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Terre des Femmes setzt sich für die Rechte von Frauen ein - mit trans Frauen haben Teile der Organisation aber offenbar ein Problem.

© picture alliance/dpa

Reaktion auf "Männerwelten"-Video: Kritik an Transfeindlichkeit von Terre des Femmes

Joko und Klaas kooperierten für ihr Männerwelten-Video mit Terre des Femmes. Doch an der Gruppe gibt es Kritik: Sie vertrete transfeindliche Ansichten.

„Wenn ihr das Video von Joko und Klaas teilt, dann fügt bitte einige kritische Worte über Terre des Femmes ein, denn diese Organisation fügt meiner Community so viel Schmerz zu.“

Mit diesen Worten beginnt Franka ein Instagram-Video, in dem sie sich zu dem „Männerwelten“-Video von ProSieben äußert und deren Kooperation mit Terre des Femmes kritisiert. Bereits wenige Tage später hat das Video über 13.000 Aufrufe.

Reaktion auf das "Männerwelten"-Video

In weiteren Beiträgen erzählt Franka von persönlichen Erfahrungen mit Transfeindlichkeit und wie sie von ihrem eigenen Therapeuten über Jahre mit dem falschen Pronomen angesprochen und als Mann bezeichnet wurde.

Aktueller Anlass für die Kritik an Terre des Femmes ist ein offener Brief, der unter anderem von Mitgliedern der Frauenrechtsorganisation - darunter die Vorsitzenden Godula Kosack und Inge Bell-unterschrieben wurde. In dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, positionieren sich die Unterzeichner*innen gegen das Gesetz zum „Schutz vor Konversionsbehandlungen“ bei trans Kindern und Jugendlichen.

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Das Gesetz wurde Anfang Mai verabschiedet und untersagt sogenannte „Konversionstherapien“ bei minderjährigen Jugendlichen in Deutschland. Dieser Schritt ist längst überfällig, denn viele der Betroffenen tragen psychische Schäden davon, die bis zum Suizid führen können und auch auf wissenschaftlicher Ebene ist schon lange erwiesen, dass diese „Therapien“ nicht wirken, sondern in vielen Fällen schaden.

Teile von Terre des Femmes lehnen Verbot von Konversionstherapien ab

Dennoch lehnen Teile der Frauenrechtsorganisation den Schritt ab:  Sie schreiben, dass sie es zwar guthießen, sogenannte „Konversionstherapien“ im Bezug auf die sexuelle Orientierung zu verbieten, aber dafür plädierten, „den Zusatz ‚Geschlechtsidentität‘ aus dem Gesetzentwurf ersatzlos zu streichen“.

Der Vorwurf: Eltern, Pädagog*innen und Psychotherapeut*innen, die die Geschlechtsidentität der Kinder und Jugendlichen versuchten zu „unterdrücken“ oder „verändern“, würden zu Unrecht kriminalisiert. Begründet wird das damit, dass es „keine naturwissenschaftlichen Belege“ dafür gebe, in einem „‘falschen‘ Körper geboren zu sein“.

Im weiteren Verlauf des Briefes wird die Geschlechtsidentität sogar als „fragwürdiges Konzept“ bezeichnet und damit verglichen, dass Kinder sich ebenso als Prinzessin oder Drache oder Klassenclown identifizieren könnten.

Dieser Vergleich ist nicht nur transfeindlich, sondern auch inhaltlich höchst fragwürdig: „In dem Brief werden Studien zitiert, die unter Expert*innen längst unter Verruf stehen“, sagt Franka.

Es wird mit widersprüchlichen Studien argumentiert

Zum Beispiel wird mit einer Studie argumentiert, aus der hervorgeht, dass 88 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die sich als trans identifizieren, irgendwann feststellen, dass sie nicht trans sind. „Diese Studie ist höchst widersprüchlich und wurde in der Vergangenheit immer wieder von Expert*innen kritisiert“, sagt die Aktivistin.

In dem Brief argumentieren die Unterzeichner*innen außerdem, dass es im Jahr 2017 laut Bundesregierung keine aktenkundigen Fälle sogenannter „Konversionstherapien“ gab und ein Gesetz damit hinfällig sei.  In diesen offiziellen Zahlen finden jedoch Dunkelziffern keinerlei Beachtung: „Fälle wie ich tauchen darin nicht auf, umso wichtiger erscheint ein einheitliches Verbot“, sagt Franka.

Fragwürdige Quellen

Auch die Quellen, auf die sich die Unterzeichner*innen stützen, sind kritisch einzuordnen: So befindet sich unter ihnen die Britin Kathleen Stock, die sich 2004 gegen das Gesetz zur gesetzlichen Änderung des Geschlechts in Großbritannien aussprach. Und auch Ray Blanchard, der in der Vergangenheit immer wieder durch pathologisierende Äußerungen gegenüber trans Menschen auffiel, taucht in den Quellen auf. 

Im weiteren Verlauf des Briefes wird behauptet, dass Transitionen gesellschaftliche Rollenklischees zementierten. Dass in allererster Linie ein zweigeschlechtliches Gesellschaftsverständnis traditionelle Rollenbilder aufrechterhält, wird nicht erwähnt.

"Für mich war das Verbot ein Meilenstein"

Außerdem argumentieren die Unterzeichner*innen, dass das Gesetz zum Verbot sogenannter „Konversionstherapien“ Kinder beziehungsweise Jugendliche in ihrer freien Entfaltung einschränke. Diese Argumentation wird der Lebensrealität vieler queerer Menschen, die auf gesetzlichen Schutz angewiesen sind, nicht im Ansatz gerecht: „Für mich und viele andere queere Menschen ist das Gesetz, das verabschiedet wurde und vor Konversiontherapien schützt, ein Meilenstein und einer der wichtigsten Fortschritte der queeren Community innerhalb der letzten zehn Jahre“, sagt Franka.

Aus diesem Grund fordern sie und weitere Aktivist*innen von Voices4Berlin eine öffentliche Distanzierung und Entschuldigung von Terre des Femmes sowie arbeitsrechtliche Konsequenzen für die Unterzeichner*innen.

Davon ist die Organisation allerdings noch weit entfernt: In einer Stellungnahme betont sie lediglich, dass es sich nicht um eine offizielle Position von Terre des Femmes handle, sondern der Brief von zwei Vorstandsfrauen als Privatpersonen unterzeichnet worden sei ( hier die Stellungnahme im Wortlaut). 

Was ist die Mehrheitsmeinung bei Terre des Femmes?

„Terre des Femmes ist aktuell noch im Gespräch, deshalb gibt es bisher keine eindeutige Positionierung zu dem Thema Transgender“, sagt Geschäftsführerin Christa Stolle am Telefon. Voraussichtlich vertrete die Gruppe, die den Brief initiiert habe, nicht die Mehrheitsmeinung des Vereins.

Eine konkrete Abstimmung zu „Transgender, Mädchenschutz und Frauenrechte“ gebe es allerdings erst im September bei der jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung. „Es gibt in unserem Verein eine Gruppe, die diesen Brief verfasst hat, weil sie sich als Frauenrechtler*innen angegriffen fühlen und Angst um ihre Frauenräume haben“, sagt Stolle.

"Alles andere ist für mich kein Feminismus"

Diese Gruppe beschränkt sich nicht auf die Vorsitzenden Inge Bell und Godula Kosack. Mehr als die Hälfte der Unterzeichner*innen des offenen Briefes sind aktiv bei Terre des Femmes, darunter Stefanie Bode, Ingeborg Kraus, Margot Kreuzer, Silvia Reckermann und Simone Kleinert. 

Umso wichtiger erscheint für Franka eine klare Gegenpositionierung: „Feminismus ist von Grund auf ein inklusives Konzept und eine Bewegung, die für Menschen einsteht, die Diskriminierung erfahren." Dazu gehöre auch, sich von einem zweigeschlechtlichen Gesellschaftsmodell zu lösen und anzuerkennen, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe.

Neben Terre des Femmes müssten weitere feministische Organisationen kritisch hinterfragt werden: „Ich würde mir wünschen, dass geschaut wird, inwiefern diese Gruppen intersektionale Diskriminierungsformen sichtbar machen und z.B. People of Color, trans Frauen und nicht-binäre Menschen miteinbeziehen. Alles andere ist für mich kein Feminismus.“

Inga Hofmann

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