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Protest gegen Homophobie auf dem CSD in Frankfurt/Main.

© picture-alliance/dpa

Queer weiß das (13): Wie erklärt ihr euch Homophobie?

Die Kolumne im Queerspiegel: Heteros fragen, Homos antworten. Heute geht es um das Thema Homophobie und die Ursachen von Homo-Feindlichkeit.

Dass Menschen sich lieben, sollte für ihre Mitmenschen kein Problem sein. Trotzdem gibt es in fast allen Gesellschaften Homophobie. Wie erklärt ihr euch das? Friedrich, Wilmersdorf

Neulich sagte mein Vater, der selbst zwei homosexuelle Kinder hat: „Homophobie ist doch nur noch was für ganz wenige Idioten.“ Dabei gibt es immer wieder Studien, die das Gegenteil belegen. So haben gerade Wissenschaftler der Uni Leipzig ermittelt, dass 40 Prozent der Deutschen finden: „Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen.“ Rund 36 Prozent meinen: „Die Ehe zwischen zwei Frauen oder zwischen zwei Männern sollte nicht erlaubt sein.“ Und fast 25 Prozent halten Homosexualität für „unmoralisch“.

Diese Abwehr kann viele Ursachen haben. Es kann ein angenehmes Machtgefühl auslösen, Minderheiten auszugrenzen – besonders wenn man sich selbst sonst machtlos fühlt. Und je abartiger andere erscheinen, desto normaler darf man sich selbst fühlen.

Besonders vor Gott. Nicht nur fundamentalistische, auch konservative Gläubige aller Richtungen lehnen Homosexualität ab, weil sie angeblich mit den eigenen Glaubenssätzen unvereinbar ist. Darauf berufen sich radikalisierte Einzeltäter, wenn sie Homosexuelle ermorden. Der Täter von Orlando sah sich als Abgesandter der islamistischen Terrororganisation IS. Der ultra-orthodoxe Jude, der vor einem Jahr eine 16-Jährige auf dem Jerusalem Pride erstach und fünf Menschen verletzte, berief sich auf Gott und die israelische Nation.

Furcht kann man vor den eigenen homosexuellen Neigungen haben

Eine Theorie besagt, die Ursache für Homo-Feindlichkeit sei unbewusste Furcht (griechisch: Phobie). Sie dränge zur Flucht – oder dazu, ihren Auslöser zu zerstören, wie der US-amerikanische Psychotherapeut George Weinberg meint, der den Begriff Homophobie 1965 prägte.

Furcht haben kann man zum Beispiel vor eigenen homosexuellen Neigungen. Denn wegen ihrer gesellschaftlichen Tabuisierung fürchtet man, bald selbst zu den Stigmatisierten zu gehören. Anderen macht Angst, dass Homosexualität Gesellschaftsnormen infrage stellt, ohne die man sich unsicher fühlt. Schon durch ihre bloße Existenz bringen Homosexuelle klassische Geschlechterrollen durcheinander – und damit auch die Machtverhältnisse.

Dass Homophobie unter Männern stärker ausgeprägt ist als unter Frauen, stellten unlängst italienische Forscher_innen im „Journal of Sexual Medicine“ fest. Auch neigten Menschen mit ausgeprägtem Psychozitismus besonders zur Homophobie, also Personen, die aggressiv, gefühlskalt, egozentrisch und antisozial sind. Nicht Homosexualität, sondern die Furcht vor ihr geht also mit psychopathologischen Problemen einher.

Folge 12: Warum dürfen Schwule immer noch kein Blut spenden?

Folge 11: Warum soll sich ein schwuler Fußballprofi outen?

Folge 10: Warum sind Homos so scharf aufs Heiraten?

Folge 9: Wie halten es Homos mit der AfD?

Folge 8: Haben Schwule ein besonders Gespür fürs Schöne?

Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!

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