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Lucy (Ellen Page) und Mercy (Kate Mara, rechts).

©  Kinostar

Liebesdrama „My Days of Mercy“: Gift und Gegengift

Eine Anti-Todesstrafen-Aktivistin verliebt sich in eine Frau, die Hinrichtungen befürwortet: das berührende Drama „My Days of Mercy“ mit Ellen Page und Kate Mara.

In 29 Staaten der USA gibt es die Todesstrafe, wobei sie in den letzten zehn Jahren nicht mehr überall angewendet wurde. Doch wenn irgendwo eine Hinrichtung ansteht, kommt es vor dem Gefängnis meist zu Demonstrationen. Auf der einen Seite steht die Gruppe, die die Strafe befürwortet, auf der anderen versammeln sich all jene, die sie vehement ablehnen. So verhält es sich auch in Tali Shalom-Ezers Spielfilm „My Days of Mercy“.

Lucy (Ellen Page), ihre ältere Schwester und ihr jüngerer Bruder fahren mit ihrem klapprigen Campingbus schon seit Jahren zu solchen Solidaritätsaktionen, weil ihr Vater zum Tode verurteilt wurde. Sie hoffen, dass er der Giftspritze noch entgeht. Bei einem Protest in Kentucky ist das Trio wieder einmal zur Stelle. Allerdings wirkt Lucy, die ein T-Shirt mit dem durchgestrichenen Wort „Death Penalty“ trägt, nicht sonderlich motiviert. Schilder, Sprechchöre, Gesänge – alles wie immer. Nur die junge Frau von der Gegenseite, die immer wieder herüberschaut, irritiert sie. Als Lucy am Abend vor dem Bus eine Zigarette raucht, kommt sie sogar herüber und spricht sie an.

Ihr Name ist Mercy (Gnade), was Lucy ziemlich ironisch findet. Doch Mercy (Kate Mara) lässt sich von Lucys abweisender Art nicht aus der Ruhe bringen und geht auch am nächsten Tag wieder auf sie zu. Bald entwickelt sich mehr zwischen den Frauen, die nicht nur aus gegensätzlichen politischen Lagern, sondern auch aus verschiedenen sozialen Schichten stammen.

Warme Farben, ernsthafter Ton

Diese zunächst gewollt erscheinende Julia-und-Julia-Konstruktion von „My Days of Mercy“, die auch entfernt an „Monster’s Ball“ erinnert, entfaltet nach einer Weile eine erstaunliche Glaubwürdigkeit. Das liegt vor allem an den Hauptdarstellerinnen, die den Film selbst produziert haben. Sie sind befreundet und wollten schon lange einmal zusammen arbeiten. Deshalb ließen sie ihre Agenten nach geeigneten Drehbüchern suchen, wobei sie auf Joe Bartons bereits 2008 verfasstes Skript stießen. Mit der Regie betraute das Duo die Israelin Tali Shalom-Ezer, deren dritter Spielfilm dies ist.

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Dass die 41-Jährige genau wie Ellen Page lesbisch ist, kommt den Sexszenen zugute, die sie unverkrampft und erotisch in Szene gesetzt hat. Auch sonst macht sie ihre Sache gut, hält die schwierige Balance von Familien- und Liebesdrama. Zusammen mit Kameramann Radek Ładczuk hat sie zudem eine ruhige, in warmen Farben gehaltene Bildsprache gefunden und einen angemessen ernsthaften Ton, der nie ins Pathetische oder Propagandahafte kippt. Durch die Erzählperspektive ist „My Day of Mercy“ zwar näher bei den Anti-Todesstrafen-Aktivisten, doch man kann ebenso nachvollziehen, weshalb Mercys Familie ganz anders dazu steht.

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Zwischen den Demonstrationskapiteln blendet Tali Shalom-Ezer von oben gefilmte Bilder mit den letzten Mahlzeiten von Todeskandidaten ein. Rührei, Speck und Toast oder eine Salami-Pizza sind dort etwa zu sehen, daneben Name, Gefängnis und das Verbrechen des jeweiligen Häftlings. Mehr erfährt man nicht über sie.

Dafür wird die Geschichte von Lucys Vater Simon (Elias Koteas) allmählich klarer. Er soll seine Frau mit einem Messer ermordet haben, was er abstreitet. Die damals 14-jährige Lucy fand die Leiche ihrer Mutter im Wohnzimmer. Ihr Bruder war noch ein Baby, schlief einen Stock höher. Die schon volljährige Martha (Amy Seimetz) war nicht zu Hause. Sie kämpft seither unermüdlich dafür, ihren Vater aus der Todeszelle zu retten und die Familie zusammenzuhalten.

Der Verdacht, dass Simon die Tat tatsächlich begangen haben könnte, sickert wie ein Gift immer tiefer in die Beziehung der Geschwister ein, vor allem der zusehends überforderten Schwestern. Doch sie sind stark und schlagen am Ende ein selbstbestimmtes neues Kapitel auf. Es beginnt wieder mit Tellern in der Draufsicht, aber diesmal ist es keine Henkersmahlzeit, sondern einfach nur ein Mittagessen.
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