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Klaus Jacobs (1960-2016).

© Marcel Jacobs

Nachruf: Marilyn, Metropol und Marcel

Er jobbte im Eiscafé, sammelte schöne Schuhe und Erfahrungen. Ein Nachruf auf den Berliner Klaus Jacobs.

Zum ersten Mal verliebt hat sich Klaus, da war er noch gar nicht geboren. Seine Mutter Gudrun ist sich ganz sicher, sie war ja dabei, hochschwanger, in einem dunklen Kinosaal. Eigentlich musste sie schon jeden Tag damit rechnen, dass das Baby kommen würde, aber für „Manche mögen’s heiß“, den neuen Film mit Marilyn Monroe, riskierte sie zusammen mit Klaus’ Vater einen Ausflug in die Stadt. Zwei Musiker, auf der Flucht vor Mafiakillern, tauchten, als Frauen verkleidet, in einer Damenkapelle unter. Die Monroe spielte die Ukulele und sang: „I wanna be loved by you.“ Es stupste rhythmisch in Gudruns Bauch: „Boop-boop-a-doop!“

Und weil Klaus ein treuer Mensch war, hielt die erste Liebe zu Marilyn und zum Kino ein Leben lang. Den Film hat er hundert Mal gesehen, in guten wie in schlechten Zeiten. Billy Wilder, Hollywood, später Almodóvar, die Berlinale, Gespräche mit Klaus über Filme und Schauspieler fanden selten ein Ende.

89 Mark Miete, Spandau, dritter Stock mit Bade- und Kachelöfen. Klaus, gerade aus Freiburg zum Studium nach Berlin gekommen, war glücklich. Die 42 Quadratmeter teilte er sich mit Peter. Nach 20 Jahren mit Marilyn hatte er in ihm eine zweite große Liebe gefunden. Sie tanzten im „Metropol“ am Nollendorfplatz und auf dem Christopher Street Day über den Ku’damm. Das in die Jahre gekommene West-Berlin, mit seinen besetzten Häusern und fröhlichen Fahnenflüchtigen aus der ganzen Republik schien zu funkeln.

Im Olympia-Kino am Zoo war viele Jahre sein Arbeitsplatz

Schwer zu sagen, wann das anfing mit Klaus und der schönen Kleidung. Manche glauben, dass er schon mit Leinenjacke von Armani und den passenden Schuhen auf die Welt kam. Eitelkeit? Ja sicher, warum denn auch nicht? Aber Respekt spielte auch eine Rolle, Respekt vor seinem Gegenüber, Respekt vor der Schönheit der Welt, die eine noch schönere wäre, wenn sich alle etwas mehr Mühe gäben, nicht nur mit Äußerlichkeiten. Aufmerksam soll man sein, galant und gut zuhören. Und Marilyn Monroe hat gesagt: „A smile is the best make-up any girl can wear“, und das galt nicht nur für Mädchen! Weil Frauen aber eher ein Gespür für die Ästhetik der Seele haben, lagen sie Klaus reihenweise zu Füßen.

Er jobbte im Eiscafé, sammelte schöne Schuhe und Erfahrungen. Für die Uni blieb so zwar keine Zeit mehr, aber es gab ja auch noch diesen Satz, den Marilyn gesagt hatte: „Karriere ist etwas Herrliches, aber man kann sich nicht in einer kalten Nacht an ihr wärmen.“ Nur gerecht, dass Klaus dennoch eine Karriere gemacht hat, ganz nach seiner Art. Das Olympia-Kino am Zoo, ein Programmkino alter Schule, war für den Cineasten ein wunderbarer Ort und über viele Jahre sein Arbeitsplatz.

Nachts in einer Kreuzberger Bar - Liebe auf den ersten Blick

„Wären wir zehn Jahre jünger, wir würden Kinder adoptieren“, sagte er nach der Hochzeit zu Marcel, seiner dritten, der ganz großen Liebe. Für ihre Freunde waren sie aber auch zu zweit wie eine Familie. Schon als sie sich zum ersten Mal begegneten, war klar, dass sie nichts mehr aufschieben würden. Es war eine Szene wie aus einem Film, was sonst. Nachts, eine Bar in Kreuzberg, rötliches Licht. Klaus kam wie aus dem Nichts eine Treppe herauf, sein Blick traf Marcel, und die Zeit schien wie eingefroren. Danach schien alles vertraut: gemeinsam auf der Terrasse einer Lodge im südlichen Afrika mit Blick auf die Nashörner oder ein Nachmittag im Schlosspark Charlottenburg mit einer Flasche Cidre.

Zu schön, um wahr zu sein? Ein Happy End? Natürlich nicht, das ist ein Nachruf. Am Ende war der Krebs.

Dieser Text erschien zuerst auf der Nachrufe-Seite des Tagesspiegel.

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