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Nora (Lena Urzendowsky) und Romy (Jella Haase) in "Kokon".

© Salzgeber

Queerer Jugendfilm „Kokon“: Das Einhorn vom Kottbusser Tor

In Leonie Krippendorffs einfühlsamen Coming-of-Age-Film „Kokon“ verliebt sich eine Jugendliche aus Kreuzberg in ein Mädchen aus ihrer Schule.

Das hat ihr gerade noch gefehlt: Im Sportunterricht bekommt Nora (Lena Urzendowsky) zum ersten Mal ihre Tage. Alle sehen es, weil sie gerade auf einem Balken balanciert. Die Hose blutig, die Scham riesig.

In der Toilette rubbelt Nora verzweifelt mit Klopapier in ihrer Unterhose herum. Dass sie am linken Arm einen Gips trägt, macht die Sache nicht einfacher. Da klopft es plötzlich an der Tür. Es ist Romy, die Neue. „Gib mal deine Hose, ich wasch die aus“, sagt sie und lächelt ganz kurz.

Der Ton unter den Jugendlichen ist rau

Romy (Jella Haase) ist wie eine Erscheinung für die 14-jährige Nora. Ein gleißender Lichtstrahl, heller als alles andere in diesem superheißen Sommer in Berlin- Kreuzberg, in dem Nora die meiste Zeit mit ihrer älteren Schwester Jule (Lena Klenke) und deren bester Freundin Aylin (Elina Vildanova) abhängt.

Ihr Revier ist rund ums Kottbusser Tor, wo die Schwestern in einem der großen Wohnblöcke leben. Die Mutter schaut nur gelegentlich vorbei, meist hockt sie in der Kneipe. Während Jule und Aylin ständig über Jungs oder ihr Aussehen reden, spricht Nora nur wenig. Ihre besten Freunde sind die Raupen, die sie in Gläsern neben ihrem Bett züchtet.

Wie sich die Jugendliche nun selbst in Richtung Schmetterling entwickelt, erzählt Regisseurin Leonie Krippendorff, die auch das Drehbuch schrieb, in ihrem zweiten Spielfilm „Kokon“ mit einer stimmigen Mischung aus Sozialrealismus und poetischen Sommerbildern. Hinzu kommen Aufnahmen aus Noras Videotagebuch.

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Der Ton unter den Jugendlichen ist scherzhaft bis rau, niemand will peinlich oder „schwul“ wirken. Klar, dass Nora hier mit niemandem darüber spricht, dass sie „Mädchen manchmal so schön“ findet.

Bei der Lehrerin, der sie davon erzählt, trifft sie allerdings auch auf Ignoranz: In ein paar Monaten könne das schon wieder alles ganz anders aussehen, glaubt die.

Dass sie damit wohl unrecht hat, wird klar, als Nora und Romy sich allmählich näherkommen. Während die beiden das erste Mal Sex haben, was Krippendorff nur zart andeutet, weitet sich das Bild vom fast quadratischen 5:4- ins breite 16:9-Format.

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Wie ein Mädchen eine neue queere Perspektive entdeckt, hat ähnlich undramatisch zuletzt auch der österreichische Coming-of-Age-Film „Siebzehn“ gezeigt. Nora sieht man die Verwandlung an. So geht sie einmal als Einhorn verkleidet auf eine Party, trägt später eine neue Frisur. Und aus ihren Raupen werden prachtvolle Schmetterlinge.
Freiluftkino Friedrichshain, 10. August., 21 Uhr: Eröffnung Berlinale Sommer; ab 13. August in sieben Berliner Kinos

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