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Der französische Komödien-Hit "Die glitzernden Garnelen".

© Salzgeber

Queerfilmfestival: Unsere wilden Nächte

Das neue Queerfilmfestival zeigt im Kino Delphi Lux die Vielfalt des schwul-lesbischen Kinos. Eine Programmvorschau.

Berlin ist mit rund 50 Filmfestivals gesegnet. Seltsamerweise befindet sich darunter bisher kaum Queeres. Zwar liegt beim Xposed stets ein Focus auf dem Thema, doch ist man dort vor allem auf experimentelle, künstlerisch anspruchsvolle Werke sowie Kurzfilme spezialisiert. Und das im vergangenen Dezember gegründete Berlin Lesbian Non-Binary Festival lässt Schwule außen vor.

Es gibt in der Regenbogenhauptstadt also durchaus noch Luft nach oben, zumal die Zahl der queeren Produktionen weiter wächst. Da bleibt auch abseits der Berlinale und ihres Teddy Awards noch einiges zu entdecken. Einen Einblick in die Vielfalt des aktuellen queeren Kinos gibt ab von Mittwoch bis Sonntag (28.8.-1.9.) das neu gegründete Queerfilmfestival. Federführend ist dabei die Berliner Verleihfirma Salzgeber, die auf queere Filme spezialisiert ist.

In dem teils zeitgleich in München und Stuttgart gezeigten Programm mit 18 Berlin-Premieren herrscht zwar ein gewisser Männer- Überhang. Allerdings sind auch einige hochwertige Produktionen mit lesbischen Protagonistinnen zu sehen. Etwa die Bestseller-Adaption „Der Honiggarten“ von Annabel Jankel („D.O.A.“), die 1952 in einer kleinen schottischen Ortschaft spielt. Dort verlieben sich eine junge Fabrikarbeiterin, die einen Sohn hat, und eine Ärztin ineinander. Als sich ihre Beziehung herumspricht, werden die Frauen zunehmenden angefeindet.

Effektiver in Sachen Geheimhaltung waren Emily Dickinson (1830–1886) und ihre Geliebte Susan Gilbert. Die New Yorker Regisseurin Madeleine Olnek zeichnet die häufig als mysteriös beschriebene Dichterin in ihrem vergnüglichen Spielfilm „Wild Nights with Emily“ als resolute und leicht schrullige Person, die ihrer Partnerin, die zugleich ihre Schwägerin war, immer wieder leidenschaftliche Zeilen widmete. Olnek zitiert viel aus den für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen, weil in freier Form gehaltenen, Gedichten. Außerdem ist zu sehen, wie Dickinsons posthume Verlegerin deren an Susan Gilbert gerichteten Briefe umadressiert, und zwar an Männer, und mit dem Radiergummi darin herumpfuscht.

Eröffnet wird das Queerfilmfestival mit einem absoluten Highlight: „Als wir tanzten“ des schwedischen Regisseurs Levan Akin hatte seine Premiere in Cannes und erzählt auf berührende Weise von Merab, der aus einer Tifliser Tänzerfamilie stammt. Genau wie sein Bruder möchte er ins Hauptensemble des Nationalballetts aufgenommen werden.

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Jeden Tag trainiert er hart, anschließend geht er noch kellnern, um seine Familie zu unterstützen. Als ein neuer Tänzer zu seiner Gruppe stößt, fühlt sich Merab von ihm angezogen, obwohl sie Konkurrenten sind. Akin setzt ihre Annäherung mit viel Geduld, tollen Tanzszenen und einem liebevollen Blick in Szene. In Levan Gelbakhiani hat er zudem einen großartigen Hauptdarsteller, der sowohl die kraftvoll-dynamischen Choreografien des traditionellen georgischen Tanzes als auch die verletzlichen Momente seiner Figur eindrucksvoll zu spielen vermag.

Jean (Anna Paquin) und Lydia (Holliday-Grainger) in "Der Honiggarten".
Jean (Anna Paquin) und Lydia (Holliday-Grainger) in "Der Honiggarten".

© Capelight

Das Coming-of-Age-Genre ist beim Queerfilmfestival auch sonst stark vertreten, etwa durch das in Hamburg spielende Drama „Bonnie & Bonnie“, den kanadischen Highschool-Film „Giant Little Ones“ und das mexikanische Drama „This is not Berlin“, das in der queeren Underground-Kulturszene einer Provinzstadt zur Zeit der Fußball-WM von 1986 angesiedelt ist. Einen humorvollen Kontrapunkt zu diesen eher ernsten Werken setzt „Die glitzernden Garnelen“ von Cédric Le Gallo und Maxime Govare. Die Regisseure wenden das ungebrochen populäre Schema der französischen Culture-Clash-Komödie auf ein schwules Wasserball-Team an: Weil ein erfolgreicher Schwimmer mit einem homophoben Kommentar aufgefallen ist, verdonnert der Verband ihn dazu die „Glitzernden Garnelen“ zu trainieren. Bis die schillernde Mannschaft und der glatzköpfige Macho zu den Gay Games nach Kroatien fahren, gilt es für beide Seiten einiges zu lernen.

Der einzige Festivalfilm mit einer trans Person im Zentrum findet sich unter den fünf Dokumentationen. Thomas Ladenburger begleitet in „Ich bin Anastasia“ die Transition von Oberstleutnant Anastasia Biefang und ihren Dienstantritt als Kommandeurin. Ein weiteres beeindruckendes Langzeitpoträt ist „Jonathan Agassi Saved My Life“ (ab 18 ). Tomer Heymann gelingt ein äußerst intimer Einblick in das Leben eines israelischen Pornostars. Er beobachtet Agassi sowohl beim Sex als auch beim Shoppen und beim Skypen mit seiner Mutter. Als der aufgeweckte junge Mann in Berlin, wo er damals lebt, nach langer Zeit seinen Vater wiedertrifft, gerät er in eine schwere Krise. Wie es mit Agassi weiterging, kann man ihn selbst fragen. Er gehört zu den zahlreichen Gästen des Festivals.

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