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Im Zeichen der Regenbogenfahne. Das LFT findet in diesem Jahr online statt.

© imago images/Westend61

Wegen Transfeindlichkeit: Lesbenfrühlingstreffen in der Kritik

Das Lesbenfrühlingstreffen ist das älteste Treffen für lesbische Frauen in Deutschland. Jetzt steht es wegen Transfeindlichkeit von Mitwirkenden in der Kritik.

Wie in vielen Jahren zuvor hatte Marietta K. dem Lesbenfrühlingstreffen (LFT) schon seit Wochen entgegengefiebert. „Das ist ein wichtiger Ort für mich“, sagt die pensionierte Beamtin, die ihren richtigen Namen lieber nicht in einem Medium lesen will. Seit einem Vierteljahrhundert nimmt sie an der Veranstaltung teil — zunächst ungeoutet, später dann als stolze Lesbe aus der Kleinstadt. „Das ist einfach ein unglaubliches Gefühl, an einem Ort nur mit Lesben zu sein“, sagt sie.

Das LFT als ältestes Lesbentreffen in Deutschland gibt es schon seit 1974. Damals hatte es die Frauengruppe in der Homosexuellen Aktion West-Berlin noch als Lesbenpfingsttreffen organisiert. Ab 1979 fand es an wechselnden Orten statt und seit 1992 unter dem heutigen Namen. Neben dem Veranstaltungsort wechselt jedes Mal auch das Organisationsteam. In diesem Jahr steht das 47. LFT an. Coronabedingt wird es - vom 21. bis 23. Mai - virtuell aus Bremen übertragen.

Doch während die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen, haben sich inzwischen zahlreiche lesbische und queere Initiativen von der Veranstaltung distanziert: „Es tut uns richtig weh, dass wir unser Grußwort und den Workshop zurückziehen mussten“, sagt Marion Lüttig vom LesbenRing im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Organisationen, die gegen Transrechte mobil machen

Den Verein und das LFT verbinde eine lange gemeinsame Geschichte. „Aber in diesem Jahr wird dort auch extrem transfeindlichen Protagonistinnen eine Bühne gegeben“, sagt Lüttig. Vertreten seien etwa die LGB-Alliance und die Women’s Human Rights Campaign - beides Organisationen, die sich aktiv gegen die Rechte von trans Personen einsetzen würden und in Deutschland etwa gegen das Selbstbestimmungsgesetz mobil machten.

Moderiert wird das LFT in diesem Jahr unter anderem auch von Julia Beck, einer US-Amerikanerin, die in verschiedenen Kampagnen mit der Women’s Liberation Front (WoLF) kooperiert hat. In den USA verklagte die WoLF 2016 die Obama-Regierung wegen des Versuchs, trans Schüler*innen die Nutzung der richtigen Toilette zu gewähren. „Solche menschenrechtsverachtenden Positionen sind für uns einfach untragbar“, so Lüttig. Der LesbenRing stehe für das große Spektrum lesbischer* Lebens- und Liebesweisen.

Die Liste der Gruppen, die sich distanzieren, ist lang

Neben dem LesbenRing hat sich auch die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH), die das LFT mit 2700 Euro gefördert hatte, von der Veranstaltung distanziert. „Das Programm des diesjährigen LFT schließt trans Lesben nicht nur aus, sondern beinhaltet explizit transfeindliche Programmpunkte“, begründet BMH-Vorstand Jörg Litwinschuh-Barthel die Entscheidung gegenüber Tagesspiegel.

Besonders ärgerlich sei, dass die Organisatorinnen in ihrem Antrag ausdrücklich das Ziel formuliert hätten, radikal-feministische und queer-feministische Strömungen miteinander ins Gespräch zu bringen. In einer Stellungnahme heißt es, die BMH habe sich gerade deshalb für eine Förderung entschieden. Den vorliegenden Fall nehme man nun „zum Anlass, Mechanismen zu entwickeln, die künftig sicherstellen, dass mit Fördergeldern der BMH keine diskriminierenden Inhalte gefördert werden.“

Inzwischen ist die Liste der Organisationen und Gruppen, die sich vom LFT distanziert haben, lang: Sie reicht vom Bundesverband Trans* (BVT*) zum Dyke*-March und queeren Gruppen aus mehreren Bundesländern. „Die diesjährige Veranstaltung baut auf ein Programm, das trans* Lesben nicht nur ausschließt, sondern sich trans*feindlicher Narrative bedient und sich dabei nicht scheut, mit Begriffen wie 'Genderideologie' das Vokabular rechtspopulistischer und antifeministischer Strömungen aufzugreifen", heißt es etwa vom Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg.

Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Linke) hat ihre Schirmfrauschaft zurückgezogen.
Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Linke) hat ihre Schirmfrauschaft zurückgezogen.

© imago images / Eckhard Stengel

Ein solches Programm spalte und vertiefte bestehende Gräben. Auch Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Linke) hat ihre Schirmfrauschaft und ihr Grußwort mittlerweile zurückgezogen. Sie stehe für einen offenen Diskurs ein, der auch kontrovers über Themen diskutieren lasse, aber nicht explizit Personen ausschließe.

Das Orgateam sieht in den Vorwürfen eine Medienkampagne

Das Orgateam des diesjährigen LFT selbst sieht in den Vorwürfen indes eine beispiellose Medienkampagne: Die Anschuldigungen und die Distanzierungskampagne sei ohne Rücksprache mit den Veranstalterinnen erfolgt, heißt es in einer Stellungnahme.

Die einseitigen Darstellungen empfinde das Orgateam als eine Form struktureller und psychischer Gewalt gegen Frauen und Lesben. Man bedauere, dass der LesbenRing seinen Workshop zurückgezogen hat. Immerhin hätte dieser die Chance geboten, eine komplett andere Sicht darzustellen. Auf den LFTs würden immer auch brisante Themen zur Diskussion gestellt. Die Veranstalterinnen teilten keineswegs alle Positionen und seien offen für einen Dialog. Zu einigen Punkten habe man gezielt auch junge Referentinnen mit bekannt anderen Meinungen angefragt, insbesondere aus dem queer-feministischen Spektrum. Doch die hätten nicht geantwortet.

Dass es mit einigen dieser Protagonistinnen überhaupt möglich ist, auf Augenhöhe zu diskutieren, zweifeln Organisationen wie der LesbenRing und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld allerdings an. „Wir gehen sehr gerne in die Debatte, aber nicht mit Menschen, die eine so vorgefertigte Meinung haben“, erklärt Marion Lüttig vom LesbenRing.

Trotz aller Kritik soll das LFT stattfinden

Die Frage, wo im Rahmen der Queerpolitik die Gleichstellungspolitik bleibe, dürfe man selbstverständlich stellen. „Dort werden aber auf skandalisierende Weise falsche Dinge behauptet. Etwa, dass Transrechte Frauenrechte aufheben oder dass trans Frauen eigentlich Männer seien, die sich als Frauen verkleiden, um in Frauenschutzräume einzudringen.“ Sich als trans Lesbe auf ein solches Panel zu setzen, sei psychische Gewalt, meint sie.

Trotz aller Kritik: Das LFT wird auch in diesem Jahr stattfinden. Marietta K. kann die ganze Aufregung ohnehin nicht verstehen: „Trans Lesben waren schon seit vielen Jahren beim LFT willkommen“, sagt sie. Probleme habe es deshalb nie gegeben, die Stimmung sei erst in den vergangenen Jahren immer angespannter geworden.

Es klingt beinahe so, als ob sich im Streit um das LFT auch ein Generationenkonflikt manifestiere. Dabei wäre die queere Bewegung heute niemals da, wo sie ist - ohne den Kampf vieler lesbischer Frauen ab den 1970er Jahren. Was am Ende bleibt, ist der Wunsch vieler Beteiligter, im nächsten Jahr wieder zueinander zu finden - in einer Gesellschaft die ohnehin nur so strotzt vor Frauen-, Lesben- und Transfeindlichkeit.

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