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Da staunste. Im Cuxhavener Museum ist die riesige Figur eines Wracktauchers in Uralt-Montur ausgestellt.

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Cuxhavener Wrackmuseum: Tragödien der See

„Windstärke 10“: Das Cuxhavener Wrackmuseum erzählt in der 2000 Quadratmeter großen Ausstellung von den Gefahren der Seefahrt.

Rund 37 Kilometer nordwestlich von Borkum: In dichtem Nebel bohrt sich die „Sultan“, ein englischer Kohlendampfer, in die Backbordseite der „Cimbria“. Es ist der 19. Januar 1883. Das mehr als 100 Meter lange Auswandererschiff ist auf dem Weg von Hamburg nach New York. Gut eine Viertelstunde nach der Kollision, nachts gegen 2 Uhr 30, ragen nur noch zwei Masten der „Cimbria“ aus dem Wasser, das hier nicht allzu tief ist. Die wenigen, die in eines der Rettungsboote gelangen konnten, müssen mitansehen, wie um sie herum eine Person nach der anderen versinkt. 437 Menschen lassen ihr Leben in der eisigen Nordsee. Jetzt erinnert das neue Museum Windstärke 10 in Cuxhaven an diese Katastrophe.

An der Wand eines Raumes stehen die Namen der 437 Opfer geschrieben, vor allem Auswanderer aus Osteuropa, darunter sehr viele Frauen und Kinder. Die Wand wird unterbrochen durch ein Vitrinenband, in dessen Mitte in regelmäßigen Abständen eine Tasse angestrahlt wird. Sie ist aus Porzellan, innen mit Goldrand, außen blassrosa. Taucher haben sie aus dem Wrack der „Cimbria“ geborgen. Auf der Tasse stehen nur zwei Wörter: „Remember me“.

Es ist die Geschichte dieser Tasse, die Jenny Sarrazin besonders bewegt. Die Leiterin des Museums hat die Tragödie der „Cimbria“ und anderer spektakulärer Schiffsuntergänge in der Deutschen Bucht recherchiert und für das Museum aufbereitet. Auch die des Kleinen Kreuzers „Cöln“: Im August 1914, kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs, nahm er von Wilhelmshaven aus Kurs auf Helgoland und wurde dort von den Briten bei einem Gefecht versenkt. Von den 507 Mann Besatzung überlebte nur der Oberheizer Adolf Neumann.

Windstärke 10 ist untergebracht in zwei historischen Hallen, in denen noch bis in die 1980er Jahre hinein Fisch verpackt wurde. Die Straße zwischen den beiden Hallen wurde eigens überdacht und verglast. Die Lage könnte kaum besser sein, eingebettet zwischen dem Alten und dem Neuen Fischereihafen. Deutlich macht dies ein Modell des Cuxhavener Hafens, in das sich die meisten Besucher zu Beginn ihres Rundgangs vertiefen.

Immer wieder verschwand ein Schiff – oft spurlos

Große Hochseefischerei und Schiffsuntergang – das sind die beiden zentralen Themen, die auf einer Fläche von rund 2000 Quadratmetern dargestellt werden. Von den Gefahren der Seefahrt bekommt bereits eine Ahnung, wer den Film gegenüber vom Eingang auf sich wirken lässt, eine Amateuraufnahme eines Cuxhaveners: Ein Fischdampfer bahnt sich seinen Weg durch die tosende See. Die Große Hochseefischerei war „unglaublich gefährlich“, sagt Jenny Sarrazin. Nicht nur, weil es sich teils um tückische Gewässer handelte. „Man arbeitete bei Seegang, mit tonnenschwerem Gerät, mit extrem scharfen Schlachtmessern, auf vereisten oder auch nassen Decks.“ Wer „über Bord gewaschen“ wurde, hatte bei den oft niedrigen Wassertemperaturen kaum eine Überlebenschance. Bis heute ist die Hochseefischerei weltweit gesehen der Beruf mit den meisten Todesfällen, noch vor dem Bergbau.

Jenny Sarrazin
Jenny Sarrazin

© Wolfgang Stelljes

Die Zahl der Schiffsuntergänge ist Legion, keine Statistik erfasst sie. Ob Sturm oder Kollision, Eisgang oder mangelnde nautische Kenntnisse – immer wieder verschwanden Schiffe, nicht selten spurlos. Die Deutsche Bucht, deren Umrisse an einer Wand zu sehen sind, ist ein einziger großer Schiffsfriedhof. Mit kleinen weißen Punkten sind alle derzeit bekannten Wrackpositionen verzeichnet. In der Weser- und Elbmündung, aber auch rund um Helgoland gibt es die meisten Punkte.

Eigentlich müssten auch um die Ostfriesischen Inseln herum mehr weiße Punkte sein, sagt Jenny Sarrazin, weil dort viele Schiffe gestrandet sind. Sie wurden von der See zerschlagen und von den Menschen vergessen. „Wir reden von Tausenden von Schiffen, die mit Sicherheit hier, vor Cuxhavens Küsten, untergegangen sind.“ Allein im Jahre 1883 sanken in der Nordsee 50 deutsche Schiffe. Jenny Sarrazin hat sie in einer Tabelle erfasst. Viele der Schiffe, die noch nicht mit Funk ausgerüstet waren, also kein SOS absetzen konnten, sind schlicht verschollen.

Die meisten Untergänge gab es in den Wintermonaten, Hochsaison für die Fischerei. In dieser Tabelle taucht auch die „Cimbria“ auf. Das größte zivile Schiffsunglück in der Nordsee seit Menschengedenken, hier ist es ein Name unter vielen.

Das Wrack- und Fischereimuseum hat bis Ende März täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, von April bis Oktober von 10 bis 18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 9,50, Kinder 4 Euro, Familien 19 Euro. Führungen auf Anmeldung, 35 Euro plus Eintritt, Telefon 047 21 / 59 07 10.

Wolfgang Stelljes

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