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Pretty in Pink. Rosa von Praunheim, 73, ist Filmemacher und Schwulenaktivist.

© Kai-Uwe Heinrich

Teddy Award der Berlinale: Fummel und Faust

Heute Abend wird der Teddy Award für den besten queeren Berlinale-Film vergeben - zum 30. Mal! Ein Geburtstagsgruß von Regisseur und Teddy-Preisträger Rosa von Praunheim.

Ich habe die Ehre, dem Teddy Award mit einem Dokumentarfilm zum Jubiläum zu gratulieren. Der schwul-lesbische-transgender – kurz queere – Filmpreis wird an diesem Freitag ja zum 30. Mal vergeben und die Doku „Welcome All Sexes“ dann am nächsten Tag auf Arte ausgestrahlt. Es ist ein sehr persönlicher Film über die Geschichte des Teddy. Hektisch elektrisch sitze ich am Schnittplatz und sichte die vielen aufregenden Bilder aus 30 Jahren. Ich spreche mit Preisträgerinnen wie Elfi Mikesch und Ulrike Ottinger und erinnere an Werner Schroeter, der den Ehrenteddy kurz vor seinem Tod bekommen hat.

Am Anfang war der Preis ein kleiner Stoffteddy

Angefangen hat es 1987 ganz schlicht im Berliner Buchladen Prinz Eisenherz, damals in der Bleibtreustraße. Initiator war Manfred Salzgeber. Er erfand dort zusammen mit seinem Mitarbeiter, dem attraktiven Wieland Speck, heute Panorama-Chef der Berlinale, das Nachtcafé. Dann kam die Idee, einen Preis zu verleihen, den als Erste Pedro Almodóvar und Gus van Sant bekamen. Die kannte damals kein Schwein, aber bald darauf sollten sie weltberühmt werden.

Ich erinnere mich noch, wie ich mal eine große Party für Almodóvar in meiner Wohnung gab. Auf dem Balkon hatte ich ein großes Laken aufgehängt, „Welcome Pedro“, er kam bekokst mit seiner Muse Carmen Maura. Der Preis war damals noch ein kleiner Stoffteddy aus dem Kaufhaus, nicht die Bronze von Ralf König auf einem schlagkräftigen Pflasterstein. Das war längst noch kein so glamouröses Spektakel wie heute.

Aufklärungsarbeit durch Filme

Manfred Salzgeber war für mich schon vorher eine ganz wichtige Person. Als ich in den Sechzigern nach Berlin kam, betrieb er die Buchhandlung Schöller am Kurfürstendamm. Er und seine tollen Empfehlungen für Bücher und Filme waren ein wichtiger Anlaufpunkt für Schwule. Als er dann ein Kino und einen Verleih aufmachte, hat er Aids- und Underground-Filme aus den USA vertrieben. Das war Aufklärungsarbeit. Die unterstützte er durch seine Filmarbeit; bei der Berlinale arbeitete er erst im Forum des jungen Films mit, wo ich ja 1971 meine Dokumentation „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ zeigte. Dann gründetet er die Festivalsektion Panorama – mit dem Schwerpunkt schwul-lesbische-transgender Filme. Das war weltweit völlig neu bei einem A-Festival.

In Deutschland hatten wir uns ja eine gewisse Akzeptanz erkämpft, aber durch Aids wurde sie in den achtziger Jahren wieder infrage gestellt. Das war eine Tragik. Da haben Leute wie der CSU-Politiker Peter Gauweiler sogar Lager für Schwule gefordert. Umso wichtiger, dass es dann ein Forum für diese Filme und sogar einen Extra-Preis gab.

Endlich aus den Vollen schöpfen

Die Teddy-Verleihungen wurden größer und ins Schwulenzentrum Schwuz verlagert, mit endlosen Tuntenshows. Dann wanderten sie ins Tempodrom mit über 3000 Gästen. Die Partys danach sind legendär und ziehen nicht nur viele geile Schwule an. Seit 2006 übertrug dann der Sender Arte die Verleihung, und man konnte bei der Gala endlich mehr aus dem Vollen schöpfen.

Meinen ersten eigenen Teddy habe ich 1990 bekommen. Für die Aidsfilme „Positiv“ und „Schweigen = Tod“. Das war noch der schlichte Stoffteddy. Trotzdem war ich sehr bewegt, weil Phil Zwickler, der mit mir diese beiden Filme in New York gemacht hat, nach Berlin gekommen ist. Er war an Aids erkrankt und ist kurz darauf gestorben. Ich stand tränenüberströmt dabei, als er redete. Er hat so tough und gut gesprochen. In dem Jahr war ich auch noch mit „Überleben in New York“ auf der Berlinale vertreten. Und mit „Affengeil“ bei den Hofer Filmtagen. Für meine Karriere war der Preis also nicht mehr ganz so wichtig, bei anderen Leuten schon.

Wie lange habe ich darauf gehofft

Ja, und 2014 bekam ich endlich den Ehrenteddy. Das hat mich sehr gefreut, schließlich bin ich der weltweit produktivste Schwulenfilmer. Wie lange habe ich darauf gehofft. Ich hatte ja rund 25 Filme auf der Berlinale, die hätten eigentlich alle einen verdient. Aber die haben immer gesagt, sie verschieben das noch, ich sei zu jung. Aber dann erhielt ich 2013 die Berlinale-Kamera und dann den Ehrenteddy.

Früher habe ich ja kaum Preise gewonnen, weil ich filmisch nicht so der Ästhet bin. Mir ist der politische Gehalt wichtiger als die Form. Außer wenn meine Freundin Elfi Mikesch, die gleichzeitig mit mir den Ehrenteddy bekam, die Kamera führt. Die ist genial. Elfi konnte den Teddy ja selber abholen. Ich habe krank gespielt und musste meine beiden Männer schicken: Mike, mit dem ich seit 38 Jahren zusammenwohne und arbeite, und mein Freund Olli, mit dem ich seit acht Jahren zusammen bin.

Der Preis ist wichtiger denn je

Pretty in Pink. Rosa von Praunheim, 73, ist Filmemacher und Schwulenaktivist.
Pretty in Pink. Rosa von Praunheim, 73, ist Filmemacher und Schwulenaktivist.

© Kai-Uwe Heinrich

War schade, wo ich ich doch Stammgast auf der Gala bin und mich immer extra dafür in Schale werfe. Dass sie in den vergangenen 30 Jahren so groß geworden ist und offiziell zur Berlinale gehört, ist eine Errungenschaft. Und wie ich von den ausländischen Gewinnern weiß, die ich für meine Doku interviewt habe, sind sie alle sehr stolz auf den Preis und schwören auf seine Bedeutung. Er verschafft den Filmen Aufmerksamkeit, ist ein Politikum. Das ist gerade in Ländern wichtig, in denen homosexuelle Filmemacher diskriminiert werden. Diese Filme haben es schwer, ein Kino, einen Verleih zu finden. Der erste Erfolg besteht darin, überhaupt von der Berlinale angenommen zu werden. Wenn man dann noch einen Teddy bekommt, ist das wunderbar. Und angesichts der Repressionen, denen Homosexuelle in osteuropäischen, asiatischen oder arabischen Ländern ausgesetzt sind, ist der Preis wichtiger denn je.

Apfelstrudel macht frei

Was ich so bedeutend finde an der Verleihung, sind nicht nur die Unterhaltungsstars, sondern auch die Polittalks. Etwa 2011, als die toll lustige südafrikanische Tunte Evita Bezuidenhoud einen Special Teddy gewann. Sie nennt sich die berühmteste weiße Frau Südafrikas und leistet mit beißendem Humor Aids-Aufklärung in ihrer Heimat. Sie begrüßte uns in Berlin mit den Worten, dass es die Afrikaner nicht geschafft haben, sechs Millionen Schwarze umzubringen, so wie die Nazis die Juden, und riet den Politikern zum gemeinsamen Kochen und Essen, denn Apfelstrudel macht frei. Der Executive Director UNAIDS Michel Sidibe brachte den Saal zum Kochen, als er das Publikum aufforderte, aufzustehen und „No to silence!“ zu rufen. Und Nicolas Berger von Amnesty International machte darauf aufmerksam, wie viele Morde immer noch an Transsexuellen weltweit geschehen, wie viele Länder Zwangssterilisationen durchführen.

Der Teddy macht auf die Todesstrafe aufmerksam

Bei meinen vielen Interviews zu 30 Jahren Teddy traf ich auch auf die syrische Sängerin Inana, die nach einer abenteuerlichen Flucht bei uns gelandet ist. Ihre Liebe zu Frauen konnte sie in ihrer Heimat nur sehr versteckt ausleben, wurde verfolgt und geschlagen und ist überglücklich, hier zu sein.

Der Teddy macht auch auf die Todesstrafe gegen Schwule im Iran und in Uganda aufmerksam. Auf die brutale Gewalt von Gegendemonstranten bei Schwulenparaden in Polen und Moskau. Umso erfreulicher ist es, wenn auf der Teddy-Gala die 73-jährige Transfrau Sou Sotheavy aus Kambodscha umjubelt wird, die in ihrer Heimat gefoltert wurde und trotzdem nicht aufgibt, emanzipatorische Arbeit zu leisten. Mir kamen die Tränen, als ich ihre Freude sah, als sie mit dem Teddy rumhüpfte und sich bedankte.

Prügelstrafe für schlechte Filme

Wenn nur die Verleihung nicht immer so lang wäre. Übrigens jede Verleihung, nicht nur der Teddy. Beim Grimme-Preis haben sie ja mal versucht, die Danksagungen an Oma und Opa zu verbieten. Da bin ich auch dafür. Und ich bin für Prügelstrafe für schlechte Filme. Diese Kategorie würde ich gern einführen und die Gewinner auf der Bühne mit der Rute ausklopfen lassen. Das wäre garantiert unterhaltsam.

Oder die Gala noch subkultureller aufziehen. Die Schwulenbewegung hat ja eine eigene Camp-Ästhetik hervorgebracht. Dieser provokante Geschmack gehört auf die Bühne. So wie in der Show von Joey Arias aus New York, der uns mit Oralverkehr an einer riesigen Puppe erfreute. Aber Gott sei Dank habe ich beim Teddy Award nicht die Regie. Den zu verleihen, ist eine Riesenarbeit. Ich bewundere Wieland Speck, den Daddy of the Teddy, und alle Macher und Unterstützer. Und ich wünsche ihnen zum 30. Geburtstag, dass sie diesen Kampf in jedem Jahr neu bestehen.

Oh, ich muss aufhören, gleich kommt meine Modedesignerin Ingrid, die mir mein neues Kostüm anlegt. Ich muss ja schick sein für 30 Jahre Teddy.

Aufgezeichnet von Gunda Bartels. Die Teddy-Gala findet diesen Freitag ab 21 Uhr in der Station Berlin statt. Party ab 23.30 Uhr – für geladene Gäste. Arte zeigt die Gala im Livestream. Rosa von Praunheims Doku „Welcome All Sexes“ läuft am Sa 20.2. um 23.45 Uhr auf Arte.

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