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Getaufte Hamburgerin. Die Champagnerflasche zerplatzte im Juni am Bug des Schiffes.

© picture alliance / Markus Scholz

Drei-Generationen-Kreuzfahrt: Mama, bin im Kids-Club

Großeltern, Eltern und der Nachwuchs möchten zusammen Urlaub machen. Funktioniert das auf einem Kreuzfahrtschiff? Eine Familie probiert es aus.

Es ist 8 Uhr 27, als ich das erste Mal auf die Uhr schaue. Tag fünf unserer Drei-Generationen-Kreuzfahrt durchs Baltikum auf der „Mein Schiff 6“ – ein Seetag. Das Bett meines Mannes ist leer: „Bin bei Bauch & Rücken“ steht auf dem Zettel. Die Kinder auf dem Ausziehsofa schlafen noch. Ich schleiche mich raus, hole mir einen ersten Kaffee und blicke auf die ruhige See. Um halb zehn treffe ich meine Eltern im Büfett-Restaurant „Anckelmannsplatz“ zum Frühstück: „Gleich kommt mein Omelett mit Schinken, Käse und Champignons“, freut sich mein Vater. Meine Mutter löffelt zufrieden ihr Müsli. Ich habe um 10 Uhr 30 einen „Termin“ im Spa. Peeling aus Meersalz und Olivenöl, gefolgt von einer Rosenöl-Massage. Während ich hinterher einen grünen Tee in der „Himmel- und Meerlounge“ trinke, schläft Kind eins immer noch, Kind zwei malt im Atelier, Kind drei planscht im Pool, der „Lagune“ heißt, und Kind vier hockt mit zwei neuen Freunden im Whirlpool. Der Großvater dazu sitzt in der Nähe, vertieft in sein Buch.

Wo seine Frau, meine Mutter, beziehungsweise die Großmutter der Kinder ist, weiß ich gerade nicht; vielleicht ist sie im Theater beim Lektorenvortrag über St. Petersburg oder shoppen im „Neuen Wall“? In der Kabine finde ich einen Zettel meiner Tochter: „Mama, ich bin mit dem Kids-Club essen. Wo? Im Anckelmann. Deck zwölf. Viele Grüße!“

Dass alles so gut laufen würde, war nicht von Beginn an klar. Meine Eltern sind eingefleischte Individualtouristen. Mein Vater würde eher einer Gämse auf dem Berg hinterhersteigen als in einer Reisegruppe jemandem zu folgen, der ein Fähnchen oder einen Regenschirm hochhält. „Ich habe meine Urlaube bisher immer selbst organisiert“, grummelte er und fügte hinzu: „Und das hat auch gut funktioniert.“ Meine Mutter grauste eher die Vorstellung von Menschenmassen am All-inclusive-Büfett. Immerhin sollte diese Reise mit rund 2700 Gästen und gut 1000 Mann Crew komplett ausgebucht sein. Und ob sich diese 3700 Menschen alle vorher immer die Finger gewaschen oder Husten oder sonst was haben ...

Skepsis von allen Seiten

Unserer Idee, den diesjährigen Sommerurlaub gemeinsam auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen, standen die Eltern dementsprechend skeptisch gegenüber. Mein Mann und ich hingegen hatten bereits zwei großartige Kreuzfahrten ohne unsere Kinder gemacht, die uns aber seitdem in den Ohren lagen, endlich auch einmal auf Schiffsreise gehen zu dürfen. Damals hatten übrigens diese Großeltern die vier Kinder gehütet.

„Dieses Mal können wir alle auftanken“, lockten wir. Denn wir wussten, dass die Kinder beschäftigt sein würden, was ja die Grundvoraussetzung aller Erholung ist. Die Großeltern müssten für diese Art von Familientrip keine Freiheiten und Annehmlichkeiten aufgeben und sich auch nicht als Babysitter verdingen. Das versprach Entspannung auf allen Seiten. Und da wir wie viele andere Familien nicht am selben Ort leben wie die Großeltern und alle zusammen mehr Zeit miteinander verbringen wollten, willigten sie ein.

Die Tui-Flotte will aus Gästen Fans machen, so der Slogan. Bei den Kleinen geschieht das auf der „Insel der Seeräuber“, dem Kids-Club: Den Drei- bis Elfjährigen wird von morgens neun bis abends 22 Uhr 30 altersgerecht ein buntes Programm angeboten – Workshops, Spiele, sportliche Aktivitäten und Rallyes. Die Älteren finden ihresgleichen zwischen zehn Uhr morgens und ein Uhr nachts bei Partys, Kursen und an den Spielekonsolen in der Teens- Lounge. Zutritt für Eltern verboten.

Getrennt voneinander entspannen

Wer sich für einen Drei-Generationen- Urlaub auf „Mein Schiff“ entscheidet, sollte nicht erwarten, dass alle immer und überall zusammen sind. Die Frage: „Wo sind die Kinder?“ darf einem keine Schweißperlen auf die Stirn treiben. Tipp: Das nächste Mal kriegt jeder ein Walkie-Talkie, das spart so manchen Rundgang, bei dem man sich allerdings immer findet. Denn trotz der immensen Größe des Schiffes weiß man bald, wo auf den 15 Decks (Deck 13 gibt’s nicht, da ist der Seemann abergläubisch) wer am liebsten steckt: Meine Eltern findet man oft mit einem Buch in der X-Lounge, dem Exklusivbereich für Suiten-Bewohner, zu dem wir netterweise Zugang haben, obwohl wir „nur“ in Balkonkabinen wohnen.

Besonders angetan sind die Eltern von der Vielfalt und der Qualität des Theaters. „Was da auf die Bühne gebracht wird, ist wirklich toll!“, urteilen sie. Mein Mann nutzt die sportlichen Angebote des Schiffes. Auf Deck 14 dreht er seine Joggingrunden, radelt im Fitnessstudio oder besucht einen der zahlreichen Kurse.

Unsere Tochter spielt mit Vorliebe im Kids-Club. Ist sie nicht dort und hangelt durch den Kletterparcours, sitzt sie im Atelier, zehn Decks tiefer, und malt. Nebenan trifft man oft ihre Brüder, die mit schlafwandlerischer Sicherheit von überall den Weg zum „Spielplatz“ finden. Vier Playstations warten. Da es bei uns zu Hause solche Geräte nicht gibt, üben sie leider eine große Faszination aus. Die Alternativen: Swimmingpools und Felder für Fuß- oder Basketball.

250 Kinder auf einem Boot...

Autorin Anna Schütz (rechts), ihre Familie und der Kapitän (mit Krawatte, aber ohne Mütze) auf der "Mein Schiff 6".
Autorin Anna Schütz (rechts), ihre Familie und der Kapitän (mit Krawatte, aber ohne Mütze) auf der "Mein Schiff 6".

© privat

An Bord wird wenig gemeckert: Weder am Pool von den älteren Herrschaften, weil die Kinder zu laut seien, noch in den Fahrstühlen, wenn sich mal wieder Kinder (nicht meine!) einen Spaß erlaubt und alle Etagenknöpfe gedrückt haben. Das Zusammenspiel der Generationen funktioniert nicht nur innerhalb einer Großfamilie. Thomas Eder, General Manager an Bord, unterstreicht: „Wer sich von Kindern gestört fühlen könnte, sollte nicht gerade in den Ferienzeiten buchen.“

Das Konzept der Tui-Flotte bewährte sich also: Eltern und Großeltern hatten immer wieder Momente der Ruhe, konnten sogar ausschlafen, da die beiden Kinder, die mit in der großelterlichen Kabine wohnten, ebenfalls zur Langschläferfraktion gehören; die Kinder, die eigentlich nonstop was erleben wollten, konnten aktiv sein. Schnell durfte meine Mutter feststellen, dass sich die vielen Menschen auf dem Schiff gut verteilen. Selbst zu Stoßzeiten am Abend vor den Restaurants oder nach den Shows im Theater an den Fahrstühlen musste man selten lange warten. Auch die Organisation beim Ein- und Ausschiffen und bei Landgängen lief stets glatt.

Die Zeiten, in denen eine Kreuzfahrt vor allem der älteren Generation vorbehalten war, sind vorbei. Das Durchschnittsalter an Bord sinkt gewaltig. Mehr als 250 Kinder und ihre Eltern drückten es bei unserer Route auf schlappe 56 Jahre.

Kulturprogramm für die Erwachsenen

Die Erwachsenen interessiert sowohl das Rundum-sorglos-Paket auf dem Schiff als auch die Route durch die Ostsee: Das polnische Danzig, Klaipeda mit der Kurischen Nehrung an der Westküste Litauens, St. Petersburg in Russland, Estlands Hauptstadt Tallinn und Schwedens Stockholm – lauter wunderschöne Ostseemetropolen. Diese Baltikum-Route bietet sich für Drei-Generationen besonders an. „Denn gerade die älteren Reisenden und die Familien schätzen die kurze Anreise mit dem eigenen Auto oder der Bahn“, erklärte Stephan Zimmermann, Cruise Director auf „Mein Schiff 6“. „Sie checken bei uns im Grunde in einem deutschen Hotel ein und wieder aus.“

Mein Vater lauschte in St. Petersburg aufmerksam sowohl den Erläuterungen des netten und kundigen jungen Russen, mit dem wir den Peterhof und den Katharinenpalast samt berühmtem Bernsteinzimmer besichtigten, als auch am nächsten Tag der ebenso kompetenten und attraktiven russischen Reiseführerin, die uns souverän durch die Eremitage leitete. Dass er dabei einem hochgehaltenen Tui-Schild folgte, störte meinen Vater nicht. In Klaipeda ging die gute Stimmung sogar so weit, dass einige Mitreisende im Bus „Ännchen von Tharau“ anstimmten, als wir am Simon-Dach- Brunnen vorbeifuhren. Dies war allerdings der einzige Moment der Reise, wo die Beziehung Enkel-Großeltern kurzzeitig ins Wanken geriet, weil es dem präpubertierenden Ältesten natürlich furchtbar peinlich war, als Opa anfing zu singen.

Zeit für Familie und auch für Zweisamkeit

Und wenn ich schon vor der Reise dankbar alle Komponenten des All-inclusive-Konzeptes zur Kenntnis genommen hatte, so war ich an Bord total begeistert davon. Als Großfamilienmutter mit vier Kindern, die sich auf dem Schiff herumtreiben, hätte ich keine Chance gehabt, den Überblick über die Reisekosten zu behalten. Ob meine Kinder in diesem Urlaub drei, vier oder – wie sie stolz berichten – an einem Tag sogar acht Kugeln Eis verputzten, sei’s drum: Die meisten Speisen und Getränke in fast allen Bars und Lounges sind im Reisepreis inbegriffen, ebenso wie der Kids-Club und die Teens-Lounge, das Fitnessstudio, der Wellnessbereich und das Unterhaltungsprogramm. Aber wer nun befürchtet, dass in den Bars ab morgens getrunken wird, irrt. Die Passagiere, die uns auf dem jüngsten, vor Kurzem erst in Dienst gestellten Exemplar der Tui-Flotte begegneten, waren keine hamsternden Büfettplünderer. „Und sie sind zum Glück sportlich-leger gekleidet“, bemerkte meine Mutter, die weder Lust gehabt hätte, sich jeden Abend in Schale zu werfen, noch große Freude an badebeschlappten Kurze-Hosen-Trägern hätte.

Das Fazit unseres Experiments: Jeder konnte für sich sein, wenn er wollte, und sich der ebenso zahlreichen Momente freuen, in denen wir zusammen Bingo gespielt und uns zu Apéro und Kartenspiel getroffen haben, in denen wir zusammen an Land gegangen sind, aber den Kindern die Eremitage „erspart“ und sie in die Obhut der Betreuer gegeben haben, in denen wir gekickert und gemeinsam im Whirlpool gesessen haben.

Natürlich haben wir oft zusammen gegessen, aber eben nicht immer. Es ist auch mal schön ohne Kinder – und ohne Erwachsene.

Anna Schütz

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