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Gardens by the Bay. Der Botanische Garten der Superlative in Singapur zeigt nicht nur 130 000 Pflanzen, sondern auch gigantische Kunst.

© imago/Schöning

Singapur: Die Stadt im Garten

Der Moloch Singapur scheut keine Kosten, sich einen ökologischen Anstrich zu geben. Wer hier noch bauen will, darf das Grün nicht vergessen.

Zwölf künstliche Supertrees, also Superbäume, bilden das Kernstück des Parks „Gardens by the Bay“, des jüngsten Prestigeprojekts von Singapur. Ein riesiger botanischer Garten ist quasi aus dem Boden gestampft, Besucher erleben einen Naturlehrpfad durch verschiedene Vegetationszonen. Und das alles just gegenüber dem für den Stadtstaat so bedeutenden Finanzdistrikt – gebaut auf einer Insel, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gegeben hat. Auf künstlichem Boden wurde geklotzt, nicht gekleckert.

Mehr als 100 Hektar groß soll die Fläche des Parks sein, wenn er fertig gestaltet ist. Bisher ist erst ein Drittel eingeweiht, insgesamt 600 Millionen Euro soll der Bau bislang gekostet haben. Einen Großteil davon haben sicherlich die zwei gigantischen Glashäuser verschlungen, die wie zwei gläserne Schildkrötenpanzer das Panorama der Gardens by the Bay vervollständigen. Auch hier sprechen die Zahlen für sich: Rund 130 000 Pflanzen aus etwa 400 Arten gedeihen in den Hallen.

Ein Park der Superlative also, den man schwerlich ganz abschreiten kann. Am Eingang warten deshalb Golfwägelchen, die müde Spaziergänger zu den einzelnen Attraktionen bringen, allesamt natürlich überdacht wie die meisten der Wege – weil die Sonne oft erbarmungslos brennt oder Regen plötzlich herunterprasselt. Singapur liegt nahe am Äquator und hat feucht-tropisches Klima mit einer Luftfeuchtigkeit zwischen 60 und 90 Prozent.

Wolkenkratzer müssen Gartenetagen haben

Trotzdem hat der Stadtstaat lange seinen Besuchern vorgegaukelt, es gehe auch ohne Natur: Glastürme, Betonbunker und Verkehrstrassen bestimmen das Bild der Fünf-Millionen-Metropole. Doch inzwischen hat die Regierung Nachhaltigkeit als Standortvorteil erkannt. Es geht nicht mehr nur darum, so hoch wie möglich zu bauen, sondern auch so grün es geht. Offiziell will die Stadt nicht mehr die „Garden City“ sein, sondern die „City in a Garden“ werden, eine Stadt im Garten.

Wolkenkratzer müssen nun zwingend Gartenetagen haben. Das Hotel Parkroyal mit seinen „Balkongärten“ ist nur ein Beispiel, wie man die Idee vom Grünen in ein modernes Designkonzept integriert.

Neben dem Zoo ist eine weitere Attraktion angelegt worden: die River Safari, ein Park, der die größten Flussgebiete der Welt mit Flora und Fauna abbilden will. Pandabären, Tapire, Gaviale und Manatis leben in diesem Refugium, eingebettet in eine wundersame Kulisse mit Regenwald und See. Durch alles können sich Besucher in Bötchen treiben lassen.

In diese Rückbesinnung auf alles Grüne passt der Park perfekt, der die Geschichte der Boomtown botanisch reflektiert. In den „Heritage Gardens“ gibt es einen malaysischen, indischen, chinesischen und Kolonial-Garten. Im Dragonfly Lake thronen überdimensionale Libellen als Metallskulpturen, als bräuchte man noch eine Erinnerung, dass es in diesem Klima mehr als genug sirrt und schwirrt. Eisvögel leben im Dickicht am Ufer, hinter dem sich die drei Türme des Marina Bay Sands Hotel erheben – ein Fünf-Sterne-Komplex, dessen Türme durch einen gigantischen Swimmingpool miteinander verbunden sind.

Eine grüne Lunge für alle

Singapur liebt die Höhe, vielleicht weil es kaum natürliche Erhebungen hat. In den zwei riesigen Glashäusern der Gärten spazieren Besucher unter einer 38 Meter hohen Kuppel auf und ab. In einem der Gewächshäuser, dem „Flower Dome“, wechselt ein Teil der Vegetation, je nach Jahreszeit. Da kann es schon vorkommen, dass auf den 16 000 Quadratmetern plötzlich Tulpen und Gänseblümchen aus Europa sprießen – für Südostasien eine völlig exotische Flora. Reihen von bauchigen Olivenbäumen flankieren den Weg, aus Spanien und Frankreich per Schiff importiert. Es recken sich Zypressen, Baobabs und Flaschenbäume in die Höhe. Eine ausgeklügelte Belüftungsanlage sorgt dafür, dass hier konstant 23 Grad herrschen.

Nebenan im „Cloud Forest“, der zweiten Halle aus Glas und Stahl, empfängt ein 35 Meter hoher Wasserfall die Besucher. Er ergießt sich über eine Metall- und Betonstruktur, die wie ein überwuchertes Parkhaus aussieht. Es ist hier zwar genauso kühl wie in der anderen Halle, jedoch mit einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent wesentlich feuchter. Die Vegetation von Bergwäldern zwischen 1000 und 3500 Metern Höhe bildet die thematische Klammer in der Halle. Ein Fahrstuhl führt unter die 58 Meter hohe Kuppel, wo auf einem Plateau Tigerorchideen blühen und ein Tümpel mit Totems Touristen vorgaukelt, sie befänden sich hier in Ost-Timor.

Auf rutschfesten Matten führt der Weg hinab, durch das Glas fällt der Blick auf die Skyline der Stadt. Und auf die vielen Lastwagen, die nach wie vor geschäftig im uneröffneten Teil der Gardens unterwegs sind. Wenn der Park fertig ist, hat Singapur tatsächlich das, was der Stadt bisher fehlte: eine grüne Lunge für alle.

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