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Levan Gelbakhiani gibt in der Rolle des Merab in "Als wir tanzten" sein Leinwanddebüt.

© Salzgeber

Schwules Liebesdrama „Als wir tanzten“: Fulminanter Feuervogel

Levan Akin erzählt in seinem Spielfilm „Als wir tanzten“ von zwei jungen Männern, die am Georgischen Nationalballett ihr Begehren füreinander entdecken.

Die Tickets waren in 13 Minuten ausverkauft. 5000 Menschen aus Tiflis und Batumi wollten dabei sein, als der erste offen queere Film aus Georgien im Land seine Premiere hatte.

Dem großen Interesse für „Als wir tanzten“ stand im vergangenen November jedoch eine nicht minder intensive Ablehnung gegenüber. Schon vorab hatte die georgisch-orthodoxe Kirche das Werk von Levan Akin verdammt, rechtsextreme Gruppen kündigten Proteste an.

Die Dreharbeiten weitgehend geheim gehalten

So versammelten sich am Premierentag in beiden Städten Gegner vor den Kinos, die nicht nur homofeindliche Reden hielten, sondern auch Eier und Feuerwerkskörper auf die Besucherinnen und Besucher warfen. Ein Großaufgebot der Polizei versuchte, diese zu schützen. Mehrere Personen aus den Mobs wurden festgenommen, eine LGBTI-Aktivistin musste im Krankenhaus behandelt werden.

Dass sein dritter Spielfilm in Georgien auf feindselige Reaktionen treffen würde, war dem 1979 in Schweden geborenen und aufgewachsenen Filmemacher Levan Akin früh bewusst. Weil er „Als wir tanzten“ in der Welt des traditionellen georgischen Tanzes angesiedelt hat, fragte er ein angesehenes Ensemble um Rat. Er bekam eine Abfuhr, weil sein Film Homosexualität thematisiert, die in Georgien zwar nicht verboten, aber stark tabuisiert ist.

Der von Akin angefragte Ensembleleiter ging sogar noch weiter und gab anderen Gruppen im Land über das Projekt Bescheid. Von da an arbeitete Akins Team geheim – und mit Bodyguards.

Auch der Tänzer Levan Gelbakhiani, auf den der Regisseur über Instagram aufmerksam geworden war, hatte zunächst Bedenken, an dem Film mitzuwirken. Zum Glück konnte er sie überwinden, denn das Leinwanddebüt des heute 23-Jährigen ist grandios. Von der ersten bis zur letzten Minute trägt und prägt er „Als wir tanzten“, der in Cannes Weltpremiere feierte.

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Gelbakhiani – einer der European Shooting Stars auf der Berlinale – spielt den aus einer Tanzfamilie stammenden Merab. Wie sein älterer Bruder David (Giorgi Tsereteli) ist er Schüler der Akademie des Georgischen Nationalballetts, sein Ziel ist es, ins Hauptensemble aufgenommen zu werden. Merab trainiert hart, abends kellnert er in einem Restaurant, weil zu Hause das Geld knapp ist.

In der engen Wohnung lebt er mit David, seiner Schwester, seiner Mutter und Großmutter. Wenn Merab abends todmüde ins Bett fällt, treibt sich sein Bruder – sie teilen sich ein Zimmer – meist noch saufend herum.

Als in der Akademie ein neuer Tänzer auftaucht, haben die Brüder einen neuen Konkurrenten. Auch Irakli (Bachi Valishvili) will zum Vortanzen für das Hauptensemble eingeladen werden. Doch Merab schaut nicht missgünstig auf den jungen Mann mit der attraktiven Narbe in der rechten Augenbraue, sondern entwickelt eine stille Faszination für den Neuankömmling. Neutraler, kumpelhafter behandelt Merab seine Tanzpartnerin Mari (Ana Javakishvili), mit der er „so was wie zusammen“ ist.

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Levan Akin inszeniert die Annäherung der Männer mit einer intimen, unaufdringlichen Handkamera. Augenscheinlich wird die besondere Chemie zwischen Merab und Irakli bei einer Probe: Die beiden tanzen ein Duett, bei dem sie so befreit, so voller Freude über den zerschundenen Boden wirbeln, dass sogar der strenge Tanzlehrer Aleko (Kakha Gogidze) ausnahmsweise keine Einwände hat.

Irkali (Bachi Valishvili, Mitte) ist neue an der Tanz-Akademie.
Irkali (Bachi Valishvili, Mitte) ist neue an der Tanz-Akademie.

© Salzgeber

Gewöhnlich unterbricht er Merab, schnauzt ihn an, dass er sich „gerade wie ein Nagel“ halten solle, und betont immer wieder, dass es beim georgischen Tanz um Männlichkeit gehe. Dass er seinem Schüler diese abspricht, wohl auch, weil er ahnt, dass Merab schwul ist, ignoriert dieser genauso wie den Rat seines Vaters, der findet, dass der Profitanz nichts für ihn sei.

Ein Kruzifix und Tattoos - Tradition und Moderne

Doch Merab hält beharrlich an seinem Traum fest, beansprucht seinen Platz in der georgischen Gesellschaft. Er repräsentiert eine Jugend, die zugleich offen für moderne Einflüsse ist und eine tiefe Liebe für die Traditionen empfindet. Er tanzt genauso zu schwedischer Popmusik wie zu den getrommelten Rhythmen seiner Heimat, er trägt ein Kruzifix um den Hals, aber auch Tattoos auf der Haut.

Levan Akin blickt respektvoll auf die georgische Kultur, insbesondere das Nationalheiligtum des Tanzes. Aber auch den Gesang einer Festgesellschaft auf dem Land setzt er mittels eines langen Schwenks würdevoll in Szene. Merab steht dabei am Rand. Bei einer zweiten, noch virtuoseren Kamerafahrt schreitet er mitten durch die Hochzeitsgesellschaft seines Bruders – unberührt von allem. Es ist eine Art Abschied: Er spürt, dass hier kein Platz für ihn ist, das Land noch nicht bereit ist für einen wie ihn.

Was es damit verliert, demonstriert Merab in einem letzten Tanz in der Akademie. Ein queerer Feuervogel, verletzt, aber nicht gebrochen. Fulminant.
In sieben Berliner Kinos (auch OmU)

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