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Rauskommen. Demo der Homosexuellen Aktion Westberlin im Jahr 1973. Foto: Rüdiger Trautsch/Schwules Museum

© Rüdiger Trautsch/Schwules Museum

"Love at first Fight! im Schwulen Museum: Echo des Urknalls

Nach Stonewall: Die Ausstellung „Love at first Fight!“ im Schwulen Museum Berlin wirft Schlaglichter auf die queere Bewegung in Deutschland.

Ein stattlicher Kranz, mit Rosen und einer weißen Schleife, auf der zu lesen ist „Wir gedenken Tausender ermordeter homosexueller KZ-Häftlinge“. Niedergelegt hatte ihn eine Leipziger Gruppe 1987 im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald. Er war kein Einzelfall. Bereits drei Jahre zuvor hatten Aktivistinnen und Aktivisten damit begonnen, Besuche in den Mahn- und Gedenkstätten der DDR zu organisieren. Sie forderten die Erinnerung an die getöteten Schwulen und Lesben und wollten erreichen, dass diese als „Opfer des Faschismus“ anerkannt werden. Womit sie geschickt das Selbstverständnis der DDR als antifaschistischem Staat nutzten.

Indem sie ihre Aktionen häufig auf das letzte Juni-Wochenende legten, bezogen sie sich überdies auf die US-amerikanische Homosexuellenbewegung. Als deren Urknall-Moment gilt die Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, als queere Menschen rund um die New Yorker Stonewall Bar in der Christopher Street Widerstand gegen Übergriffe der Polizei leisteten. Im nächsten Jahr gab es eine erste Erinnerungsdemonstration, aus der sich nach und nach die weltweiten Pride-Paraden entwickelten. In West-Berlin fand der erste CSD-Umzug 1979 statt.

Zum 50. Jubiläum des Stonewall-Aufstandes untersucht das Schwule Museum Berlin mit der Ausstellung „Love at first Fight!“ die transatlantische Beziehung der queeren Bewegung und wirft Schlaglichter auf wichtige Momente der west,- ost,- und gesamtdeutschen Emanzipationsgeschichte.

Dabei haben die Kuratorinnen Birgit Bosold und Carina Klugbauer darauf geachtet, dass beide deutschen Nachkriegsstaaten gleichberechtigt repräsentiert sind. So nehmen etwa die Fotos, mit denen an die Gedenktage in den einstigen KZs Buchenwald und Ravensbrück erinnert wird, genauso viel Raum ein wie etwa die Bilder von Demonstrationen der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW).

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Ein Schnappschuss von der Abschlusskundgebung des HAW-Pfingsttreffens im Jahr 1973 zeigt lauter strahlende Gesichter und einen selbstbewusst winkenden Mann aus der Tuntenfraktion, die damals innerhalb der Schwulenbewegung von einigen angefeindet wurde. Sie verschrecke den bürgerlichen Mainstream und erschwere die Solidarisierung der Arbeiterbewegung, hieß es. Eine Argumentation, die von Misogynie und verinnerlichter Homofeindlichkeit zeugt, und die sich in abgewandelter Form bis heute gehalten hat, wenn sich Queers untereinander vorhalten, zu exaltiert oder radikal aufzutreten.

Die Ausstellung nimmt den gesamten vorderen Raum des Schwulen Museums ein, der diesmal ganz ohne Trennwände auskommt und deshalb ungewohnt weitläufig wirkt. Dazu trägt das reduzierte Konzept der Schau bei, deren wichtigstes Gestaltungselement Metall-Kleiderstangen sind, auf denen die Bilder und Erklärtexte aufgezogen wurden. Außerdem hängen dort mit Texten, Slogans und Fotos bedruckte T-Shirts und Demoschilder. Die Wände sind derzeit noch leer. Demnächst sollen hier Fotografien von Rolf Fischer zu sehen sein, der alle Berliner CSD-Paraden mit der Kamera begleitet hat.

Dieser Freiraum ist Absicht, denn „Love at first Fight!“ funktioniert als mobile Ausstellung, die auf einem Datenstick inklusive Handbuch verschickt werden kann. Es gibt keine Objekte, nur Bilder und Texte. Jedes Museum kann selbst entscheiden, wie es die Materialien präsentiert – und an den Wänden ist Platz für Dokumente der lokalen Bewegungsgeschichte. In diesem Jahr tourt die Ausstellung durch Nordamerika und Mexiko.

Gerade war sie in New York zu sehen, wo die Besucherinnen und Besucher einige Wiedererkennungsmomente gehabt haben dürfen. Etwa bei der Station, die die 1934 in Harlem geborene Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde vorstellt. Von 1984 bis zu ihrem Tod 1992 war sie immer wieder in Berlin zu Gast und gab unter anderem den Anstoß dafür, dass sich afrodeutsche Frauen zusammenschlossen. Nadine Lange

Schwules Museum, bis 30. September, So/Mo/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr,

Sa 14–19 Uhr

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