lebt derzeit in Kapstadt, aber er liebt Penang. „Ich finde es aufregender als Kuala Lumpur“, sagt er. Dabei ist Malaysias Hauptstadt mit ihren sechs Millionen Einwohnern im Großraum unangefochtenes Zentrum des Landes. „Aber das kulturelle Leben in Penang ist lebendiger.“

Ein Treffpunkt der Szene ist das „China House“ (chinahouse.com.my), das sich schlauchartig, lang und schmal, über drei alte Wohn- und Lagerhäuser erstreckt, von der Beach bis zur Victoria Street. Das Konzept: eine Kombination aus 14 kleinen, aufeinanderfolgenden Nischen für Gastronomie, Shopping und Kunst. Die Einrichtung: antike chinesische und moderne westliche Möbel. Wer durchs „China House“ geht, kommt zunächst durch ein Café, dann an einem winzigen Restaurant vorbei, passiert einen „Reading Room“ mitsamt Bibliothek, einen „Wine Room“, in dem man sich einfach hinsetzen, aber auch Wein und Whiskey aus aller Welt kaufen kann, gelangt in einen grünen Hof, der ebenfalls als Café und Restaurant genutzt wird, und schließlich wieder in ein anderes Gebäude. Im ersten Stockwerk befindet sich eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen lokaler und internationaler Künstler.

„Am Wochenende gibt es bei uns Livemusik“, erzählt Kellner Rizal, „Unsere Jazzkonzerte am Freitag gelten als die besten der Stadt.“ Rizal ist Malaie, er stammt aus Penang, ist 40 Jahre alt, wirkt mit seinem Pferdeschwanz und der dunkel gebräunten Haut aber höchstens wie 30. Auf der Insel, sagt er, sei das Leben entspannter: „Die Menschen hier haben mehr Zeit als in Kuala Lumpur, sie sind selbstbestimmter.“ Und weil es in Penang so viele unterschiedliche kulturelle Einflüsse auf dichtem Raum gebe, sei auch die Restaurant- und Garküchenszene besonders gut.

Also lautet Rizals unmissverständlicher Rat: möglichst viel davon ausprobieren. Malaysisch, indisch und nicht zuletzt chinesisch. Hervorragendes Curry Chicken gibt es hier zum Beispiel oder Suppen mit Kokosmilch, Gurke, Chili, Ananas, Minze. Oder Reisnudeln mit dunkler Sojasoße, chinesischem Schnittknoblauch und Garnelen…

Der wichtigste Tipp von Schriftsteller Tan Twan Eng klang ganz ähnlich. „Wenn Sie nach Penang fahren“, hatte Tan gesagt, „müssen Sie essen, essen, essen.“

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