zum Hauptinhalt
Der diesjährige Kiew Pride und seine Polizeieskorte.

© picture alliance / dpa

Queer in der Ukraine: Ihr Land hasst ihre Liebe

In der Ukraine herrscht ein homophobes Gesellschaftsklima. Die LGBT-Community findet trotzdem Wege, für ihre Rechte zu kämpfen - oder einfach nur Spaß zu haben. Eine Reportage.

Viktoria schwingt die eiserne Kugelhantel, als wäre sie leicht wie ein Ballon. Sie geht in die Hocke, richtet sich auf. Ihr tätowierter Arm führt die Kugel nach oben, hält ein paar Sekunden inne und holt sie mit einer kontrollierten Bewegung zurück. Zehn Frauen sitzen auf einer Wiese im Kreis um sie herum. Beeindruckt verfolgen sie Viktoria mit ihren Blicken. Wenn Viktoria Kraftsport macht, wird sie normalerweise angestarrt – meistens von Männern, mit abfälligen Blicken. Die starke Frau mit Bürstenhaarschnitt ist Ukrainerin. Ukrainerinnen sind eigentlich nicht tätowiert, tragen keinen kurzen Haare, stemmen keine Kugelhanteln. Die Gesellschaft hat ihnen beigebracht: Wenn Frauen trainieren, sehen sie dabei zart und hübsch aus, lächeln und flirten mit den Männern, die ihnen zugucken. Aber Viktoria interessiert sich nicht für Männer, die Frauen um sie herum auch nicht.

Viktoria und ihre Zuschauerinnen sind lesbisch oder bisexuell und Teilnehmerinnen an einem Frauensportfest, das in einem Feriendorf bei Mykolaiw stattfindet, 100 Kilometer von Odessa am Schwarzen Meer. Für die Workshops und Wettkämpfe sind 40 Frauen aus der ganzen Ukraine hierher gekommen. Sie spielen Fußball, Volleyball oder Darts und lernen, wie sie mit Aktionen die LGBT-Community stärken können.

Abschätzige Blicke und abfällige Kommentare kennen sie alle

Viktoria gibt einen Workshop mit dem Titel „Fitnessprogramme organisieren für die Community“. Die Teilnehmerinnen kennen abschätzige Blicke und grobe Männerkommentare nur zu gut. „Wie kann ich im Fitnessstudio Eisen stemmen, wenn mich alle anstarren?“, fragt Viktoria rhetorisch. Alle reden durcheinander, erzählen ihre Erlebnisse, eine ahmt die Gaffer nach, indem sie sich die Hände wie ein Fernglas vor die Augen hält.

Zu dem Festival im Umland von Mykolaiw sind die Frauen gemeinsam mit dem Bus gefahren. Der Treffpunkt war vor dem Eisentor, hinter dem die LGBT-Organisation Liga ihr Büro hat. Um eingelassen zu werden, mussten sie die Handynummer der Organisationsleiter haben und anrufen.

Homosexualität wird in der Ukraine als Bedrohung traditioneller Werte empfunden

Der Busfahrer hat die Frauen mit kurzen Haaren, Hoodies und Turnschuhen gesehen und nichts gesagt. Nichts fragen, nichts sagen – in der Ukraine ist das für viele das Maximum an Akzeptanz. Denn offen gelebte Homosexualität oder ein Ausbrechen aus typischen Geschlechterrollen wird in der Ukraine als Bedrohung traditioneller Werte empfunden. Der heterosexuelle Teil der Gesellschaft hat eine diffuse Angst, dass Kinder durch diese „ungesunde Lebensweise“, diese „Krankheit“ und „Perversion“ geschädigt werden könnten. Schwule werden als „Päderasten“ verunglimpft, Lesben nicht ernst genommen und ständig nach ihren Heiratsplänen gefragt.

"Die ukrainische Gesellschaft ist zu ungebildet und aggressiv gegen das, was sie nicht kennt und nicht versteht“, sagt die lesbische Aktivistin Nina Verbytskaya. Auf dem Sportfest gibt sie einen Workshop zu „Effektiver Kommunikation“. „Der erste Eindruck von einer Person ist entscheidend dafür, wie die Kommunikation mit ihr verlaufen wird“, erklärt sie. Als jede Teilnehmerin sich in 30 Sekunden vorstellen soll, nennen die meisten ihren Beruf und ihre Hobbys. Das Wort lesbisch fällt kein einziges Mal.

Nina nennt sich selbst Feministin, in der Ukraine ist das ein Reizwort. Über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentitäten zu sprechen, fällt vielen schwer. Deshalb hat Nina ein Buch geschrieben. Titel: „Antworten auf schwierige Fragen“ – „das meistverlorene Buch der Ukraine”, scherzt sie. Jugendliche lassen es vor ihrem Coming Out oft in Sichtweite der Eltern liegen, in der Hoffnung, dass diese es lesen. Das Buch ist Ninas Eltern gewidmet, gelesen haben sie es nicht, sagt sie. Sie wissen, dass Nina mit ihrer Freundin in einer gemeinsamen Wohnung in Kiew lebt. Irgendwann haben sie wohl von selbst verstanden, warum. Vor ihrem Vater hat sie sich nie geoutet, ihre Mutter erklärt vor Verwandten und Freunden Ninas „Interesse” an LGBT-Themen damit, dass sie „auf der Arbeit so viel mit Psychologie zu tun habe”. Als Kommunikationstrainerin bringt Nina an der nationalen Polizeiakademie zukünftigen Staatsdienern bei, wie problematisch Diskriminierung ist.

Die lesbische Aktivistin und Feministin Nina Verbytskaya bei einem ihrer Workshops.
Die lesbische Aktivistin und Feministin Nina Verbytskaya bei einem ihrer Workshops.

© Eva Steinlein

Hass und Vorurteile sitzen in der Gesellschaft so tief, dass sich Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender lieber verstecken. „Auf der Straße oder in der Metro halten wir nie Händchen”, sagt die Teilnehmerin Natascha, die sich in einer Pause auf das Sofa im Eingangsbereich der Ferienunterkunft gesetzt hat. In ihren Augen schimmern Tränen. „Und jetzt haben wir sogar zu Hause angefangen, es weniger zu tun.” Ihre Freundin Alla blickt zärtlich zu ihr herüber, Kopf und Füße drehen sich in Nataschas Richtung, doch sie bleibt einen halben Meter entfernt neben ihr sitzen.

Jüngere Lesben wagen mehr Offenheit, doch nicht immer geht das gut

Alla und Natascha wohnen zusammen in Kiew, „weil Nataschas Wohnung näher an Allas Arbeitsstelle liegt“. So haben sie es ihren Eltern gesagt. Fast alle Ukrainerinnen und Ukrainer halten mit ihren Eltern engen Kontakt, auch dann noch, wenn sie wie Natascha und Alla selbst längst erwachsen sind. Natascha sagt, ihre Eltern hätten Alla „aufgenommen wie eine Tochter“. Das bedeutet: Bei Familienbesuchen geben sich die zwei wie gute Freundinnen, kichern miteinander oder richten sich gegenseitig die Kleidung. Kein tiefer Blick in die Augen der anderen, keine Berührungen, kein Kuss. Zu groß ist die Angst, von der Familie abgelehnt und ausgestoßen zu werden – denn die ist in der ukrainischen Kultur das Zentrum des Lebens.

Die jüngeren Lesben wagen mehr Offenheit, doch nicht immer geht das gut. Antonina ist 20 und mit ihrer Freundin Anastasia auf dem Festival. Bei der Vorstellungsrunde in Ninas Workshop wusste Antonina nicht, was sie sagen soll. „Sie ist eine ganz Liebe, nur ein bisschen schüchtern“, verkündete die drei Jahre ältere Anastasia an ihrer Stelle. Seit zwei Jahren sind die beiden ein Paar. Sie haben sich in einem Club in der Provinzstadt Krywyj Rih kennengelernt. Anastasia organisiert dort Partys für die Community, alle in ihrem Umfeld wissen, dass sie lesbisch ist. Irgendwann hat auch Antonina ihrer Mutter gesagt, was sie mit Anastasia verbindet. „Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr“, sagt sie leise und tonlos, senkt den Blick. Und seitdem wohnen sie und Anastasia zusammen, Anastasia geht zur Arbeit, Antonina studiert noch und jobbt nebenbei.

Zum "Marsch der Gleichheit" in Kiew kamen 250 Menschen

Auf dem Sportfest sind die Frauen unter sich, weit weg von ihren Alltagsproblemen. Die Gegend um das Feriendorf ist ruhig. Trotzdem lässt sich kaum ein Paar bei einem Kuss erwischen. Einige halten Händchen, vermeiden dann aber jeden Blickkontakt. Bis hierher folgt ihnen die Angst vor dem Hass der Gesellschaft. Dieser Hass kann schnell von Mobbing in Gewalttaten umschlagen.

Eine Woche nach dem Sportfest in Mykolaiw findet der Kiew Pride statt. Mehr als tausend Polizisten schirmen in Dreierreihen die 250 Teilnehmer des „Marschs der Gleichheit“ ab. Sie laufen am Ufer des Dnepr entlang, um Gegnern weniger Angriffsfläche zu bieten. Denn die nationalistische Vereinigung Rechter Sektor hat zuvor auf ihrer Internetseite gedroht: „Gemeinsam mit anderen Nationalisten werden wir, die Kämpfer des 13. registrierten Bataillons des ukrainischen Freiwilligencorps des Rechten Sektors alles für uns Mögliche tun, um diesen sodomistischen Umtrieb in Kiew nicht zuzulassen.“

Beim Kiew Pride wurden dieses Jahr zehn Menschen verletzt

Der diesjährige Kiew Pride und seine Polizeieskorte.
Der diesjährige Kiew Pride und seine Polizeieskorte.

© picture alliance / dpa

Am Tag des Marschs rottet sich in Kiew ein maskierter Mob aus Schlägertypen zusammen, bewaffnet mit Pfefferspray und Leuchtraketen, die sie mit Nägeln in Rohrbomben verwandelt haben. Ein Polizist wird in die Halsschlagader getroffen, Rettungskräfte bringen ihn ins Krankenhaus. Panik macht sich breit, die Teilnehmer flüchten, doch niemand will ihnen helfen: Die öffentlichen Busse schließen ihre Türen und brausen vorbei. Zehn Menschen werden beim Kiew Pride verletzt. Die Aktivisten sammeln später Spenden für den verletzten Polizisten. Ein Sanitäter gibt ihnen die Schuld für dessen Wunden.

Schon beim ersten „Marsch der Gleichheit“ im Jahr 2013 gab es Verletzte. Einer von ihnen war der LGBT-Aktivist und Bodybuilder Sviatoslav Scheremet. Noch heute zuckt und schmerzt seine Augenhöhle dort, wo ihn die Schläge ins Gesicht getroffen haben. Eine Gruppe vermummter Schwulenhasser stürzte sich damals auf Sviatoslav, brachte ihn zu Boden. Zu fünft traten sie auf ihn ein. Eine Journalistin, die sich mit gezückter Kamera näherte, rettete Sviatoslav vor lebensgefährlichen Verletzungen.

Selten gelingt es der Polizei, nach solchen Attacken die Täter zu fassen. Strafrechtlich werden sie dann als „Hooligans“ verfolgt, denn Homophobie ist in der Ukraine kein Tatbestand. Dabei ist in den letzten Jahren die Zahl schwulen- und transfeindlicher Angriffe stark gestiegen. Jeder und jede aus der LGBT-Community hat Bekannte, die betroffen waren, oder kann selbst von solchen Erlebnissen erzählen. Vor allem Jugendliche werden geschlagen, gedemütigt, beraubt oder im Internet gegen ihren Willen geoutet.

Deshalb setzt sich Sviatoslav in der „Koalition gegen Diskriminierung“ für Gesetzesreformen ein. Zu dem Dachverband gehören mehr als 50 verschiedene Menschenrechtsorganisationen. Er will erreichen, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gesetzlich verboten wird. Derzeit wird in der Ukraine zwar eine nationale Menschenrechtsstrategie vorbereitet. Die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder transgeschlechtlichen Menschen werden darin jedoch bislang nicht erwähnt.

Sviatoslav ist klar, dass es bis zur expliziten Aufnahme sexueller Minderheiten in den Gesetzestext ein langer Weg sein wird: „Erstens wollen viele Beamte nichts machen, was überhaupt mit LGBT-Themen zu tun hat. Zweitens arbeiten sie oft nicht professionell“, sagt er. „Manchmal kommt es vor, dass wir als Experten einer nicht-juristischen Organisation bessere Dokumente und Lösungswege ausarbeiten als sie. Drittens haben sie zu wenig kompetente Leute, die auch noch zu langsam arbeiten.“

Der ukrainische LGBT-Aktivist und Bodybuilder Sviatoslav Scheremet.
Der ukrainische LGBT-Aktivist und Bodybuilder Sviatoslav Scheremet.

© Eva Steinlein

Sviatoslav war selbst Beamter. Vor 15 Jahren wurde er wegen seiner Homosexualität aus dem Staatsdienst entlassen. Jetzt steht er auch physisch für die LGBT-Community ein: In seiner Freizeit betreibt der 111 Kilo schwere Mann professionelles Bodybuilding. Für ihn hat Sport in der postsowjetischen Ukraine auch politische Bedeutung. „Sport ist eine Form des friedlichen Widerstands, mit dem man seine Beharrlichkeit, die Schönheit seines Körpers und seine Willensstärke zeigen kann und sich für sein Land einsetzt“, sagt Sviatoslav. „Ich merke das selbst, denn es fällt unseren Leuten schwer, sich einen schwulen Sportler vorzustellen – aber da bin ich!“

Auch in Mykolaiw blühen beim Sport viele Teilnehmerinnen auf. Arina, Kapitänin der Fußballfrauschaft Rosa Flamingos, hat sich die pinke Mannschaftsschleife um ihren Samurai-Dutt gebunden. Sie tigert im ukrainischen Nationaltrikot die Seitenlinie auf und ab, schreit Kommandos über den Platz. „Nastya, lauf nach vorne! Achtung am Tor! Kämpfen, kämpfen!“ Niemand nimmt hier Anstoß an Arinas kehliger, lauter Stimme, ihren vehementen Armbewegungen, stattdessen zollt man ihr Respekt. Die Zuschauerinnen nennen Arina einen „Profi“, die Spielerinnen lassen sich von ihr dirigieren. Kaum eine der Frauen hat vorher schon Fußball gespielt, aber alle sind mit Elan dabei, jagen über den Platz, passen, lernen ganz nebenbei, wann welche Mannschaft einen Freistoß oder Einwurf bekommt. Am Ende tragen die Rosa Flamingos den Gesamtsieg davon.

Beim Frauensportfest können die Lesben ohne Heimlichkeiten unter sich sein

Viktoria, von der die anderen Frauen das Kugelhantel-Stemmen lernen, ist es gewohnt, als Tischtennislehrerin auch im Alltag sportliche Kommandos zu geben. Doch dabei muss sie immer aufpassen, sich nicht zu outen – vor allem, weil sie Kinder unterrichtet. „Ich bin eine Frau, ich bin alt, in meiner Stadt gibt es wenige Möglichkeiten. Wenn ich meine Arbeit verliere, wird es schwer, eine neue zu finden“, sagt sie. In ihrer Freizeit hat Viktoria schon mehrmals Sportveranstaltungen für die LGBT-Community in ihrer Heimat Charkiw organisiert, die 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt.

Teilnehmen konnten nur Frauen, die sie per Email eingeladen hatte. Dazu hat sie die Turnhalle gemietet, in der sie arbeitet, und zehn Frauen in ihrer kleinen Wohnung übernachten lassen. Die Teilnehmerinnen kamen aus der ganzen Ukraine. Einfach nur, um ein Wochenende beim Sport unter sich zu sein. Zumindest einander nichts verheimlichen zu müssen.

Ursprünglich hatte auch das Frauensportfest in Charkiw stattfinden sollen. Als der militärische Konflikt zwischen Armee und Separatisten zu nah an die Stadt rückte, verlegten die Organisatorinnen das Fest nach Mykolaiw. Ob den Vermietern des Feriendorfs klar ist, dass es sich um eine queere Veranstaltung handelt, wissen nicht einmal die Organisatorinnen: „Sie haben uns nichts gefragt.“ Immerhin bleibt das Frauenfestival von Angriffen verschont. Heimlichkeit ist der Preis für Sicherheit.

Eine Münchner Gruppe setzt sich für den Kiew Pride ein

Doch die ukrainische LGBT-Community will endlich sichtbar werden und arbeitet deshalb mit internationalen Menschenrechtsorganisationen und LGBT-Gruppen zusammen. Neben „Amnesty International“ und der Kontaktgruppe „Munich Kiev Queer“ aus Kiews Partnerstadt München setzten sich auch deutsche Politiker und Politikerinnen aus Bundestag und Europarat für den Kiew Pride ein. Eine Münchner Stadträtin wurde vorab im Kiewer Rathaus vorstellig und forderte Polizeischutz ein.

Eingeladen hatte der Bürgermeister Vitali Klitschko weder sie noch die angereisten Unterstützer. Er schrieb vor dem Marsch der Gleichheit auf seiner Webseite: „Während der Krieg in der Ostukraine fortdauert, ist die falsche Zeit, Massenveranstaltungen abzuhalten, die in der Gesellschaft unterschiedlich bewertet werden.“ Er bitte jeden, „keinen Hass zu entflammen“.

Vielen Gegnern der LGBT-Community dient der Konflikt im Osten der Ukraine als Totschlagargument. Der ukrainische Präsident Poroschenko stellte sich mit bemüht europäischer Haltung hinter den Pride: Er sei zwar Christ und werde am Marsch nicht teilnehmen. Aber er sehe „keine Hindernisse, die den Kiew Pride verhindern könnten“, denn es gehe um das „Grundrecht jedes ukrainischen Bürgers“.

Händchen halten hinter Poroschenkos Rücken

Wie wichtig das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ist, hat vielen Ukrainerinnen und Ukrainern die Maidan-Revolution gezeigt. Auf das Sportfest in Mykolaiw hat die ukrainische Frauen-Community deshalb auch internationale Aktivistinnen eingeladen, um von ihnen zu lernen. Die Münchner Künstlerin Naomi Lawrence ist seit den achtziger Jahren in der lesbischen Protestbewegung ihrer Heimatstadt aktiv. Sie bringt den Frauen bei, dass Widerstand kreativer aussehen kann, als Plakate hochzuhalten und Slogans zu skandieren. „Stellt euch vor, Poroschenko fährt heute Abend in Mykolaiw vorbei“, trägt Naomi den Workshop-Teilnehmerinnen auf. „Wie schafft ihr es, als lesbische Aktivistinnen für ihn sichtbar zu werden?“

Mit Protest in eigener Sache haben die Frauen keine Erfahrung. Und doch finden vier von ihnen einen Weg, das System auszutricksen. Eine von ihnen spielt Poroschenko, zwei andere gehen als Fußgängerinnen auf ihn zu. „Herr Präsident, dürfen wir Sie um ein Foto mit Ihnen bitten?“, fragen sie artig. Poroschenko stimmt zu, stellt sich zwischen die beiden Frauen und breitet die Arme über ihre Schultern. Eine imaginäre Fotografenmeute stürzt sich auf das attraktive Bild. Was Poroschenko nicht sieht: Hinter ihnen steht die vierte Aktivistin und macht das Foto, um das es eigentlich geht. Denn die Frauen an seiner Seite halten hinter seinem Rücken Händchen.

Dieser Text erschien zuerst im Klartext-Magazin der Deutschen Journalistenschule München.

Mehr LGBTI-Themen erscheinen auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de. Unter dem Hashtag #Queerspiegel können Sie twittern, zum Feed geht es hier.

Eva Steinlein

Zur Startseite