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Die Humboldt-Universität.

© imago images/Christian Spicker

Update

Weil trans Studierende benachteiligt werden: HU droht Klage wegen Verstoßes gegen Antidiskriminierungsgesetz

Die Humboldt-Uni verwehrt es trans Studierenden, ihren gewählten Namen zu führen. Jetzt droht dagegen eine Klage nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz.

Bei der Behandlung von trans, inter und nicht-binären Studierenden verstößt die Humboldt-Universität (HU) gegen des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz. Dieser Ansicht ist die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) – und hat deswegen am Dienstag eine Beanstandung gegen die HU eingereicht.

Dies ist die Vorstufe zu einer Verbandsklage gegen die HU, es wäre nach Darstellung der Gesellschaft für Freiheitsrechte die erste dieser Art nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz. Die Klage kann nach drei Monaten eingereicht werden, sollte die HU nicht reagieren.

Wie geht die Uni mit gewählten Vornamen um?

Es geht um die Frage, wie die Universität mit dem gewählten Vornamen von Studierenden umgeht, die trans, inter oder nicht-binär sind, aber ihren Namen noch nicht amtlich geändert haben. Seit Jahren gibt es von betroffenen Studierenden die Kritik, dass sie dann dazu gezwungen werden, auf Unidokumenten, auf der Campus Card, der Immatrikulationsbescheinigung oder auf Zeugnisse weiter einen Namen zu tragen, der nicht ihrer geschlechtlichen Identität entspricht.

Ein solches „Deadnaming“ („beim toten Namen nennen“) gilt als massive Infragestellung der Identität. Für die Studierenden bedeute es zudem in vielen Situationen ein „Zwangsouting“, sagt Soraia Da Costa Batista, Juristin bei der GFF. Etwa bei einer Ticketkontrolle in der BVG, wo die Campus Card als Semesterticket gilt, oder beim Nutzen der Bibliothek, wo die Karte als Bibliotheksausweis eingesetzt wird.

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„Die Betroffenen müssen sich zu wahrgenommenen Unterschieden zwischen ihrer dokumentierten und ihrer tatsächlichen geschlechtlichen Identität erklären“ sagt Da Costa Batista – was belastend und diskriminierend sei.

Eine amtliche Namensänderung ist demütigend und teuer

Die Situation verschärfe, dass für amtliche Namensänderungen immer noch das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz gilt. Das Verfahren dauert oft Jahre, es ist demütigend und teuer, weil unter anderem zwei psychiatrische Gutachten beigebracht werden müssen.

Für Bo Günther, Mitglied der Berliner Selbstorganisation von trans, inter und nicht-binären Hochschulangehörigen Unitin* und studentische*r Mitarbeiter*in der GFF, zeigt sich an den langwierigen Prozessen für Namensänderungen, dass trans, inter und nicht-binäre Personen in der Gesellschaft noch lange nicht gleichgestellt seien. „Umso wichtiger ist, dass öffentliche Einrichtungen beim Abbau von Diskriminierung Vorreiter sind. Wir erwarten, dass die Humboldt-Universität schnell handelt.“

Die HU sei auch rechtlich dazu verpflichtet, den Studierenden das Führen des gewählten Namens vor der amtlichen Namensänderung zu ermöglichen, sagt Soraia Da Costa Batista. Nur weil an eine Änderung des Namens im Pass bestimmte Voraussetzungen geknüpft seien, sei der grundrechtliche Anspruch auf Achtung der geschlechtlichen Identität bis dahin nicht etwa ausgesetzt. Zudem würden die Unis durch das Berliner Hochschulgesetz dazu angehalten, Hürden für Studierende mit unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten abzubauen.

An FU und TU ist das schon möglich

Da bei der Campus Card und der Immatrikulationsbescheinigung die Immatrikulationsnummer mit der auf dem Personalausweis festgehaltenen Person in den Uniakten verknüpft seien, müsse auch niemand Sorge habe, hier könne ein Datenmissbrauch betrieben werden.

Auch gibt es zum Beispiel den „Errgänzungsausweis“ der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Das ist ein von Innenministerien, der Polizei und vielen anderen Behörden anerkanntes Ausweispaper, das vor einer offiziellen Personenstands- und Namensänderung alle selbstgewählten personenbezogenen Daten dokumentiert und ein aktuelles Passfoto zeigt.

"Den Wille, etwas für die Studierenden zu verbessern, sehen wir schon. Aber jetzt müssen endlich Taten folgen und die Humboldt-Universität muss die klaren Rechtsverstöße beenden“, sagt Da Costa Batista. Das Zögern der HU versteht sie umso weniger, da es die Freie Universität und die Technische Universität den betreffenden Studierenden nach jahrelangen Diskussionen inzwischen sehr wohl schon ermöglichen würden, ihren gewählten Vornamen auf offiziellen Unidokumenten zu führen.

Die HU macht die Senatsverwaltung verantwortlich

Die HU teilte am Dienstag mit, sie unterstütze das Anliegen der Studierenden zur Führung des selbstgewählten Namens. Die Schaffung der organisatorischen und technischen Voraussetzungen werde aller Voraussicht nach Ende März abgeschlossen sein, so dass mit Beginn des Sommersemesters die hochschulinterne Verwendung des selbstgewählten Namens möglich sein wird, erklärte HU-Sprecher Hans-Christoph Keller.

Die Uni hätte nach Darstellung ihres Sprechers auch gerne "gleich die wesentlich leichter umzusetzende Verwendung des selbstgewählten Namens in allen Belangen, also auch auf Dokumenten mit Außenwirkung wie Studierendenausweis und Zeugnissen, ermöglicht". Damit hätte man dem Anliegen nicht nur der Studierenden "sehr viel schneller und umfassender" Rechnung tragen können. Doch die Wissenschaftsverwaltung vertrete gegenüber der HU weiterhin die Einschätzung, "dass die Verwendung des selbstgewählten Namens in Fällen mit Außenwirkung rechtswidrig sei“, hieß es.

Die Senatsverwaltung bestätigte das: Leider sei vor einer amtlich bestätigten Namensänderung aus rechtlichen Gründen die Verwendung des Wunschnamens in öffentlichen Urkunden der Uni nicht möglich. Es gebe hier eine klare Erwartungshaltung an den Bund, das dafür verantwortliche Transsexuellengesetz abzuschaffen. Bis dahin unterstütze die Verwaltung jegliche Bestrebungen der Berliner Hochschulen, im Rahmen der aktuell geltenden rechtlichen Möglichkeiten Studierenden und Mitarbeiter*innen Namensänderungen "unkompliziert und umfassend“ zu ermöglichen.

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