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Elektronenmikroskopische Aufnahme des Centers for Disease Control and Prevention zeigt reife, ovale Affenpockenviren (l) und kugelförmige unreife Virionen (r).

© dpa/AP/CDC/Cynthia S. Goldsmith/Russell Regner

Viele mögliche Übertragungswege: Wird nur eine Gruppe angesprochen, fühlen sich viele nicht betroffen

Im Bulletin über die Affenpocken fordert das Robert-Koch-Institut nur Männer, die mit Männern Sex haben, auf, bei Symptomen zum Arzt zu gehen. Das ist falsch! Ein Kommentar

Dass das Robert-Koch-Institut (RKI) bei seinen öffentlichen Hinweisen mögliche gesellschaftliche Implikationen durchdenkt, das wäre wohl zu viel erwartet. Bei den Empfehlungen zu den sogenannten „Affenpocken“, an denen wie berichtet einige Menschen in Europa, USA und Kanada erkrankt sind, hätten selbst die nicht so sehr in Öffentlichkeitsarbeit versierten Fachleute des RKI über einen Satz stolpern können.

Das entsprechende RKI-Bulletin zu „Affenpocken“ enthält neben Empfehlungen an Ärztinnen und Ärzte, welche Menschen bei „differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden sollten“, nur einen Satz, der sich direkt an eine Personengruppe wendet: Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) „mit ungewöhnlichen Hautveränderungen sollten unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen.“

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Warum anderen Menschen, etwa heterosexuellen Frauen und Männern oder lesbischen Frauen, die solche Veränderungen an sich beobachten, solch ein Rat nicht gegeben wird, bleibt auch nach mehrmaligem Nachfragen beim RKI unklar. Die Erkenntnisse zu den Übertragungswegen von „Affenpocken“ jedenfalls geben eine solche ausschließlich Empfehlung an nur eine Gruppe von Menschen nicht her.

Die - im übrigen seltenen - Infektionen wurden bei Männern und Frauen beobachtet, ebenso bei Kleinkindern. Bisher vor allem in West- und Zentralafrika, nun auch in Europa und den USA. Darunter auch Männer, die Sex mit Männern haben, aber eben nicht ausschließlich.

Das RKI warnt: Diese Hautveränderungen weisen auf eine Infektion mit Affenpocken hin.
Das RKI warnt: Diese Hautveränderungen weisen auf eine Infektion mit Affenpocken hin.

© dpa

Dass es bei dieser Art der Warnung der Satz „Affenpocken in Europa - Warnung an homo- und bisexuelle Männer" in viele Überschriften schaffen würde, kann nicht wirklich überraschen. Und dass dies bei manchen Leserinnen und Leser verkürzt ankommen könnte als Botschaft: „Affenpocken kriegen nur schwule und bisexuelle Männer“ auch nicht. Das ist übrigens nicht weit entfernt von der "Schwulenseuche", als die Aids Mitte der 1980er in die Schlagzeilen kam.

Die Antwort des RKI auf die Frage nach den Hintergründen lautete übrigens unter anderem: „Wir kommentieren generell keine Medienberichte.“ Oder anders gesagt: Für Risiken und Nebenwirkungen unserer Empfehlungen sind wir nicht zuständig. Man hätte denken können, dass das Institut durch die Coronapandemie dazugelernt hat.

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