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Die alten Türme sollten ursprünglich in den Neubau von Ieoh Ming Pei integriert werden. Die Idee wurde verworfen – doch auch so reizt der Kontrast.

© Imago/Alimdi

Luxemburg: Ein Ort, der gesehen werden will

Das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean, kurz Mudam, steht auf den Mauern der alten Festung Thüngen. Die Geschichte tritt hier in Dialog mit junger Kunst.

Wo ist hier, bitte schön, das Museum? Wer das Mudam, Luxemburgs stolzen Bau auf dem Kirchberg-Plateau betritt, wähnt sich in einer Kathedrale: Ein imposanter, mit Licht gefüllter Raum spricht im Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean erst einmal für sich. Und für die Geschichte des Ortes, an dem einst das Fort Thüngen stand; Reste der alten Festung sind noch zu sehen. Architekt Ieoh Ming Pei bekam in den 90er Jahren zu spüren, dass viele Bürger sich mit den Plänen schwer taten, nachdem er von der Regierung um ein Haus gebeten worden war, das zu Luxemburg passen sollte: Schließlich war es 1995 Europäische Kulturhauptstadt.

Bis zur Eröffnung dauerte es dann noch einmal elf Jahre. Auch das hängt mit der Geschichte zusammen. Pei sollte die erhaltenen Türme des Forts integrieren und den Rest überbauen. Vor allem diese Idee sorgte für Verzögerungen; später ließ man sie fallen. Heute steht der Neubau mit seiner Fassade aus Kalkstein auf den Grundmauern seines Vorgängers, reflektiert dessen militärische Funktion unter anderem mit zwei Brücken über den Festungsgräben – und unterläuft sie zugleich mit der „Grand Hall“, einem gewaltigen Eingangssaal, der ein Ort der Begegnung sein soll.

Dialog statt Distanz, den Gedanken findet Enrico Lunghi bestechend. Zugleich gibt der Museumsdirektor zu, dass jenes Entrée kein einfaches für die Kunst ist. Die mehr als dreißig Meter hohe Halle und ihre Transparenz, die das Plateau samt Panorama ins Gebäude holt, konkurriert mit jedem hier platzierten Werk. Lunghi dosiert daher sparsam: Zur Sommerausstellung „Damage Control“ lagen die Reste eines Klaviers auf dem Fußboden, das Raphael Montanez Ortiz 1966 im Rahmen einer Performance zerstörte. In der aktuellen Schau „Eppur si muove“, in der es um die gemeinsame ästhetische Sprache von Kunst und Technik geht, schwebt einzig ein riesenhaftes Foucault’sches Pendel im Raum.

Ein Akzent liegt auf Zeitgenossen aus Luxemburg

Ansonsten richtet sich die Konzentration ganz auf die Architektur, ihre Wirkung und Materialität. Peis Museum gehört zu jenen Bauten, die sich nicht nur als Gehäuse verstehen, sondern ähnlich wie seine Eingangspyramide zum Pariser Louvre oder das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin den Ort kommentieren – und deshalb gesehen werden wollen. Das Mudam nimmt den Grundriss der alten Festung auf, es folgt seinen krummen Winkeln. Daraus ergeben sich eigenwillig geformte Räume wie der Pavillon im Erdgeschoss oder das Café, das vom renommierten Designer-Duo Ronan und Erwan Bouroullec eingerichtet wurde.

Die übrigen Räume sind gewohnt museal. Ebenerdig schmiegen sie sich zwar etwas unsichtbar um den Hauptraum – mit dem Effekt, dass man die Ausstellungen erst einmal suchen muss. Dafür eigenen sich die beiden Säle im Obergeschoss mit ihrem Tageslicht perfekt für großzügige Präsentationen, während im Untergeschoss Platz für „lichtscheue“ Arbeiten ist: Filme, Videos oder aktuell Installationen, die wissenschaftliche Phänome wie die Brechung des Lichts künstlerisch interpretieren.

Mit den Leihgaben aus dem Musée des Arts et Métiers ist „Eppur si muove“ ein eher ungewöhnliches Projekt. Dank der historischen Apparaturen macht sich das wissensdurstige 18. Jahrhundert im Mudam breit. Luxemburgs städtische Sammlung, die großenteils auf privaten Schenkungen beruht, ist in der Villa Vauban untergebracht. Im jungen Museum spielt die gegenwärtige Kunst.

1996 hat man mit dem Ankauf begonnen, ein Akzent liegt auf Zeitgenossen aus Luxemburg. Der Künstler und Designer Paul Kirps zählt ebenso dazu wie der 2002 tödlich verunglückte Michel Majerus oder Antoine Prum, dessen Film in Mudam-Besitz 2005 auf der Biennale von Venedig lief. Enrico Lunghi, der das Haus seit sechs Jahren leitet, hält nichts davon, die Kunst vergangener Jahrzehnte teuer nachzukaufen. Lieber nimmt er die Fäden aus der Historie auf und verknüpft sie mit der Gegenwart. Das passt zu einem neuen Haus.

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