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Die Schweizerinnen Nicole und Janina bereiten sich auf die Stiefkind-Adoption vor.

© ZDF und SRF

Queerer 3sat-Abend: Sprung vom Zehner

3sat zeigt zwei Dokumentationen zur Situation von queeren Menschen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.

„Ich habe mir jeden Tag gewünscht, hetero zu sein“, sagt Pascal Pajic. Als er mit zwölf Jahren verstand, dass er schwul ist, begriff er gleichzeitig, dass das nicht sein darf.

Deshalb begann er die Rolle des „Hetero-Pascal“ zu spielen, achtete akribisch auf seine Sprache, seine Bewegungen und Interessen. „Ich habe mich selber abgrundtief gehasst“, erinnert sich der Medizinstudent aus Bern in der 3sat-Dokumentation „Hass gegen LGBTQ – Von Diskriminierung und Widerstand“.

Die Co-Mutter hat ein Jahr lang keinerlei Rechte

Der Prozess, den Pascal durchgemacht hat, heißt Verinnerlichung von Homofeindlichkeit. Weil sein Umfeld Schwule extrem negativ bewertete, übernahm er diese Einstellung. Da wieder rauszukommen, ist eine schwierige Aufgabe. Noch härter hat es Lenny, 21, getroffen. Die nonbinäre Person, wurde von mehreren Betrunkenen erst angepöbelt und dann verprügelt. Durch einen Schlag mit einer Flasche verlor Lenny auf einem Ohr das Gehör und leidet seither unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Béla Batthyany und Barbara Frauchiger zeigen in ihrem sehenswerten 90minütigen Film die vielen Facetten von Diskriminierung, die queere Menschen in der Schweiz immer noch erleben. Einige Male kommen ihren Interviewpartner*innen deshalb auch die Tränen. Nicole und Janine erwarten zusammen ein Kind, doch weil die Co-Mutter frühestens nach einem Jahr eine Stiefkind-Adoption durchführen kann, hat sie vorher keinerlei Rechte.

Als die beiden darüber sprechen, was mit dem Baby passieren würde, wenn die leibliche Mutter bei der Geburt sterben würde, werden beide von Emotionen überwältigt. Es wird dann alles gut gehen, doch bis Nicole offiziell als Elternteil ihrer Zwillinge gilt, ist es noch ein langer Weg.

[3sat, 9. Juni, ab 20 Uhr 15]

Am selben Abend zeigt 3sat die Dokumentation „Mein Körper, meine Liebe – Lesben, Schwule, Transgender“, die neben der Schweiz auch nach Österreich und Deutschland schaut. Wobei Volker Wasmuth und Patrick Zeilhofer eindeutig zu viel in ihren 45-minütigen Film gepackt haben.

Sie thematisieren Homophobie im Fußball, streifen die ActOut-Aktion von 185 Schauspieler*innen, befragen Experten und porträtieren einige Schwule, Lesben sowie eine trans Frau. Das wirkt sprunghaft und ist auf der Textebene wiederholt unsensibel bis ungenau. Wer etwa von „sexueller Neigung“ spricht, statt von Orientierung, hängt vokabularmäßig einige Jahrzehnte hinterher. Dass beim mittlerweile abgeschafften Paragrafen 175 behauptet wird, er habe Homosexualität unter Strafe gestellt, stimmt nur zur Hälfe, denn Lesben waren davon ausgenommen.

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Ärgerlich auch, dass völlig grundlos mehrmals der alte Name der Grünen-Politikerin Tessa Ganserer erwähnt wird, die als erste trans Frau in den Bundestag einziehen will. Nicht umsonst möchte sie ja auch keine alten Bilder von sich in der Doku zeigen. Was die Filmemacher jedoch eindrucksvoll verdeutlichen, ist, wie viel Überwindung ein Coming Out – ob als lesbisch, schwul oder trans – immer noch bedeutet.

So erzählt die 18-jährige Helen, die in einem 12 000-Seelen-Ort aufgewachsen ist, von dem Versteckspiel, das sie veranstaltete, als sie zum ersten Mal eine Freundin hatte. Tessa Ganserer sagt: „Ich habe immer wieder gehofft, Ich werde das wieder los.“ Auch der österreichische Polizist Dominique verheimlichte seinen Kolleg*innen, dass er schwul ist und erfand sogar eine Freundin.

Mit einem Sprung vom Zehn-Meter-Brett vergleicht der Berliner Autor Johannes Kram das Coming Out deshalb einmal. Man frage sich: „Ist da Wasser, das mich trägt?“ Die Protagonist*innen der beiden Dokus haben den Sprung gewagt – und allen ging es danach besser als vorher. Eine ermutigende Botschaft zum Beginn der Pride-Saison.

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