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Besondere Fürsorge erfährt die Krone eigentlich immer.

© Mike Moore, picture alliance

Britische Kronjuwelen: Die Last der Diamanten

Die Imperial State Crown liegt gut bewacht im London Tower. Nur bei der Parlamentseröffnung setzt die Queen sie aufs Haupt.

2868 Diamanten, 17 Saphire, 11 Smaragde, 269 Perlen und 4 Rubine schmücken die Imperial State Crown. Zu den Diamanten zählt der Cullinan II, auch bekannt als „Second Star of Africa“ und mit 317 Karat einer der größten Diamanten der Welt. Mindestens zwei Ohrringe von Elizabeth I., die von 1558 bis 1603 regierte, weitere von Maria Stuart und Katharina von Medici sowie ein Saphir, der im 11. Jahrhundert König Edward dem Bekenner gehört haben soll, machen die Krone auch historisch überaus bedeutsam.

Kein Zweifel: Dies ist kein Accessoire für jeden Tag, und es wäre ärgerlich, es zu verlieren. Dennoch ist dies die Krone, die am häufigsten den Hochsicherheitstrakt verlässt, in dem die Besucher des Tower und seiner Schatzkammer – immerhin zweieinhalb Millionen pro Jahr – auf Rollbändern an den Kronjuwelen vorbeigefahren werden. Denn sie ist die Dienstkrone der Königin. Wann immer Elizabeth II. im House of Lords das Parlament eröffnet – seit 2009 ist das nicht mehr im November, sondern alljährlich im Mai –, steht zwischen funkelnden Diademen und juwelenbesetzten Schwertern in einer leeren Vitrine ein kleines Schild mit den Worten „in use“.

Obwohl dieses Exponat im Vergleich zur Coronation Crown, die nur zur Krönung eines Monarchen den Tower verlässt, vergleichsweise häufig in Gebrauch ist, sind seine Abwesenheiten gut berechenbar. Denn die Königin darf sich nicht in der Schatzkammer bedienen, wenn sie etwa einen Theaterbesuch plant. „Jedes Stück hat eine klar definierte Bestimmung“, erläutert Steve Sullivan, der als Deputy Chief Exhibitor die Ausstellung der Juwelen betreut. Private Zwecke zählen nicht dazu. Die Kronjuwelen gehören nicht der Monarchin, sondern der Nation. Und so liegen Zepter, Reichsäpfel und Krönungsutensilien nicht im Schrank der Königin herum, sondern im Upper Wakefield Tower. Hier bilden sie eine der meistbesuchten Attraktionen des Königreichs.

Die Schätze der Krone sind auf drei Paläste im Londoner Raum aufgeteilt: Kensington Palace beherbergt die mehr als 10 000 Kleider umfassende Royal Dress Collection, der außerhalb gelegene Palast Hampton Court eine Sammlung kostbarer Wandteppiche, der Tower bewahrt seit 1303 neben der Waffensammlung auch die Kronjuwelen. „Es ist der sicherste Ort, den es für die Sammlung geben kann“, sagt Steve Sullivan. Denn die Festung schützt nicht nur starkes Mauerwerk, hier lebt hinter leuchtend blauen Türen auch eine kleine Gemeinde von Menschen, die ausschließlich mit der Bewachung des Schatzes betraut sind. Unterstützt werden sie von Angehörigen der Armee.

Die Statistik stützt Sullivans These: Seit die Juwelen 1661 nach Bürgerkrieg und Cromwell-Regime hierher zurückgebracht wurden – oder vielmehr, das, was nach dem Sturz der Monarchie von ihnen übrig war, denn während dieser aus Sicht des Hofs recht unseligen Episode wurde ein Großteil eingeschmolzen oder verkauft –, hat es nur einen Diebstahlversuch gegeben. Und der liegt immerhin schon 342 Jahre zurück.

„Sind Sie bereit, die Krone zu sehen?“

Im Dienste Ihrer Majestät.
Im Dienste Ihrer Majestät.

© Bisping

Sozusagen als Geschenk zum 60. Dienstjubiläum Elizabeths II. wurde die Ausstellung im vergangenen Jahr für 2,5 Millionen Pfund erweitert. Ein restaurierter Film, der die Krönung Elizabeths am 2. Juni 1953 zeigt, füllt eine ganze Wand, dazu erschallen Krönungschoräle und die feierlichen Worte des Erzbischofs von Canterbury. Auf diesen Bildern trägt die junge Elizabeth, deren Vater und Amtsvorgänger schon 16 Monate zuvor gestorben war, die St. Edwards-Krone. Sie wurde 1661 nach elf königslosen Jahren für die Krönung des aus dem Exil heimgekehrten Charles II. aus massivem Gold hergestellt. „God save the Queen“, ist vom Band zu hören, auf der Videowand reißt Prinz Charles als kleiner Junge die Augen auf, die singenden Peers in der Abtei setzen ihre eigenen Kronen auf. So wird der Besucher auf den Anblick des Allerheiligsten eingestimmt. „Sind Sie bereit, die Krone zu sehen?“, fragt Sullivan, zu dessen Aufgaben es auch gehört, die beiden jeweils zwei Tonnen schweren Stahltüren zur Sammlung morgens zu öffnen und abends zu schließen.

In den vergangenen 60 Jahren haben nur drei Menschen die mehr als zwei Kilogramm schwere St. Edwards-Krone berührt: die heutige Königin, der Erzbischof von Canterbury und seither nur mehr der Hofjuwelier, der das Stück ein Mal im Jahr von Staubpartikeln befreit. „Sie ist nicht die wertvollste Krone der Sammlung, aber als Symbol königlicher Autorität die wichtigste“, präzisiert Sullivan. Denn sie wird ausschließlich für den letzten Teil der Krönungsmesse verwendet: den Moment der Krönung. Ist die Transformation zum Monarchen vollzogen, greift der neuerlich zur Dienstkrone; die St. Edwards-Krone wird verstaut und in den Tower zurückgebracht.

Dort scheinen die Kronjuwelen auf dunkelblauem Tuch im Halbdunkel eher zu schweben als zu ruhen; nichts lenkt das Auge des Betrachters ab vom Funkeln der Edelsteine im weißen Licht. Am Ende der Reihe ruht die Krone der 2002 im Alter von 101 Jahren gestorbenen Queen Mum. Diese eher zierliche Krone passt ebenso zur Statur der Trägerin wie zu ihrer nachgeordneten Position als „Queen Consort“, als angeheiratete Königin. Sie schmücken dennoch 2800 Diamanten, darunter der Koh-i-Nûr, eine funkelndes Beutestück aus Indien.

Die etwas angejahrten Kästen und Koffer, in denen die Krönungsutensilien zwischen Tower und Westminster Abbey hin- und herreisen, sind ebenfalls zu sehen. Zu ihnen zählt ein 1661 gefertigter Adler, aus dessen Schnabel während der Krönung geweihtes Öl tropft, sowie der aus dem Jahr 1199 stammende Löffel, der dieses Öl auffängt, bevor es auf Hände, Brust und Kopf des neuen Monarchen getupft wird. Andere Dinge sind häufiger unterwegs: zum Beispiel das tragbare Becken für die Taufen von Königskindern, das vermutlich noch in diesem Jahr zum Einsatz kommt.

Wiewohl die Frauen des Hauses Windsor als langlebig gelten, ist auch der nächste Einsatz der St. Edwards-Krone in der Westminster Abbey absehbar. „Sie und ich werden es erleben“, verspricht Steve Sullivan und begeht damit keinen Hochverrat. So etwas ginge ihm auch ganz gegen die Natur. Sullivan wirft einen Blick auf das Porträt seiner Königin als junge Frau. „Nicht viele Leute machen ihre Arbeit so lange und so gut.“

Nähere Auskünfte zu London im Internet unter visitengland.com, visitlondon.com

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