zum Hauptinhalt
Harris Dickinson spielt Jim.

© Salzgeber

Spielfilm "Postcards from London": Nächte in Neon

Steve McLean erzählt in seinem verspielten Arthousefilm „Postcards from London“ von einem jungen Schwulen, der als Sexarbeiter für kultivierte Herren in Soho unterwegs ist.

„Ich suche nach einer Welt voller Mysterien und Möglichkeiten“, sagt Jim, der gerade aus Essex nach London gekommen ist. Soho ist genau der richtige Ort für ihn. Zwar wird der junge Mann schon in der ersten Nacht ausgeraubt, doch wenig später eröffnet sich eine Zukunftsperspektive. Er lernt die Raconteurs kennen, eine vierköpfige Gruppe junger Männer, die ihm eine Stelle anbieten.

Ihr Geschäftsmodell: Sex mit anschließender stilvoller Konversation. Sie haben sich auf ältere Herren spezialisiert, mit denen sie über Malerei, Literatur und Film reden. Also bekommt Jim als Erstes einen Fortbildungskurs: Von Caravaggio, dem Hausheiligen der Gruppe, bis zu Rainer Werner Fassbinder reicht das Spektrum. Über den deutschen Regisseur lernt er: „Ein Genie, hat sich durch Sex, Drogen und billigen russischen Wodka zerstört. Wichtigstes Werk: ,Angst essen Seele auf‘.“

Postmodern und retroverliebt zugleich

Auch Steve McLean, Drehbuchautor und Regisseur des schwungvollen Arthousefilms „Postcards from London“, ist ein Bewunderer von Fassbinder. An dessen letzten Film „Querelle“ – im Zentrum: ein schwuler Seemann – spielt der britische Regisseur unter anderem damit an, dass in der Stammbar der Raconteurs meist einige Gäste mit Matrosenhütchen herumstehen. Das Setting ist auch sonst in höchstem Maße stilisiert und reduziert, was dem Werk eine theaterhafte Anmutung verleiht.

Die Handlung ist größtenteils in Innenräumen angesiedelt, Tageslicht dringt in keine einzige Einstellung. Dafür gibt es viel Neonlicht, intensive Farben und Kontraste – McLeans Hommage an den barocken Lichtmeister Caravaggio. Einige seiner Gemälde wie etwa „Die Grablegung Christi“ lässt er von seinen Darstellern in tableaux vivants nachstellen. Im Zentrum steht stets der durchtrainierte Harris Dickinson („Beach Rats“), der Jim mit einer feinen Mischung aus sexy Naivität und aufkeimendem Selbstbewusstsein verkörpert.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Er wird die Muse eines alten Malers, nimmt sich Francis Bacons jungen Lover George Dyer als Vorbild. Allerdings behindern ihn bei seiner Arbeit zunehmend seltsame Ohnmachtsanfälle, die er beim Betrachten großer Kunstwerke erlebt. Während Jim bewusstlos ist, imaginiert er sich in die Gemälde hinein und trifft dabei mitunter den Maler selbst – was schon mal ein bisschen albern werden kann. „Postcards from London“ nimmt sich ohnehin nicht allzu ernst. Der Film ist eine queere Spielerei mit Zitaten, Farben und Bildern, postmodern und retroverliebt zugleich, schön anzusehen, ohne Anspruch auf eine tiefere Wirkung.

OmU: Sputnik, Xenon

Der Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.+ + +

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false