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Eine langjährige Anlaufstation im queeren Kiez. Der Andrang bei der Soliparty des Hafens in der Motzstraße war groß.

© Thilo Rückeis

Verdrängung in Berlin: Soliparty für queere Traditionsbar "Hafen"

Der Mietvertrag der Schöneberger Kneipe wurde nicht verlängert. Statt Schlüsselübergabe, gab's am Donnerstag eine Soliparty – möglicherweise mit Erfolg.

„Dann wollen wir die Meute mal reinlassen!“, heißt es im Hafen, der berühmten Szenekneipe im Schöneberger Regenbogenkiez. Der Barkeeper zieht die Jalousien hoch, hinter den großen mit Solidaritätsbekundungen beklebten Fenstern stehen um 13 Uhr die Menschen Schlange: Es sind vorwiegend schwule Männer, von jung bis alt, von lässig bis schick. Männer, die ihre Solidarität bekunden und eine der letzten legendären Partys im Hafen feiern möchten.

Ganze 10.026 Hafennächte waren es seit der Eröffnung der Bar 1990. Im Eingangsbereich erinnert ein schwarzer Schriftzug auf der goldfarbenen Mosaiktapete noch an die 10.001. Nacht.

Ein anderer Interessent hatte dem Eigentümer eine höhere Miete versprochen

„Und jetzt?“, heißt es im Facebook-Event der Soliparty. Kurz vor Weihnachten hatte der Betreiber des Hafens, Ulrich Simontowitz – von Gästen und Angestellten Uli genannt – vom Eigentümer die Aufforderung zur Räumung bekommen. Nach 28 Jahren war der Mietvertrag ausgelaufen und sollte nicht mehr verlängert werden. Gerüchten zufolge gibt es andere Interessenten aus der Szene, die dem Eigentümer eine höhere Miete versprochen hätten. Wer die anderen Interessenten seien, dazu kann oder möchte sich Simontowitz nicht äußern.

Seit 1990 hatte Simontowitz von seinem Nachbarn, dem Betreiber der Tom’s Bar, untergemietet. Ein eigener Hauptmietvertrag war damals mit dem Eigentümer sogar schon aufgesetzt. Aus irgendeinem Grund wurde er nie unterzeichnet.

Die Community hält zusammen

Am Donnerstag, den 3. Januar, sollte also nichts weiter stattfinden als eine Schlüsselübergabe, ohne Trara und Paukenschläge. Doch da haben die Eigentümer die Strahlkraft des Hafens und den Zusammenhalt der Community scheinbar deutlich unterschätzt.

Kurz nach 13 Uhr ist die verwinkelte Bar mit den goldfarbenen Wänden, den roten Ledersitzen und den an der Decke aufgemalten Engeln – mit Gesichtern ehemaliger Hafen-Mitarbeiter – gut gefüllt. Die Menschen stoßen mit Tee oder Kurzen an, die Stimmung ist ausgelassen bis feierlich. Man kennt sich hier.

Während Marco Ammer (42) von den Quizabenden erzählt und davon, dass seine Abende immer im Hafen begonnen haben, läuft Volker Beck vorbei. Auch der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete verbindet wertvolle Erinnerungen mit der Bar: „Man muss wissen: Wenn der Hafen zumacht, schließt mehr als ein Tresen. Es ist einfach zu verstehen, dass der Hafen eine Institution in der Stadt ist, ein Lebensort für viele Menschen.

"Von Anfang an war klar: Wir verstecken uns nicht"

Simontowitz hat bewusst den Beginn der Party auf 13 Uhr gelegt. Möglichst viele Menschen auf der Straße sollen es mitbekommen, der Protest soll nicht in der Szene bleiben. „Der Hafen war schon immer eine Bar, die nach draußen ging“, sagt Simontowitz. „Wir sind schon immer auf die Straße gegangen, haben die Öffentlichkeit gesucht. Das war von Anfang an unsere Botschaft: Wir verstecken uns nicht.“

Der Hafen war 1990 die erste Bar im Nollendorfkiez ohne Klingel mit Guckloch, man konnte die Bar einfach betreten, durch die Fenster hineinsehen. Hier entstanden die ersten Überlegungen zum Motzstraßenfest, hier lernten sich Männer kennen, die inzwischen seit Jahren verheiratet oder verpartnert sind. Es etablierten sich sogar hauseigene Feiertage: Die Auftritte der „Königin Beatrix“ jedes Jahr am 30. April, dem früheren niederländischen „Koninginnedag“, sind legendär. „Wo gibt es das schon, 25 Jahre dieselbe Königin auf dem Thron zu halten?“, sagt Simontowitz.

Bunte Deko. Der Kneipenraum ist üppig geschmückt.
Bunte Deko. Der Kneipenraum ist üppig geschmückt.

© Thilo Rückeis

Ansonsten möchte der Hafen vor allem eine ganz normale Bar sein, mit Männern und Frauen jeden Alters – offene Menschen, die sich mischen und miteinander ins Gespräch kommen. Auch innerhalb des Nollendorfkiezes stellt die Kneipe eine Ausnahme dar. Anders als in vielen umliegenden Bars gibt es keinen Darkroom. Diese Normalität dürfe nicht einfach verschwinden, findet Tim Niebuhr (36), ein Gast, der auf einem Barhocker Platz genommen hat.

Die Schlüssel wollte Simontowitz am 3. Januar jedenfalls nicht mehr übergeben. Die politische und mediale Aufmerksamkeit hat wohl doch zumindest eines bewirkt: Die beiden Mietinteressenten sollen sich untereinander einigen. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Der 58-jährige Simontowitz wirkt erleichtert und beschwingt: „Letzten Endes will ich nur, dass mein Lebenswerk fortgeführt wird.“ Und dass am 30. April die Königin Beatrix weiter vorfahren darf.

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