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Nach der Eröffnung der Büroräume zu Beginn des Jahres wurden die Mitglieder von LGBT+ Rights Ghana online und offline attackiert.

© lgbtrightsghana

Polizei verfolgte Menschenrechtsgruppe: Queere Aktivisten in Ghana mit dem Tod bedroht

Nach der Stürmung des Büros sind Mitglieder von LGBT+ Rights Ghana auf der Flucht. Prominente Personen und Menschenrechtsorganisationen bekunden Unterstützung.

Die Situation queerer Menschen in Accra spitzt sich weiter zu. Das, was Mitglieder der Organisation LGBT+ Rights Ghana bereits befürchtet hatten, ist nun eingetroffen. Ihre Büroräume wurden gestürmt und einige Mitglieder sind auf der Flucht.

„Wir mussten die Räume schnellstmöglich verlassen und einen sichereren Ort finden“, sagt Alex Kofi Donkor, Leiter der Organisation, „denn im Moment tauchen immer wieder Bilder von uns in den Medien auf.“ Außerdem seien er und weitere Mitglieder Attacken und Morddrohungen ausgesetzt gewesen. „Abgesehen davon, dass die Polizei nach uns sucht, scheint auch die gesamte Bevölkerung alarmiert.“

Bereits zu Beginn des Jahres wurden Mitglieder von LGBT+Rights Ghana online und offline massiv bedroht. Bisher war die Organisation, die vor drei Jahren gegründet wurde und sich für die Rechte queerer Menschen in Ghana einsetzt, vor allem in den sozialen Netzwerken präsent. Das sollte sich mit der Eröffnung eigener Büroräume in der Hauptstadt Accra ändern.

Die Verhaftung der Mitglieder wurde gefordert

Doch anstatt sich in den neuen Räumlichkeiten sicher fühlen zu können, wurden Mitglieder der Organisation im Anschluss an die Eröffnung bedroht. In den sozialen Medien kursierten Fotos mit erkennbaren Gesichtern. Eine Gruppe rund um den Exekutivsekretär der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values, Moses Foh-Amoaning, forderte die Schließung der Büroräume und die Verhaftung der Mitglieder.

Donkor hatte dem Tagesspiegel bereits vor einigen Wochen seine Sicherheitsbedenken mitgeteilt. Schließlich ist die Mauer, die das Gebäude umgibt, niedrig und es gibt keine zuverlässigen Sicherheitskräfte. Diese Bedenken haben sich nun bewahrheitet.

Medien verbreiten falsche Narrative

„Am 24. Februar stürmten der Vermieter, die Polizei, Mitglieder der nationalen Sicherheit und der Presse die Räume“, berichtet Donkor. Erst am Tag zuvor hatte der Vermieter angerufen, weil er in den Medien von der Forderung, die Räumlichkeiten zu schließen, gehört hatte. Er teilte Donkor am Telefon mit, dass er am nächsten Tag vorbeikommen würde, um mit ihm gemeinsam über einen alternativen Ort zu diskutieren. „Es war nie die Rede davon, dass er mit der Polizei oder Sicherheitskräften kommen würde“, sagt Donkor, „wir sind von einer zivilen Diskussion ausgegangen.“

Alex Kofi Donkor ist Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana.
Alex Kofi Donkor ist Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana.

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Als Donkor, der sich an diesem Tag im Büro aufhielt, die Polizeiwagen sah, flohen er und einige Mitglieder. Die Türen seien zwar verriegelt gewesen, doch die Polizei habe sich schnell Zutritt verschafft, sagt Donkor.

„Einige Pressevertreter machten Fotos und Videos von dem Ort und behaupteten später öffentlich, dass einige Menschen sogar Sex in dem Raum gehabt hätten. Durch die Medien wurden viele völlig falsche Narrative verbreitet.“ Mittlerweile befinden Donkor und die anderen sich an einem sicheren Ort.

67 Prominente fordern Ghanas Regierung zum Schutz der Community auf

Die Schließung der Büroräume erregte auch internationale Aufmerksamkeit: In einem offenen Brief erklären 67 prominente Persönlichkeiten Großbritanniens mit Wurzeln in Ghana, darunter Naomi Campbell, Idris Elba und Edward Enninful, dass die Schließung des LGBT+ Zentrums in Akkra sie „zutiefst beunruhige“. Wie der britische Guardian berichtete, fordern sie Nana Akufo-Addo, den Präsidenten Ghanas, und andere politische Führungsfiguren dazu auf, der LGBTQ+ Community Schutz zu bieten.

So heißt es: „Als prominente und mächtige Befürworter dieses Landes bitten wir Sie {…} einen Weg für Verbündete, Schutz und Unterstützung zu schaffen. Wir erbitten Inklusivität, die die Nation noch größer und stärker machen wird.“

Sogar der ehemalige ghanaische Fußball-Nationalspieler Michael Essien stellte sich hinter die queere Community. In einem Instagram-Post schrieb er: „Wir sehen euch, wir hören euch, wir unterstützen euch. Unsere LGBTQIA+ Community in Ghana“. Für seinen Beitrag wurde der Ex-Chelsea-Spieler allerdings heftig kritisiert, was wohl dazu führte, dass er ihn wenig später löschte.

Die neuen Büroräume sollten ein Safe Space für queere Personen sein. Nun wurden sie gestürmt.
Die neuen Büroräume sollten ein Safe Space für queere Personen sein. Nun wurden sie gestürmt.

© lgbtrightsghana

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Regierung dazu auf, die Diskriminierung gegen LGBTI Personen und Aktivist*innen zu beenden. „Unsere Presseerklärung übt natürlich Druck auf die ghanaische Regierung aus“, sagt Wolfgang Roth, Ghana-Experte bei Amnesty International. „Ich halte es aber für nicht sinnvoll, wenn jetzt Menschen aus der Nordhalbkugel Briefe an die ghanaischen Behörden und Ministerien schreiben oder Petitionen starten und eine Änderung fordern.“

Das sei heikel und könne schnell in eine „postkoloniale Richtung“ gehen. Besser wäre es Roth zufolge, wenn queere Menschen in Ghana selbst den Schulterschluss mit Vereinigungen suchten und auf diese Weise eine Bewusstseinsänderung erreichten.

Die öffentliche Meinung wurde aufgeheizt

Roth glaubt, dass durch den Vorfall die öffentliche Meinung aufgeheizt worden sei und es eine ganze Zeit bräuchte, „bis die Gemüter abkühlen“. Dass sich gesetzlich etwas ändert, bezweifelt er. Mit dem aktuellen öffentlichen Druck von Seiten religiöser Führer, aber auch anderer einflussreicher Persönlichkeiten werde das schwierig. Auch der Präsident machte immer wieder deutlich, dass er keinen Anlass für eine Veränderung der Gesetzeslage sehe.

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„Es ist essentiell, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können“

„Ich denke im Allgemeinen ist die Situation von queeren Menschen in Ghana nur gut, solange die Menschen sich nicht outen“, sagt Roth. So gebe es einen Strafrechtsparagraphen, der Homosexualität unter Strafe stelle, allerdings nur selten angewendet würde. „Vielleicht auch weil queere Menschen sich oft nicht outen. In diesem Fall hat sich eine queere Gruppe aber insofern geoutet als dass sie ein Büro angemietet hat, was zur unmittelbaren Schließung der Räume führte.“

Donkor und die anderen hoffen jetzt, dass immer mehr internationale Organisationen die aktuelle Situation in Ghana öffentlich thematisieren. Außerdem sind sie auf (finanzielle) Unterstützung angewiesen, um den Ort, an dem sie sich aktuell aufhalten, weiterhin bezahlen und außerdem mehr Sicherheit gewährleisten zu können. „Es ist essentiell, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können“ Auf lange Sicht hofft Donkor auf eigene Räumlichkeiten. „Wenn wir einen eigenen Ort hätten, wäre es schwieriger uns zu attackieren oder den Ort zu schließen.“

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