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Naama (Sivan Noam Shimon) und Dana (Hadas Jade Sakori) in "Barash".

© Salzgeber

Queere Filme: Politik der Liebe

Zwei sehenswerte queere Filme aus Israel: "Barash" über eine junge Frau, die sich in ihre Mitschülerin verliebt, und die Dokumentation "Oriented" über drei schwule Palästinenser.

Ein Tattoo auf dem Oberarm, die langen Haare blondiert und über dem linken Ohr ausrasiert - die Neue ist cool. Sie heißt Dana (Hadas Jade Sakori). Auf dem Schulhof schaut die Clique von Naama (Sivan Noam Shimon) mit einer Mischung aus Bewunderung und Abschätzigkeit zu ihr rüber. Doch es dauert nicht lange, bis sie sich mit ihr anfreunden, zusammen feiern, kiffen, trinken.

Die 17-jährige Naama Barash ist am meisten von der Neuen fasziniert. Aus ihrer Sicht erzählt Regisseurin Michal Vinik in ihrem Debütspielfilm „Barash“, für den sie auch das Drehbuch schrieb, eine berührende Coming-of-Age-Geschichte im heutigen Israel. Angesiedelt in einer kleinen Stadt außerhalb von Tel Aviv wird die Protagonistin vor allem im Kontext ihrer  Familie charakterisiert - deren Name ist nicht zufällig der Filmtitel

Naama hat noch einen jüngeren Bruder und eine ältere Schwester, die gerade ihren Militärdienst leistet. Als die Eltern sie mehrere Tage nicht erreichen können, werden sie zunehmend panisch, wobei sie ihren Vorurteilen gegenüber Palästinensern freien Lauf lassen.

Überwältigt von der ersten großen Liebe

Die in die Suche einbezogene Naama macht sich keine so großen Sorgen, schließlich hat sie lange genug mit der zwei Jahre älteren Liora (Bar Ben Vakil) ein Zimmer geteilt. Und ähnlich wie diese beginnt Naama nun eigene, von der Familie so nicht vorgesehene Wege in der Liebe zu gehen. Sie verliebt sich in Dana, die im Gegensatz zu ihr schon Erfahrung mit Frauen hat.

Die Überwältigung der ersten großen Liebe - Naama-Darstellerin Sivan Noam Shimon spielt sie halb verzückt, halb draufgängerisch und stets glaubhaft. Als sie nach dem ersten Sex mit Dana eine Straße entlanggeht, scheinen ihre weit aufgerissenen Augen sowohl den gerade erlebten Glückschock zu spiegeln als auch ihre große Lust eine ganz neue Welt zu entdecken.

Während ihre Gefühlswelt plastisch und nachvollziehbar ist, bleibt Dana skizzenhaft und mysteriös. Man erfährt fast nichts von ihr. Und bevor sie mehr von ihrer Familie erzählt - die nie zu sehen ist -, küsst sie Naama lieber zum ersten Mal.

Die Stärken von „Barash“ sind die erzählerische Beiläufigkeit und die Alltagsnähe. Das Thema Coming Out wird weder überdramatisiert noch banalisiert, was den in sonnendurchfluteten Bildern inszenierten Film zu einer echten Bereicherung in diesem überstrapazierten Genre macht. Viniks Werk kann bestehen neben „All Over Me“, „My Summer of Love“ oder „Pariah“ - und hat einen eigenen überzeugenden Blick auf die Süße und den Schmerz der ersten Liebe.

„Barash“, Israel 2016, 81 Min., R: Michal Vinik, D: Sivan Noam Shimon, Hadas Jade Sakori. Erhältlich als DVD von Salzgeber.

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Fadi ist verzweifelt. „Ich bin verliebt in den Feind“. Mit Tränen in den Augen erzählt er einer Freundin, dass er einen Juden liebt, einen Zionisten. Und das ihm, dem linken Palästinenser, der einmal gesagt hat, dass er sich eine Beziehung mit einem jüdischen Mann niemals vorstellen könne.

Sein guter Freund Khader ist da nicht so streng, er lebt schon länger mit David zusammen. Sie wohnen mit ihrem Hund in Jaffa, bei Tel Aviv. Ein weiterer gemeinsamer Freund ist Naeem. Er hat in Jaffa eine Krankenpfleger-Ausbildung gemacht. Jetzt möchte seine Familie, dass er zurück zu ihnen ins Dorf zieht. Doch er will seine Freiheit nicht verlieren. Dass er schwul ist, hat er ihnen nie gesagt. Jetzt denkt er ernsthaft darüber nach.

Regie führte ein heterosexueller Jude

Drei junge palästinensische Schwule mit israelischem Pass stehen im Zentrum der Dokumentation „Oriented“ von Jake Witzenfeld, einem heterosexuellen jüdischen Regisseur. Er begleitet die drei in ihrem Alltag, beim Feiern und ihren politischen Aktionen. So gründen sie mit einigen Freund*innen eine Gruppe, die Internet-Videos dreht, in denen es um ihre queere Identität geht sowie die Vertreibung der Palästinenser 1948 bei der Gründung Israels.

Fadi, Khader und Naeem auf dem Plakat von "Oriented".
Fadi, Khader und Naeem auf dem Plakat von "Oriented".

© Promo

Als Schwule und als Palästinenser sind sie in Israel in einer doppelten Minderheitenposition, was Khader und David in einem scherzhaften Streitgespräch thematisieren. Doch dass die Politik ihr Privatleben berührt, lässt sich nicht vermeiden.

In Berlin nehmen die Freunde eine Auszeit von ihrer Heimat

So ist das Paar zwei Mal in seinem Wohnzimmer zu sehen, beide Male läuft eine Nachrichtensendung - einmal sind die Opfer jüdisch, einmal palästinensisch. Die Männer kommentieren das nicht, aber als David vorschlägt, für einige Monate nach Berlin zu gehen, ist klar, dass er vor allem der aufgeheizten Situation in Israel entkommen will. Gerade - es ist Sommer 2014 - beginnt der jüngste Gazakrieg.

Berlin wird für das Trio tatsächlich zu einer kurzen Auszeit. Khader überlegt sogar, mit David auszuwandern. Letztlich sitzt er doch wieder mit Nadeem und Fadi auf dem Sofa und debattiert über die Zustände in ihrer Heimat, die für sie mit so vielen ambivalenten Gefühlen verbunden ist. In Witzenfelds langer, ruhiger Beobachtung ist so ein sehr sehenswerter Film entstanden, der hinter das Klischee von Tel Aviv als queerem Paradies blickt.
„Oriented“, Israel 2015, 86 Min., R: Jake Witzenfeld. Als Stream/Download u.a. bei Netflix, Amazon, iTunes oder hier.

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