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Demo in Solidarität mit trans Menschen (Archivbild).

© Imago/Dmitry Niko

Trans Day of Remembrance in Berlin: Die queere Community gedenkt der Opfer transfeindlicher Gewalt

Am Trans Day of Remembrance wird am Samstag weltweit ermordeten trans Personen gedacht – auch in Berlin mit einem Zug der Stille.

Der Demonstrationszug am Samstag wird sehr ruhig werden, das steht schon fest. Die Teilnehmenden werden vereinzelt Kerzen tragen, Sprechchöre und Redebeiträge sollen nicht zu hören sein. Mit diesem "Zug der Stille“ in Schöneberg, der um 17 Uhr am Nollendorfplatz startet und dann bis zur Monumentenstraße führt, soll den ermordeten trans Personen weltweit gedacht werden.

Gedenk-Demonstrationen wird es an diesem Tag in vielen Ländern geben. Denn am 20. November findet der jährliche Trans Day of Remembrance (TDoR) statt. Dass die Demo in Berlin dieses Jahr still bleibt, ist zwar auch dem aktuellen Infektionsgeschehen geschuldet. „Wir denken aber, dass dieser stille Zug ohne Redebeiträge dem Anlass ausreichend genügen kann“, erklärt Maja Kessler, Mitglied des Organisationsteams.

2021 das tödlichste Jahr für trans Personen

Dass es eine Veranstaltung braucht, die auf die Opfer transfeindlicher Gewalt aufmerksam macht, beweisen folgende Zahlen: Zwischen Oktober 2020 und September 2021 wurden weltweit 375 trans und genderdiverse Personen getötet. Damit ist 2021 zum tödlichsten Jahr für trans Personen geraten.

Zu diesem Ergebnis kommt das Projekt “Trans Murder Monitoring”, das seit 2008 Daten zu Morden mit transfeindlichem Hintergrund sammelt. Die Dunkelziffer dürfte jedoch viel höher sein. Denn das Projekt sammelt lediglich Informationen aus Ländern, die transfeindliche Gewalt gesondert erfassen. Von den 375 ermordeten trans Personen waren 96 Prozent trans Frauen.

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Während der südamerikanische Kontinent besonders gefährlich für trans Personen ist, kam es auch in Europa zu transfeindlichen Übergriffen. In Frankreich wurden drei trans Menschen getötet, in der Türkei waren es sogar vier. 43 Prozent der insgesamt 14 in Europa getöteten trans Personen waren Migrant:innen.

In Deutschland wurde in diesem Jahr zwar kein Mord an einer trans Person gemeldet. Doch Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* sagt: “Vor allem trans* Frauen und trans*feminine Personen, die neben Trans*feindlichkeit auch Rassismus erfahren, sind in Deutschland besonders gefährdet, schwere körperliche Angriffe bis hin zu Mordversuchen zu erfahren.”

Transfeindliche Gewalt wird oftmals nicht gemeldet

Auch in einer Stadt wie Berlin, die stets mit ihrer Toleranz und Vielfalt wirbt, kommt es immer wieder zu transfeindlichen Übergriffen. Im laufenden Jahr dokumentierte die Polizei bereits 23 Gewaltdelikte mit transfeindlichem Hintergrund. “Doch wir gehen von einer deutlich höheren Zahl aus, das Dunkelfeld ist groß”, sagt Sebastian Stipp, Ansprechperson für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen bei der Berliner Polizei. 80 bis 90 Prozent der Fälle mit transfeindlichem Hintergrund würden gar nicht gemeldet. 

Protest für trans Menschen. Viele transfeindliche Übergriffe werden nicht gemeldet - auch aus Angst vor Diskriminierung bei Polizei und Gerichten.
Protest für trans Menschen. Viele transfeindliche Übergriffe werden nicht gemeldet - auch aus Angst vor Diskriminierung bei Polizei und Gerichten.

© Imago/Zuma Wire

Stipp appelliert an Betroffene, sich bei der Polizei zu melden, sollten sie Opfer eines transfeindlichen Angriffs werden. “Wir wissen, dass viele der Täterinnen und Täter Wiederholungstäter sind, also identifiziert werden könnten." Durch eine konsequente Strafverfolgung der Täter:innen könnte sich laut Stipp die Situation von allen trans Personen in Berlin verbessern.

Doch unter anderem aus Unsicherheit sowie Ängsten vor Ermittlungsbehörden würden Übergriffe oftmals nicht gemeldet. Deswegen weist Stipp ausdrücklich darauf hin, dass es bei Polizei wie Staatsanwaltschaft Ansprechpersonen für LSBTI gibt.

“Wir sind darauf angewiesen, dass Allies sich mit uns solidarisieren.” 

“Damit hat Berlin durchaus eine Vorreiterrolle”, sagt Julia Monro. Laut der Menschenrechtsaktivistin gebe es in sonst keinem anderen Bundesland bei der Staatsanwaltschaft Ansprechpersonen für LSBTI. Deshalb komme es in Deutschland noch zu oft vor, dass die Staatsanwaltschaften von transspezifischen Themen überhaupt keine Ahnung hätten. “Es braucht dort aber auch in den Gerichten viel mehr Sensibilität für die Belange von trans Personen.” 

Monro rät trans Personen, die Angst davor haben, Anzeige zu erstatten, eine Beratungsstelle speziell für trans Menschen aufzusuchen. Allies wiederum fordert sie dazu auf, sich aktiv einzumischen. “Trans Personen bilden gerade mal 0,6 Prozent der Gesellschaft. Wir sind darauf angewiesen, dass Allies sich mit uns solidarisieren.”

Auf die Lebensrealität von trans Menschen aufmerksam machen

Es reiche nicht, jährlich zum Pride-Month ein paar Regenbogenfahnen zu schwenken. Verbündete sollten sich zum Thema trans bilden und aktiv Forderungen an die Politik stellen. Deshalb brauche es auch Tage wie den Trans Day of Remembrance. “Es ist eine wichtige Möglichkeit, um auf die Lebensrealität von trans Menschen aufmerksam zu machen.” Monro wird den Tag bei einer Gedenk-Demo in Köln verbringen und hofft darauf, auch Menschen außerhalb der eigenen Blase für das Thema zu sensibilisieren.

In Berlin wird nicht nur am Nollendorfplatz der TDoR begangen. Im und rund um das Aquarium in der Skalitzer Straße 6 wird mit einer Lichtinstallation, kurzen Videos und Redebeiträgen allen ermordeten trans Personen gedacht. In Potsdam hält Felicia Ewert, Autorin des Buches “Trans. Frau. Sein”,  ab 19 Uhr anlässlich des TDoR einen Vortrag im "Buchladen Sputnik" in der Charlottenstraße 28.

Christopher Ferner

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