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Entspannt wie Buddha. Diesen Zustand wünschen sich viele nach einer Ayurveda-Kur. Wie lange die Wirkung anhält, kann jeder durch seine Lebensweise bestimmen. Alkohol ist strikt zu meiden.

© imago/CHROMORANGE

Ayurveda auf Sri Lanka: Die Therapie des Lächelns

Früh aufstehen fürs Yoga, heißes Wasser trinken und keine aufwühlende Literatur lesen: Die fernöstliche Heilmethode erfordert viel Disziplin. Dafür fühlt man sich nach einigen Tagen leichter, jünger und voller Energie.

Am dritten Tag kommt das Öl. In sanftem Strahl läuft es aus einer Metallschale auf die Stirn der Ayurveda-Patientin. Zunächst rattern noch überflüssige Gedanken durch den Kopf. Reicht das Öl in der Schale wirklich für eine Stunde? Wie soll man reagieren, wenn die körperwarme Flüssigkeit in die Nase läuft? Verstohlene Blicke zur Therapeutin am Kopfende verraten, dass sie die Schale nachfüllt und den Guss mit einem Docht gezielt über die Stirn lenkt.

Der Stirnölguss ist, zumindest in der westlichen Welt, das bekannteste Ayurveda-Ritual. Der sogenannte Shirodhara wurde tausendfach fotografiert und gilt weltweit als Sinnbild der Heilkunst. Was auf den Fotos niemals zu sehen ist: Nach dem Guss zwirbeln die Therapeuten ein Tuch fest um die Köpfe der Patienten, weil das Öl volle drei Tage lang seine Heilkraft im Haar entfalten soll.

Deshalb begegnet man in Ayurveda-Resorts vielen Menschen, deren Haare unter Kopftüchern verschwunden sind und die eine Duftwolke aus Sesamöl umgibt. An dieser Stelle sei noch verraten, dass der Moment, in dem eine extragroße Portion Shampoo das Öl wieder aus den Haaren vertreibt, einfach großartig ist.

Eine Ayurveda-Kur auf Sri Lanka – das klingt nach perfekter Entspannung in exotischer Umgebung. Wer in einem der vielen Resorts an der Westküste rund um Colombo eincheckt, wird nicht enttäuscht sein. Die meisten der großzügigen Anlagen, die auf europäische Touristen spezialisiert sind, stehen an breiten, goldgelben Sandstränden. Vom Indischen Ozean her weht eine leichte Brise, Affen springen zwischen den Palmen am Pool herum.

Für Ausflüge zu Tempelanlagen oder Nationalparks bleibt wenig Zeit

Auch die freundlich lächelnden Therapeuten und die Ölmassagen entsprechen exakt den Erwartungen. Womit Neulinge nicht rechnen: Eine Ayurveda-Kur ist alles andere als ein Verwöhnprogramm. Herzstück der Kur ist das Panchakarma, eine „Entgiftung“, die meist mit Einläufen oder Abführmitteln angekurbelt wird.

Die Anwendungen sind eingebettet in einen streng geregelten Tagesablauf. Patienten sollen früh aufstehen: Die erste Yogastunde beginnt um sieben Uhr. Die Hauptmahlzeit sollten sie vor 14 Uhr einnehmen und nach einem leichten Abendessen zeitig ins Bett gehen. Baden ist an manchen Tagen verboten. Mitunter wird auch von „aufwühlender Lektüre“ abgeraten. Für Ausflüge zu Tempelanlagen oder Nationalparks bleibt wenig Zeit.

Ayurveda heißt auf Hindi „Weisheit des Lebens“, mitunter wird die Lehre auch als „Wissenschaft von der Verlängerung des Lebens“ bezeichnet. „Im Grunde ist Ayurveda eine Philosophie und ein Lebensstil“, sagt Dr. Dinushka Dissanayaka, die als sogenannte Vaidya, als ayurvedische Ärztin in Negombo arbeitet. „Ayurvedische Grundsätze fließen in alle Aspekte unseres Lebens ein. Die Lehre regelt auch, was wir essen, wie wir unseren Tag gestalten und wen wir heiraten sollen.“

Dissanayaka ist eine schöne Frau mit straffen Schultern und makelloser Haut. Unmöglich, ihr Alter zu schätzen. Die Singhalesin strahlt eine beneidenswerte Ruhe aus und vermittelt ihren Patienten das schöne Gefühl, sie habe alle Zeit der Welt. Die meisten Menschen, die von ihr behandelt werden, sind Deutsche, Österreicher und Schweizer. Einige wollen sich einfach nur erholen, andere wollen ihre Rückenschmerzen oder Schlafstörungen loswerden.

Natürlich sei es gut, einmal im Jahr für zwei oder drei Wochen den Körper zu entgiften, sagt ont Dissanayaka. Noch besser aber sei es, Körper und Seele generell in Einklang zu bringen. „Wir möchten unseren Gästen einen Anstoß geben, ihr Leben zu ändern“, sagt sie.

Auf den Büfetts liegen Blumenbuketts und große Platten mit frischem Obst

In den Resorts werden Ayurveda-Gäste auf sanfte Weise gezwungen, wenigstens vor Ort „vernünftig“ zu leben. Raucher werden von Ärzten und Yogalehrern immer wieder über die Schädlichkeit ihres Tuns aufgeklärt, bis ihnen die Lust an der Zigarette am Pool endgültig vergeht. In vielen Hotelanlagen wird grundsätzlich kein Alkohol ausgeschenkt, sogar Kaffee und der herbe Schwarztee, der in den Plantagen im Hochland der Insel wächst, sind mitunter tabu.

Auf den Büffets liegen hübsche Blumenbuketts aus Frangipani-Blüten und Palmwedeln und große, verführerische Platten mit frischem Obst. Und sonst? Zu jeder Mahlzeit werden blasse Gemüsesuppen, gekochter Reis, gedünstetes Gemüse und scharfes Kokusnuss-Chutney gereicht. Den indischen Hülsenfrüchtebrei Dal gibt es mit Kichererbsen, Linsen oder Mungobohnen. Fleisch, Fisch und Brot sind dagegen rar.

Wer zu Hause zum Frühstück ein Schinkenbrot mag, entwickelt sich hier zum Veganer auf Zeit. Am meisten aber leiden viele Ayurveda-Patienten zunächst unter dem spärlichen Getränkeangebot. Zu jeder Mahlzeit wird heißes Wasser ausgeschenkt. Das schmerzt besonders beim Abendessen, wenn die Sonne im Indischen Ozean versinkt. Ein Ginger Ale oder ein alkoholfreies Bier wären jetzt eine feine Sache, ganz zu schweigen von einem kühlen Weißwein.

Zu Beginn jeder Kur steht die Einteilung in drei verschiedene Typen, genannt Doshas: Vata-Typen sind wach und voller Lebensfreude, neigen mitunter aber zu Ängstlichkeit und Depressionen. Menschen mit einem Pitta-Dosha sind energiegeladen und begeisterungsfähig, aber auch neidisch und eifersüchtig, während die Kapha-Typen bodenständig und zuverlässig, oft aber auch träge sein sollen.

Nach der ayurvedischen Lehre steckten in jedem Menschen zwar alle drei Doshas, doch eins überwiege. Man muss aufpassen, das ein Dosha nicht irgendwann übermächtig wird. Dann drohen Erschöpfung, Missstimmungen, Zipperlein und schließlich ernsthafte Erkrankungen.

"Wenn du nicht König sein kannst, werde Heiler"

Kein Kunde für die Kokosnuss. Urlauber bleiben oft in ihren Resorts.
Kein Kunde für die Kokosnuss. Urlauber bleiben oft in ihren Resorts.

© Roig/Alamy

Um die Doshas zu bestimmen, müssen Patienten zunächst Fragen über ihren Gesundheitszustand und ihren Lebensstil beantworten. Schlafen Sie gut? Fühlen Sie sich eher im Kalten oder im Warmen wohl? Wie ist die Beschaffenheit des Stuhls? Die Ärzte beurteilen außerdem den Zustand der Haut, den Körperbau der Patienten und messen den Puls.

„Die Pulsuntersuchung ist sehr wichtig für uns. Schnelligkeit, Rhythmus und Stärke sagen viel über den Gesundheitszustand eines Menschen", sagt Dissanayaka. Bei manchen Menschen würde der Puls wie ein Kaninchen hüpfen, bei anderen gleiche er einem schwimmenden Schwan. Nach der Untersuchung erhalten die Patienten einen individuellen Speise- und Behandlungsplan. Verordnet werden auch allerlei Tinkturen, Tabletten und Kräutertees mit rätselhaften Namen.

Ursprünglich entstand Ayurveda in Indien. Die ältesten Aufzeichnungen, die Heilkundige auf Palmblätter schrieben, sind rund 3000 Jahre alt. Vor gut 2000 Jahren kam die Lehre nach Sri Lanka und wurde mit der dortigen Kräuterheilkunde verwoben. „Wenn du nicht König sein kannst, werde Heiler“, heißt es noch heute in dem Inselstaat.

Während der Kolonialzeit brachten die Briten die europäische Schulmedizin nach Sri Lanka. „Die westliche Medizin verbreitete sich rasch, da die Briten ihre Behandlungen der Bevölkerung kostenlos anboten“, sagt der Ayurveda-Arzt Asoka Hettigoda. „Unsere traditionellen Heilmethoden wurden lange verdrängt, aber wir haben trotzdem überlebt.“

Der 73-Jährige kommt aus einer Familie von Heilern und leitet heute die Siddhalepa-Gruppe, die Resorts und Spas in vielen Ländern betreibt. Zu dem Firmenimperium gehört auch eine Produktionsstätte für Medikamente und Kosmetik.

Drei Deutsche erlitten schwere Vergiftungen

Heute ist Ayurveda in dem Inselstaat wieder allgegenwärtig. Neben rund 20.000 Vaidyas praktizieren unzählige Heiler ohne akademische Ausbildung. Es gibt moderne Praxen in Einkaufszentren, ein ayurverdisches Uni-Hospital mit knapp 500 Betten und Mini-Behandlungszentren am Strand, die zwischen Nagelstudios und Beachbars untergebracht sind.

Die Nachfrage nach Kuren in Sri Lanka boomt, in den Jahren 2013 und 2014 wuchs die Zahl der deutschen Touristen jeweils um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Die Menschen aus Ihrem Kulturkreis merken, dass unser Lebensstil ihnen gut tut“, sagt Dissanayaka.

Eins der schönen, am Strand gelegenen Ayurveda-Hotels ist das Heritance Ayurveda Maha Gedara.
Eins der schönen, am Strand gelegenen Ayurveda-Hotels ist das Heritance Ayurveda Maha Gedara.

© Kirsten Schiekiera

Im vergangenen Jahr gab es negative Schlagzeilen. Drei Deutsche hatten schwere Vergiftungen erlitten nachdem sie wochenlang stark blei- und quecksilberhaltige Ayurveda-Medikamente eingenommen hatten. „Medikamente, die Metall enthalten, werden in der modernen ayurvedischen Medizin nicht mehr eingesetzt. Aber es gibt schwarze Schafe, die es offenbar trotzdem tun“, sagt die Ärztin Hiroshini Amarasingha aus dem Siddhalepa-Resort in Wadduwa.

Das Sri Lanka Tourism Promotion Bureau wacht darüber, dass internationale Gesundheitsstandards eingehalten werden und gibt eine Liste mit empfehlenswerten Hotels heraus. Viele Hotelmanager wissen um die Ängste ihrer Gäste: Im Siddhalepa-Resort hängen die Urkunden des staatlichen Tourismusbüros und ISO-Zertifikate neben Schwarz-Weiß-Fotos der Heilerfamilie aus den 1930er-Jahren.

Literweise heißes Wasser und Kräutertees trinken? Kein Problem

Es bleibt ein hoffnungsloses Unterfangen, sich Ayurveda mit westlicher Ratio nähern zu wollen. Wer wissen möchte, was es mit den verordneten Tabletten auf sich hat, bekommt oft nur knappe Antworten wie: „It’s good for you!“.

Kaum hat man die recht simpel wirkende Dosha-Theorie akzeptiert, da stellt man fest, dass die Gruppe von höchst unterschiedlichen Menschen beim Abendessen angeblich eine erstaunliche Gemeinsamkeit hat: Alle sollen Vata-Typen sein. Für die sind Fleisch, Tomaten, Ananas, Paprika und Pilze tabu.

„Der hektische, westliche Lebensstil befeuert das Vata-Dosha, deshalb ist es bei fast allen Menschen aus westlichen Kulturkreisen zu stark“, erklärt die Ayurveda-Ärztin Amarasingha auf Nachfrage. Viele Fragen bleiben. Warum darf „helles Fischcurry“ nur mittags gegessen werden, während „dunkles Fischcurry“ grundsätzlich verboten ist?

Am besten: nicht weiter drüber nachdenken. Denn die Kur zeigt schon nach wenigen Tagen Wirkung. Die Patienten fühlen sich leichter, jünger und energiegeladen, das sagen fast alle. Und oft geschieht auch noch eine seltsame Wandlung. Die vielen Massagen, auf die man sich verspannt am Schreibtisch sitzend gefreut hatte, verlieren an Reiz, wenn täglich ölige Daumen an Schulterblättern und Nacken rotieren. Morgens um sechs für die Yogastunde aufzustehen, wird verblüffenderweise zum Vergnügen.

Literweise heißes Wasser und Kräutertees trinken? Kein Problem. Was zu Hause unmöglich erscheint, gelingt bei einer Ayurveda-Kur leicht: Der komplette Verzicht auf Alkohol, Zucker und Mehlprodukte.

Ob’s nachhaltig wirkt? Vielleicht. Mit viel Disziplin.

Tipps für Ayurveda-Kuren in Sri Lanka

ANREISE
Air Berlin bietet in Kooperation mit Etihad Airline und SriLankan Airlines mehrmals täglich Flüge von Tegel über Abu Dhabi nach Colombo. Tickets kosten ab rund 485 Euro.

AYURVEDA-RESORTS
In Bentota: Die luxuriöse Anlage Heritance Ayurveda Maha Gedara wurde von dem renommierten sri-lankischen Architekten Geoffrey Bawa erbaut. Kaffee, Tee und Alkohol sind in dem Resort streng verboten.

In Wadduwa: Das Siddhalepa-Resort ist eins der größten und ältesten der Insel. Gäste können Zimmer oder kleine Bungalows am Strand buchen. Die Regeln sind eher locker, an der Bar wird auch Bier ausgeschenkt. Internet:

In Negombo: Die Jetwing-Gruppe betreibt zahlreiche Hotelanlagen auf der Insel, deren Stil sich an den traditionellen Bauweisen orientiert. In den „Jetwing Ayurvedic Pavillons“ können Gäste mehrwöchige Kuren buchen.

ZERTIFIKATE
Das Tourismusbüro von Sri Lanka (SLTDA) gibt Listen mit empfehlenswerten Resorts und Spas heraus, die unter ständiger Kontrolle stehen.

Kirsten Schiekiera

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