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In der Berliner CDU hingegen liegen Befürworter und Gegner der Homo-Ehe im ernsthaften Streit über das, was viele Mitglieder für einen Grundwert im Selbstverständnis der Partei halten – das Familienbild.

© imago/IPON

Streit um die Ehe für alle: Homo-Ehe spaltet Berliner CDU

In der Berliner CDU werben einflussreiche Gegner der Ehe für alle unter den Mitgliedern für ihre Position – die USA oder Irland seien kein Vorbild, schreiben sie in einem offenen Brief. Die Befürworter wollen dagegenhalten.

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In der Berliner CDU artikuliert sich deutliche Ablehnung gegenüber der Homo-Ehe. 17 Mitglieder des Abgeordnetenhauses – fast die halbe Fraktion – wenden sich in einem offenen Brief unter der Überschrift „Nein zur Ehe für Alle“ an die 12 500 Mitglieder der Berliner Union. Diese können bis zum 24. Juli darüber abstimmen, ob sie für oder gegen die „Ehe für alle“ sind – allerdings auf einer fünfteiligen abgestuften Skala. Bei einer Bundesratsabstimmung zur sogenannten Öffnung der Ehe hat sich das Land Berlin enthalten, weil sich SPD und CDU nicht einig waren. Das hatte zum Streit zwischen den beiden Koalitionspartnern geführt.

Unter den 17 Unterzeichnern des offenen Briefs sind einflussreiche Abgeordnete wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Seibeld und der parlamentarische Geschäftsführer Sven Rissmann. Der ehemalige Regierende Bürgermeister und CDU-Ehrenvorsitzende Eberhard Diepgen unterstützt die Verfasser des Briefes ebenso wie der Landesvorsitzende der Jungen Union, Christoph Brzezinski, der Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld und der Europa-Abgeordnete Joachim Zeller.

"Unterschiedliches nicht gleich benennen"

In dem zweieinhalbseitigen Brief, der am Donnerstag oder Freitag bei den CDU-Mitgliedern ankommen soll, betonen die Unterzeichner, sie wollten „Pluralität und Vielfalt in der Gesellschaft“, und schreiben dann: „Aber Vielfalt erzeugt man nicht dadurch, dass man Unterschiedliches gleich benennt.“ Sie wenden sich dagegen, die rechtliche Situation von Homosexuellen in den Vereinigten Staaten oder in Irland als Vorbild zu sehen, denn eingetragene Lebenspartnerschaften gebe es in diesen Staaten nicht. Entscheidend für die Gegner der Homo-Ehe ist der Unterschied zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe, den sie im Sinn der „Gründung einer Familie“ sehen, „in deren Geborgenheit Kinder aufwachsen sollen“.

Viele halten die Debatte für entschieden

Noch ist überhaupt nicht absehbar, wohin die CDU-Basis tendiert. Zu hören ist die Vermutung, viele hielten die Debatte für entschieden, und zwar zugunsten der Öffnung der Ehe, ärgerten sich aber darüber, dass man sich in Berlin nicht mehr öffentlich zu einer konservativen Position bekennen könne. Andere weisen darauf hin, dass sich die Union eben auch in dieser Frage „modernisiert“ habe.

Die Befürworter einer „Öffnung der Ehe“ wollen zum Wochenende ebenfalls einen offenen Brief verfassen. Auf dem, so sagt es ein führender CDU-Mann, würden „sehr, sehr, sehr viel mehr Köpfe“ zu sehen sein als auf dem Brief der Gegner. Den Eindruck, der Streit spalte die Partei, äußert niemand auch nur halb öffentlich. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel sagt, für seine Reinickendorfer Parteifreunde sei die Ehe für alle eine „eher kleinere Sachfrage“. Aus dem Umfeld von Parteichef Frank Henkel heißt es nur: „Was jetzt passiert, ist innerparteiliche Demokratie.“ Die wenigsten wollen sich in der Auseinandersetzung aber öffentlich äußern. Man wolle dem Vorsitzenden und künftigen Spitzenkandidaten nicht schaden, heißt es. Manche konservativen Mitglieder fragen sich, ob sie überhaupt abstimmen sollen. „Denn wenn man ehrlich ist, müsste man mit Nein stimmen“, sagt ein CDU-Mitglied. Doch bei einem Ergebnis gegen die Homo-Ehe würde man sich womöglich Koalitionsoptionen mit den Grünen nehmen. Das Dilemma soll laut mehreren CDU-Mitglieder zu Austrittsdrohungen geführt haben.

Einen "kleinen Stachel" ausfahren

Junge CDU-Mitglieder ärgern sich, dass der Landesvorstand die Mitgliederbefragung über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften beschlossen hat, „ohne die Willensbildung von unten nach oben zu beachten“, sagte ein CDU-Mitglied aus dem Südosten. Deshalb wolle man einen „kleinen Stachel“ ausfahren und auf ein Satzungsproblem hinweisen.

Laut Paragraf 6a, Absatz 2, ist eine Befragung „durchzuführen, wenn sie von einem Drittel der jeweils nachgeordneten Gebietsverbände beantragt wird und der Vorstand (...) die Durchführung mit der absoluten Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder beschließt“. Aber einen Antrag von drei Kreisverbänden zur Mitgliederbefragung gab es nicht: Der Landesvorstand beschloss auf Vorschlag des Landesvorsitzenden Frank Henkel, eine unverbindliche Mitgliederbefragung durchzuführen, mit einer Enthaltung und einer Gegenstimme.

Mitgliederbefragung wurde vor Jahren in Satzung aufgenommen

Landesgeschäftsführer Dirk Reitze und Justizsenator Thomas Heilmann verweisen dagegen auf ein „in Juristendeutsch verpacktes Minderheitenrecht“. Vor vielen Jahren sei die Möglichkeit der Mitgliederbefragung in die Satzung aufgenommen worden. Damals galt dies als befremdliches Ansinnen, da nach dem Delegiertenprinzip abgestimmt wurde. Selbst wenn ein Drittel der Kreisverbände eine Befragung beantragt hatte, hätten sie laut Satzung mit einem Mehrheitsbeschluss wieder „ausgebremst“ werden können. Im Übrigen könne natürlich der CDU-Landesvorstand von sich aus die Mitglieder befragen – erstmals in der deutschen CDU zu einer Sachfrage.

Den offenen Brief der Gegner der Homo-Ehe in der Berliner CDU finden Sie hier.

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