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Zur Kasse, bitte! So heißt es seit langem auch in den schleswig-holsteinischen Ostseebädern. Dieses Foto etwa wurde 1995 geknipst.

© Henner Hinz, Keystone

Kurtaxe: Die lange Karriere der Strandgebühr

Kurtaxe wurde zuerst in Preußen kassiert. Heute mag kein Ferienort mehr auf die Einnahme verzichten.

Einem ungeliebten Geschöpf begegnen viele Urlauber in diesen Wochen. Es löst wahrlich keine Freude bei Reisenden aus, doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und so nimmt es der Feriengast inzwischen hin, wenn sein Beherbergungsbetrieb bei ihm Kurtaxe, Tourismusabgabe oder Bettensteuer abkassiert. Das Ziel ist stets gleich: Den Urlauber abschöpfen, um der Kasse der jeweiligen Kommune mehr Geld zuzuführen.

Welcher findige Kämmerer ist nur dereinst auf die Idee gekommen, die Sommerfrischler mit einem zusätzlichen Obolus zur Kasse zu bitten? Wir wollen es ja nicht breittreten, können es jedoch auch nicht verschweigen: Die Preußen waren es. Der Einfall lässt sich zwar nicht an einer einzelnen Person festmachen, doch die preußische Bürokratie galt ja als besonders effizient, und so erlaubte sie ab 1893 den Bade- und Kurorten, eine „Kurtaxe“ zu erheben. Zunächst machten die Seebäder in Mecklenburg von der Abgabe Gebrauch. 1900 führte Westerland auf Sylt als erstes Seebad in der Provinz Schleswig-Holstein den Obolus ein. Kurtaxe wird heute übrigens in Schleswig-Holstein in mehr als 160 Ferienorten erhoben und bringt den Verwaltungen pro Jahr gut 20 Millionen Euro an Einnahmen.

Wer im Internet unterwegs ist, sollte spaßeshalber mal „Kurtaxe“ bei Google suchen. Im Nu werden 1 750 000 Treffer angezeigt. Und ganz oben rangieren Webseiten, auf denen Urlaubsorte zu begründen versuchen, warum sie eine Kurtaxe erheben. Ja, warum eigentlich?

Schön bürokratisch erläutert uns dies das „Kommunalabgabengesetz von 2009, Fünfter Teil – Kostenersatz und sonstige Abgaben (§§ 42–45)“. Und § 43 besagt: „(1) Kurorte, Erholungsorte und sonstige Fremdenverkehrsgemeinden können eine Kurtaxe erheben, um ihre Kosten für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und für die zu diesem Zweck durchgeführten Veranstaltungen sowie für die … eingeräumte Möglichkeit der kostenlosen Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu decken ...“ Alles klar? Die restlichen Absätze und Paragrafen ersparen wir uns an dieser Stelle.

Abgesehen davon, dass sich das mit der „Möglichkeit der kostenlosen Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs“ bei den wenigsten Gemeinden herumgesprochen hat, besagt die Verordnung also im Kern, dass der Gast seinen Beitrag etwa „zum Unterhalt der öffentlichen Kureinrichtungen“ leisten muss. Urlaubstag für Urlaubstag. Dabei sind in Anspruch genommene Dienstleistungen wie Massagen, Fango und was es dort sonst noch so gibt, keineswegs kostenfrei.

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass demnächst die Cafébesitzer am Kurort von ihren Gästen eine besondere Abgabe fordern, wenn sie Tisch und Stuhl benutzen? Wohl kaum, schließlich wird die Abnutzung der Einrichtung in den Preis von Kaffee und Kuchen eingerechnet. Und wer nur am Café vorbeischlendert, wird schon gar nicht zur Kasse gebeten. Die Kurorte hingegen nehmen die Tax von allen Besuchern, ob sie Kureinrichtungen in Anspruch nehmen oder nicht.

Nicht der Gast, sondern der Wirt soll zahlen

Das war nicht immer überall so. Der Ausgabe 17 der „Zeit“ von 1964 entnehmen wir beispielsweise in einem Artikel zur Änderung der Abgabenverordnung in Niedersachsen: „Kurtaxe, bisher nur erhoben, wenn Kureinrichtungen in Anspruch genommen wurden, muß künftig jeder zahlen, der sich in einer Staatsbad-Gemeinde länger als drei Tage aufhält …“ Nur nebenbei bemerkt: Bei der Debatte im Landtag kam heraus, dass es Parlamentariern und Staatsbediensteten gestattet war, „in Niedersachsens Staatsbädern … Badefreuden zu genießen, ohne für sich und ihre Familien zahlen zu müssen“. Was daraufhin flugs geändert wurde.

Beim jüngsten Vergleich von Urlaubsnebenkosten in 50 europäischen Badeorten fiel Deutschland mit den höchsten Preisen im europäischen Feld auf, berichtet jetzt der Wirtschaftsinformationsdienst. In fünf getesteten deutschen Urlaubsorten an Nord- und Ostsee wurden bis zu 3,50 Euro pro Erwachsener und Tag fällig. Für die Saison 2013 haben sich die Preise teilweise nochmals erhöht. Als „Gegenleistung“ werden etwa auch Selbstverständlichkeiten wie kostenloser Zugang zu einem sauberen und bewachten Strand oder gepflegte Grünanlagen und Wanderwege angeführt.

Nach Ansicht des ADAC kann dies nicht als Argument für die Erhebung einer Kurtaxe gelten. Kurt Heinen, Club-Vizepräsident für Tourismus sagt: „An einem ausgewiesenen Badeort darf man saubere und sichere Strände erwarten. Die Kurtaxe ist ein kostspieliges Extra“. Andere Urlaubsländer kennen diese Abgabe teilweise gar nicht, oder sie beträgt nicht mehr als 13 Cent bis zwei Euro pro Erwachsener und Tag. Dabei ist die kostenlose Strandnutzung inbegriffen.

Schauen wir auf ein konkretes Beispiel: St. Peter-Ording an der Küste Schleswig- Holsteins. Der „Satzung der Gemeinde … über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 19. Dezember 1994“ ist Folgendes zu entnehmen: „Der gemeindliche Aufwand für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen wird a) durch Benutzungsentgelte und sonstige Einnahmen zu 41 v.H., b) durch die Kurabgabe gemäß § 1 der Satzung über die Erhebung einer Kurabgabe in der Gemeinde Sankt Peter-Ording zu 40 v.H., c) durch die Fremdenverkehrsabgabe zu 12 v.H., gedeckt. Die Gemeinde trägt 7 v. H.“.

Die Kurtaxe sei unabdingbar, um dem Gast „ein modernes Angebot zu machen“, sagt Rainer Balsmeier, Bürgermeister der Gemeinde. Gleichwohl glaubt er, das Erhebungsmodell sei veraltet. Der Urlauber mache ungern sein Portemonnaie zwei Mal auf. Nun wird überlegt, wie es anzustellen ist, einerseits auf die Einnahme nicht verzichten zu müssen, andererseits so dazustehen, als gäbe es die Kurtaxe nicht mehr. Die Idee: Nicht mehr der Gast zahlt die Taxe, sondern sein Vermieter. Der Tourismusverband Schleswig- Holstein soll eine entsprechende Änderung des Kommunalabgabengesetzes durch den Landtag vorantreiben und so ein prima Werbeargument gewissermaßen frei Haus liefern. Ach, grau ist alle Theorie. Wer mag glauben, dass Hoteliers, Pensionsbesitzer oder Ferienwohnungsvermieter die Abgabe nicht in ihre Übernachtungspreise einrechnen, wenn sie die Kurtaxe aufgebrummt bekommen? Allerdings, das ungeliebte Phänomen wäre verschwunden. Wenn auch keineswegs spurlos.

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