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Hoch auf dem gelben Wagen. Mit der "Europakutsche" (hier an der Schwebefähre bei Osten) wird es gen England gehen.

© Christian Röwekamp/dpa/tmn

Kutschfahrt nach London: Königlich durch Wald und Flur

Die Hannoversch-Britische Gesellschaft organisiert eine Kutschfahrt von Niedersachsen nach London.

Mit der Kutsche von Celle nach London – das hört sich nach einer Idee eines exzentrischen Engländers an. Und die Vermutung ist nicht ganz falsch: Hugh Pierson, Verbindungsoffizier für die britischen Truppen in Bergen-Hohne, ist die treibende Kraft für die ungewöhnliche Fahrt, die Ende April starten soll, gut zwei Wochen dauern wird und für die noch Mitfahrer gesucht werden – sei es für einen Tag oder auch für längere Strecken. Die Auserwählten werden dann weitgehend auf der Route reisen, auf der Georg Ludwig, Kurfürst von Hannover, vor 300 Jahren nach London gelangte, um sich dort zum britischen König Georg I. krönen zu lassen. Damit leitete er die 123 Jahre dauernde Herrschaft der Könige aus dem Haus Hannover über Großbritannien ein.

„Wir wollen mit der Kutschfahrt an dieses wichtige Ereignis für die Personalunion Hannover-Großbritannien erinnern“, sagt Torsten Oliver Deecke, Vorstandsmitglied der Hannoversch-Britischen Gesellschaft. Der Verein organisiert die Fahrt, auf der am Tag rund 50 Kilometer zurückgelegt werden.

Die Veranstalter hoffen, dass zahlreiche andere Kutschen, Reiter oder auch Radfahrer die „Königskutsche“ einen Teil ihres Weges begleiten. Ob dabei allerdings an den Glanz der historischen Reise angeknüpft werden kann, ist fraglich: Georg Ludwig wurde 1714 von zehn Kutschen und 50 Pferden begleitet, die sein 150 Personen zählendes Gefolge benötigten. Unterwegs auf dem Krönungsweg ließ er sich ausgiebig feiern, und in Greenwich wurde er gar von 50 000 begeisterten Engländern mit einem Feuerwerk empfangen.

Dafür dürfte die Reise dieser Tage wesentlich bequemer werden – dafür sorgt nicht nur die Gummibereifung der Kutsche, denn zu Georgs Zeiten mussten die Reisenden schließlich die damals üblichen Holzräder mit Eisenbeschlag ertragen. „Unsere ,Europakutsche‘, die zwölf Plätze bietet, ist super gepolstert, exquisit ausgestattet und hat eine Topfederung, die besser ist als bei so manchem Pkw. Georg hätte davon nur träumen können, Stahlfedern für Kutschen gab es damals noch nicht“, sagt Reimer.

Lexus, Hero, Hektor und Lukas müssen bis nach Den Haag durchhalten

Aufbruch wird am 30. April in Dalle im Landkreis Celle sein. Neben der Europakutsche soll auf der ersten Etappe auch die Staatskutsche des Niedersächsischen Landgestüts Celle mitrollen. Am 1. Mai ist dann in Hannover Station, wo am Leineschloss der offizielle Festakt zu den Feierlichkeiten aus Anlass des „Thronjubiläums“ stattfindet. Die Wahl dieses Tages ist kein Zufall. „Wir fahren an einem Feiertag nach Hannover hinein, weil dann nicht so viel Verkehr herrscht. Unsere Strecke führt überhaupt häufig durch Wald und Flur, damit wir nicht so viele Autos um uns haben und ein wenig das Reisegefühl von damals aufkommen kann“, sagt Jürgen Reimer, der den Vierspänner gemeinsam mit seiner Frau Christine lenken wird.

Übernachtet wird unter anderem in Isernhagen, Osnabrück und Bad Bentheim an der niederländischen Grenze. Nach einer Woche auf der Straße wird unterwegs auf Schloss Surenburg in Riesenbeck (Landkreis Steinfurt) noch ein Ruhetag eingelegt, damit sich die Pferde erholen können. Denn anders als vor 300 Jahren, als die Pferde an jeder der zahlreichen Ausspannstationen am Weg ausgetauscht wurden, müssen die jetzt vorgespannten dunkelbraunen Alt-Oldenburger Ostfriesen Lexus, Hero, Hektor und Lukas bis ins 450 Kilometer entfernte Den Haag durchhalten.

Dass sie das schaffen, daran hat Jürgen Reimer keinen Zweifel. Die gut und gern 900 Kilo schweren Warmblüter können das Dreifache ihres Körpergewichts ziehen. Nur samt Kutsche schwimmen können sie nicht, auch nicht durch den Ärmelkanal. Für das Gespann ist in Den Haag ohnehin Schluss: Nach der Fährfahrt der Hannoveraner Abordnung über den Ärmelkanal wird in England eine andere Kutsche mit anderen Pferden eingesetzt.

„Ein Tag mit der Kutsche, ist wie eine Woche Urlaub“

Höhepunkt soll dann die Ankunft am St. James Palace in London am 16. Mai werden – das letzte Teilstück der Fahrt dorthin wurde vor 300 Jahren von 250 Kutschen begleitet. Heute hingegen wird diese Etappe dann live ins Opernhaus von Hannover übertragen, wo die Eröffnung der Landesausstellung „Als die Royals aus Hannover kamen – Hannovers Herrscher auf Englands Thron 1714–1837“ stattfindet.

Die Preise für die Mitfahrer stehen noch nicht fest, sind jedoch in der kommenden Woche zu erfragen (s. u.). „Man kann sich unverbindlich bewerben, je eher, desto besser. Wer die ganze Strecke mitreisen will, wird sicherlich mit einer vierstelligen Summe rechnen müssen“, sagt Torsten Oliver Deecke. Besonders schön sei es, wenn sich Mitfahrer fänden, die in historischen Kostümen dabei wären.

Wem es nicht gelingt, auf die Kutschfahrt gen England aufzuspringen, kann sich ja mal bei den Reimers umschauen. Das Ehepaar betreibt in Dalle den „Traumzeithof“ – eine Ferienpension mit Reiterhof, auf dem auch Schnupper-Kutschfahrkurse sowie -fahrten in die Lüneburger Heide angeboten werden. Zum Programm gehören ebenso mehrtägige Touren etwa in Ostfriesland. Im Jahre 2006 waren die beiden mit der jetzt eingesetzten postgelben „Europakutsche“ aus Eschenholz – ein jetzt zehn Jahre alter Nachbau einer Karosse von 1890 – sechs Monate in Deutschland, Österreich, Italien, Ungarn, Tschechien und Slowenien auf einer Strecke von 6000 Kilometern unterwegs. Bei einem Durchschnittstempo von zehn Kilometern pro Stunde könne man sich richtig entspannen, sagt Jürgen Reimer. „Ein Tag mit der Kutsche unterwegs zu sein, ist wie eine Woche Urlaub“, versichert er.

Auskunft: Interessenten an der Kutschfahrt können sich per E-Mail melden unter: schwanenbrook@deecke.eu

Mehr zum Traumzeithof und Kutschfahrten erfährt man unter der Rufnummer 051 42 / 419 50 oder auch im Internet unter traumzeithof.de

Joachim Göres

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