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Screenshot aus dem Spiel "Butterfly Soup" entwickelt von Brianna Lei.

© Schwules Museum.

Queere Videospiele: Anders spielen

Das Schwule Museum widmet sich mit der Ausstelung „Rainbow Arcade“ der queeren Videogame-Geschichte von 1985 bis 2018.

Es ist ein ambitioniertes Projekt: Die Geschichte der Videospiele aus queerer Sicht erzählen. Den Figuren, den Geschichten und den Menschen hinter den Spielen einen Raum und eine Sichtbarkeit geben, die ihnen sonst oft verwehrt bleibt. Das Schwule Museum hat diesen Raum nun eröffnet in der Ausstellung „Rainbow Arcade“. Hier werden Videospiele abseits des heterosexuellen Mainstreams betrachtet. Über 100 Ausstellungsstücke aus 30 Jahren Videospiel-Geschichte werden gezeigt und erklärt.

Deutschland war für Videospiele lange ein hartes Pflaster, wurden sie von den Medien doch meist nur als potenzielle Jugendverderber und Gewaltverherrlicher gesehen. Dass sich auch kulturelle und gesellschaftliche Diskurse in Videospielen spiegeln und diese wiederum beeinflussen, ist erst seit einigen Jahren Teil akademischer und öffentlicher Betrachtungen. Daher ist es beachtenswert, dass nun einer Subkultur in der Subkultur – Queerness in Videospielen – eine Ausstellung gewidmet wird.

Zunächst können die Besucherinnen und Besucher an einzelnen Beispielen nachlesen, wie queere Charaktere in Videospielen verhandelt wurden. Die Frage, welcher der erste Trans-Charakter gewesen sein mag, lässt sich etwa gar nicht so einfach beantworten – wurden zur Genderidentität doch oft nur vage Andeutungen gemacht. Dass Queerness gerade in der Frühzeit der Ausdifferenzierung des Mediums als „anders“ und negativ dargestellt wurde – oft in Form effeminierter Männer – gehört dabei ebenso zu dieser Chronologie wie die vielen Videospiele, die heute diverse Geschlechts- und Sexualitätsformen zeigen.

Der Indie-Sektor gibt Impulse für mehr Diversität

Neben den Figuren und Geschichten in Videospielen widmet sich die Ausstellung auch den Menschen hinter den Videospielen. Sie werden in zwei Gruppen aufgeteilt: Entwickler aus dem sogenannten AAA-Bereich, wo Millionen für Videospiele ausgegeben werden, die auf den Massenmarkt abzielen und weltweit mit großen Werbekampagnen vertrieben werden sowie auf der anderen Seite die Indie-Entwickler, die kleinere Spiele herstellen und oft keinen finanzstarken Vertrieb im Rücken haben.

Vor allem aus dem Indie-Sektor kommen die Impulse, mehr Diversität zuzulassen. Da, wo weniger der Profit und mehr der künstlerische Ausdruck im Mittelpunkt steht, hatte auch Queerness ihren Platz. Entwickler wie Robert Yang erfinden Spiele, die oft einen politischen Ansatz haben und die Spieler mit queerer Sexualität konfrontieren – in einem AAA-Spiel bis heute undenkbar.

Zu einer queeren Geschichte der Videospiele gehört auch die aggressive Reaktion von Spielern auf queere Inhalte und die Menschen, die an ihnen arbeiten. Die Beleidigungen in Online-Spielen ebenso wie die Todesdrohungen, die etwa die feministische Medienkritikerin und Bloggerin Anita Sarkeesian erhalten hat. Sie hatte sich in einer YouTube-Serie mit Frauen in Videospielen auseinandergesetzt. An einer Wand der Ausstellung sind hasserfüllte Tweets zu sehen, die Sarkeesian geschickt wurden. Ausgedruckt hängen diese übereinander und erstrecken sich bis zur Decke – eine bedrückend-eindrückliche Station von „Rainbow Arcade“. Hier funktioniert auch, was sonst ein Nachteil der Ausstellung ist, vermittelt sie ihr Wissen doch fast ausschließlich über Text. Es gibt wenige Spielstationen, die mehr wie eine Ergänzung zu den vielen Texten wirken als umgekehrt. Das interaktivste Medium wird erfahrbar gemacht durch Schrift. Dabei stehen die vielen Themen oftmals verbindungslos nebeneinander.

Viele aufgeladene Themen werden nur angerissen

Anstatt sich auf einige exemplarische Aspekte der queeren Videospiel-Geschichte zu konzentrieren, wurde versucht, alles in diese Ausstellung zu pressen. Deshalb steht dann auch eine knappe Text-Tafel über die Arbeitsbedingungen queerer Menschen neben einer viel zu knappen Abhandlung über Sex und Gender in Japan und gleichgeschlechtlichen Liebespaaren in einem westlichen Videospiel. Alles unglaublich aufgeladene Themen, die nur angerissen werden, außerhalb jedes Kontexts stehen.

Eine Prämisse der Ausstellung ist, dass es Queerness in der Videospiel-Kultur schon immer gegeben habe. Das mag stimmen, aber auch hier: kein Kontext. Was genau ist denn Videospiel-Kultur? Und wie hat sich diese über die Jahrzehnte entwickelt? Ist damit nur die Videospiel-Industrie gemeint? Und was ist mit der Kultur, die sich um Videospiele entwickelt und dann wahnsinnig diversifiziert hat? Hinzu kommt, dass die deutsche Sicht auf diese Geschichte gar nicht behandelt wird. So wird die Ausstellung ihrem ambitionierten Anspruch am Ende kaum gerecht.

Schwules Museum, bis 13. Mai, Mo, Mi, Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, 31.12. geschlossen, Neujahr 14–18 Uhr

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