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Dresden: Joghurt anno dazumal

Der schönste Milchladen der Welt steht in Dresden. 1891 wurde er eingerichtet und begeistert mit märchenhaft schönen Wänden und Decken.

Dresden, Elbflorenz – wer in diese Stadt kommt, wird sehr schnell schwärmen: nicht nur von der Frauenkirche, der Semperoper und dem Zwinger, sondern auch vom „schönsten Milchladen der Welt“. Wenn man ihn findet.

Seit 1891 begeistert das kleine Geschäft in der Bautzner Straße seine Besucher mit märchenhaft schönen Wänden und Decken. Hunderte von handbemalten Keramikfliesen fügen sich dort zu einer prunkvollen Augenweide mit prächtigen Ranken und Blüten, aber auch spielenden Knaben, geflügelten Putten und vergnügten Mädchen zusammen. Wie in einem Bilderbuch tummeln sich die nackten, fröhlichen Kinder auf den Fliesen, um unbekümmert zu plaudern. Einige füttern nebenbei Tauben, andere schauen flirrenden Schmetterlingen zu – oder füllen Milch in Glasflaschen ab, die sie per Hundeschlitten ausliefern.

„Es sind 247 Quadratmeter Fliesen, die schon Erich Kästner faszinierten“, erklärt Geschäftsführer Frank Zabel in dem Milchladen. Die fantasievoll gestalteten Fliesengemälde im Stil der Neorenaissance, die handgemalten farbigen Darstellungen auf Wänden, Fußboden und Verkaufstresen stammen aus der Dresdner Steingutfabrik Villeroy und Boch.

Der dreiteilige Verkaufsraum in der Dresdner Neustadt ist 1891 vom Landwirt und späteren Geheimrat Paul Gustav Leander Pfund (1849–1923) als erste seiner 50 Filialen eröffnet worden. Er wollte damit eine hygienische Milchversorgung für die Großstädter aufbauen. Seinerzeit kam die Milch von den umliegenden Dörfern in offenen Wagen, schlecht gekühlt, einmal täglich in die Stadt. Sechs Kühe brachte der erfolgreiche Unternehmer aus Reinholdshausen mit, um sie öffentlich in einem Schaufenster seines Hauptgeschäftes an der Görlitzer Straße zu melken – und damit eine wahre Frischmilcheuphorie bei den Dresdnern auszulösen.

„Er war ein echter Pfundskerl, der in wenigen Jahrzehnten ein riesiges Milchimperium mit 500 Angestellten, Labor, Etikettendruckerei, Kartonfabrik, Werkstätten und einer eigenen Schneiderei für Milchkutscheruniformen aufbaute“, erzählt Frank Zabel. Sogar Dienstwohnungen und eine Betriebskrankenkasse habe Paul Pfund eingerichtet. „Und er stellte die erste Kondensmilch in Deutschland her“, ergänzt der heutige Geschäftsführer. Allerdings zerstörte der Zweite Weltkrieg sämtliche Pfundgebäude – nur den Laden an der Bautzner Straße nicht.

Seit 1998 steht das Geschäft als „schönster Milchladen der Welt“ im Guinnessbuch der Rekorde – und es ist ein wahrer Touristenmagnet: Bis zu 2000 Besucher kommen an Spitzentagen dorthin, um sich die Keramikwände anzuschauen, ein Glas Buttermilch zu trinken oder ein Stück Rohmilchkäse oder Joghurt an der historischen Ladentheke zu kaufen. Die Auswahl der internationalen Spezialitäten gilt als eine der besten in Deutschland – und mancher Kunde hat bereits einen längeren Spaziergang durch die Dresdner Innenstadt hinter sich. „Denn nach der Besichtigung von Frauenkirche, Zwinger und Semperoper steht bei vielen Dresden-Touristen noch unser Geschäft auf dem Programm“, sagt Frank Zabel. „Da kann es im Verkaufsraum schon einmal eng werden.“ Als besondere Sehenswürdigkeit gilt der originalgetreu nachgebildete historische Milchbrunnen, aus dem man früher die Milch abfüllen konnte.

Dresdner Molkerei Gebrüder Pfund, Bautzner Straße 79, 01099 Dresden; Telefonnummer: 03 51 / 80 80 80, im Internet: www.pfunds.de

Martin Seger

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