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"Brown Bomber and the Diva", einer der ersten queeren Superelden.

© Archiv Schwules Museum*

Queere Comic-Helden im Schwulen Museum Berlin: Superdyke und Superqueeroes

Wunderbares Wimmelbild: die Ausstellung „Superqueeroes – Unsere LGBTI*-Comic-Held_innen“ im Schwulen Museum Berlin ist die erste in Deutschland zu queeren Superhelden.

Ein schöner Sommertag im New Yorker Central Park. Perfekt für eine Hochzeit. Doch die hier ist eine ganz besondere Zeremonie. Man sieht es schon daran, dass einige Gäste bunte Kostüme und Capes tragen. Ja, hier heiratet ein außergewöhnliches Paar: Bräutigam Jean-Paul Beaubier ist besser bekannt unter seinem Superheldennamen Northstar – und schwul. Heute heiratet er seinen langjährigen Partner Kyle Jinadu. Ihr Hochzeitstag ist der 20. Juni 2012, der Tag an dem der Marvel-Band „Astonishing X-Men #51“ erschien. Ein historisches Datum, denn es zeigt – drei Jahre vor der landesweiten Legalisierung der Homo-Ehe in den USA – die erste gleichgeschlechtliche Hochzeit eines Superhelden.

Die Heftseiten mit der Vermählungsfeier dürfen natürlich nicht fehlen in der ersten deutschen Ausstellung zum Thema queere Superhelden, die derzeit unter dem Titel „Superqueeroes – Unsere LGBTI*-Comic-Held_innen“ im Schwulen Museum zu sehen ist. Die Wand, an der die Hochzeits-Panels aufgehängt sind, illustriert allerdings auch, dass Marvel nicht immer so progressiv war. Noch in den achtziger Jahren lautete eine der Verlagsrichlinien „No gays in the Marvel Universe“.

Davon rückt das Haus schließlich 1992 ab, als Northstar in der Folge „Alpha Flight #106“ sein Coming-out hat, er adoptiert sogar ein aidskrankes Mädchen und setzt sich für Prävention ein. Auch wenn Northstar dann noch zwanzig Jahre warten muss, bis er heiraten darf – dies war der „Urknall“ des queeren Superhelden-Wesens.

Inzwischen hat Northstar queere Gesellschaft bekommen – auch Marvel-Konkurrent DC zog nach. So hatte Batwoman eine Beziehung zu einer Polizistin und Wonder Woman führte die Trauung von zwei Frauen im Central Park durch (offenbar ein Homoehe-Hotspot). Außerdem outete sich letztes Jahr X-Man Iceman als schwul. Und Green Lantern steht ebenfalls auf Männer – allerdings nur in einer Parallelwelt. Was offenbar ein Zugeständnis an die konservative Leserschaft von Superhelden-Comics ist.

Die US-Comic-Branche einigte sich auf einen Moral-Code

Dass die Protagonisten-Schar lange wenig divers war, hatte jedoch auch noch andere Gründe, wie die von einem siebenköpfigen Team kuratierte Ausstellung verdeutlicht: 1954 einigten sich die amerikanischen Verlage auf den sogenannten „Comics Code“, mit dem sie sich verpflichteten, nur moralisch tadellose Geschichten zu publizieren. Das bedeutete nicht nur, dass Nacktheit und vulgäre Sprache aus den Heften verbannt wurden, sondern auch Homosexualität. Diese Selbstverpflichtung der Branche war eine Reaktion auf das Buch „Seduction of the Innocent“ des Psychiaters Fredric Wertham, der Comics als jugendgefährdend gebrandmarkt hatte.

Wie sehr die junge Kunstform damals von Moralwächtern angefeindet wurde, zeigt eine USA-Karte, auf der Comic- Verbrennungen zwischen 1944 und 1955 verzeichnet sind. Dicht an dicht reihen sich die Feuerstellen. In Deutschland fanden in den Fünfzigern ebenfalls Comic-Verbrennungen statt. Zudem gab es „Schmutz- und Schund“-Kampagnen des Katholischen Volkswartbundes.

Originalzeichungen von Stars wie Ralf König und Alison Bechdel

Die kroatische Zeichnerin Helena Janečić lässt ihre eigenen Superheldin Horny Dyke (2. v. r.) auf Wonderwoman treffen.
Die kroatische Zeichnerin Helena Janečić lässt ihre eigenen Superheldin Horny Dyke (2. v. r.) auf Wonderwoman treffen.

© 2011 Helena Janecic

Aufgrund dieses feindseligen Klimas war der queere Comic jahrzehntelang ein Underground-Phänomen, was die vor allem auf die USA und Europa schauende „Superqueeroes“-Ausstellung mit ihren rund 250 Exponaten sehr gut veranschaulicht.

Auf den knallgelb gestrichenen Wänden, die von schwarzen Linien umrahmt sind, kann man frühe Helden wie den 1979 erstmals auftretenden Brown Bomber oder die 1976 entstandene Superdyke bewundern. Letztere hilft in ihrem ersten Abenteuer beim Möbelrücken und erobert die Handtasche einer alten Frau von einem Dieb zurück. Die 1953 in L.A. geborene Zeichnerin Roberta Gregory brachte den Comic – wie viele ihrer damaligen Kolleginnen und Kollegen – im Selbstverlag heraus. Do it yourself mit Fotokopierer und Hefter.

Das Magazin "Gay Comix" war lange das Rückgrat der amerikanischen Szene

Mit der Figur Bitchy Butch (world’s angriest dyke) schuf Gregory zudem eine Kultfigur, deren Wutausbrüche unter anderem in dem zwischen 1980 und 1998 erscheinenden Magazin „Gay Comix“ publiziert wurden. Einige Exemplare dieses „Rückgrates der LGBTI*-Comicszene“ sind in der Ausstellung zu sehen, die tatsächlich alle in der Abkürzung vertretenen Gruppen repräsentiert. Viele wichtige US-Zeichner haben in den „Gay Comix“ ihre frühen Zeichnungen veröffentlicht. So etwa Howard Curse, von dem zwei Originalblätter in der Ausstellung zu sehen sind. Eines davon stammt aus seinem Graphic-Novel-Meisterwerk „Stuck Rubber Baby“ von 1995, in dem er die Selbstfindung eines jungen Schwulen während des Beginns der Bürgerrechtsbewegung in den USA darstellt.

Curse haben die Kuratoren in den Ausstellungsteil „Autor_innen als Superhelden_innen“ eingeordnet. Genau wie Alison Bechdel, die mit ihrer Serie „Dykes to watch out for“ bekannt wurde und mit ihrer biografischen Graphic Novel „Fun Home“ sogar einen in viele Sprachen übersetzten Bestseller landete. Das war genau wie beim heute gefeierten Curse zu Beginn ihrer Karriere keineswegs absehbar. Wer sich in den achtziger und neunziger Jahren für queere Themen entschied, schloss damit eine Mainstream-Karriere aus und nahm das Risiko von Anfeindungen auf sich – durchaus heldenhaft.

Die Ausstellung in nur einem Raum ist prall gefüllt mit Bildern und Texten

In Deutschland hat Ralf König einen ähnlichen Status. Er ist unter anderem mit einer Originalzeichnung seines legendären Paars Konrad und Paul in der Ausstellung vertreten, die aber auch die Szene jenseits des Kölner Stars beleuchtet. Von lesbischen Pionierinnen wie Katrin Kremmler bis hin zu Thilo Krapp alias tiló, dessen schwulem Abenteuercomic „Damian & Alexander“ eine schöne Wand gewidmet ist.

Die Ausstellung in nur einem Raum des Museums wirkt wie ein riesiges buntes Wimmelbild. Man kann sich darin regelrecht verlieren. Schade nur, dass das Budget nicht für einen Katalog gereicht hat. So ganz im Mainstream sind die queeren Helden und Heldinnen dann doch noch nicht angekommen.

Schwules Museum, bis 26. Juni, So, Mo, Mi, Fr 14–18 Uhr, Do 14–20, Sa 14–19 Uhr

Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an: queer@tagesspiegel.de.

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