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Lars Bergmann ist Projektleiter der Brandenburger Fachstelle Geschlechtliche und Sexuelle Vielfalt des Landesverbands "AndersARTiG“.

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Lars Bergmann über den queeren Erstberatungskoffer für die Jugendhilfe: "Gerade Jugendliche in der Transition wissen oft gar nicht, was ihnen zusteht"

Lars Bergmann spricht über queere Hilfe für Jugendliche und den ersten Beratungskoffer. Und er erklärt, wie die AfD in Brandenburg die Arbeit erschwert.

Lars Bergmann ist Projektleiter der Brandenburger Fachstelle Geschlechtliche und Sexuelle Vielfalt des Landesverbands "AndersARTiG“. Der digitale Koffer wurde in Zusammenarbeit mehrerer Einrichtungen erstellt, neben der Brandenburger Fachstellen gehören dazu unter anderem die Berliner Fachstelle Queere Bildung – QUEERFORMAT und das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB).

Lars Bergmann, Sie haben einen queeren Erstberatungskoffer für die Jugendhilfe erarbeitet, der seit kurzem online angeboten wird. Was ist darunter zu verstehen?
Das ist eine Informationsplattform, auf der wir die unterschiedlichsten Aspekte zusammentragen, die für queere Kinder und Jugendliche in den Hilfen zur Erziehung relevant sind. Ein Hauptthema: Die eigene Haltung als Fachkraft beleuchten. Aber Sie finden auch Adresslisten mit queersensiblen Beratungsangeboten, rechtliche und medizinische Informationen und ein ausgesprochen gelungenes Glossar, wie ich finde. Uns war wichtig, dass das für Fachkräfte in den Jugendämtern und bei den freien Trägern, die sich nicht jeden Tag mit queeren Lebensweisen beschäftigen, einen niedrigschwelligen Zugang hat.

Gab es Vorbilder, auf die Sie sich stützen konnten?
Es gibt allerlei Methoden- und Beratungskoffer, die physisch anfassbar sind. Die standen schon Pate. Speziell im Kontext der Hilfen zur Erziehung aber nicht, und das gesammelte Wissen so zusammenzutragen, ist deutschlandweit meines Wissens nach zum ersten Mal geschehen.

Aus der Schule weiß man, dass Lehrkräfte oft selber unsicher sind, was queere Themen angeht, und dann das Thema lieber ganz vermeiden. Machen Sie ähnliche Erfahrungen bei Fachkräften in der Jugendhilfe?
Ja, da spielt viel Unsicherheit und Unwissenheit eine Rolle. Gleichzeitig gibt es eine große Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die meisten wollen sich kompetent und selbstsicher verhalten und die Jugendlichen kompetent unterstützen. Da setzen wir an.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Fragen, die die Fachkräfte in der Jugendhilfe haben?
Die Frage aller Fragen ist: Wie kann ich Jugendliche gut unterstützen?

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Und wie mache ich das?
Indem ich die Jugendlichen, die ich vor mir habe, ernst nehme und mir anhöre, was die brauchen. Das ist eine ganz einfache Botschaft, aber oft schwieriger zu lösen, weil man schnell dabei ist schon zu wissen, was für die Jugendlichen gut ist. Dann passiert es, dass man im Arbeitsalltag über die Bedürfnisse hinweggeht oder sie nicht sieht. Also: Fragen, was die Jugendlichen brauchen, und dafür sorgen, dass sie zu ihrem Recht kommen. Gerade Jugendliche in der Transition wissen oft gar nicht, was ihnen zusteht.

Wenn man sich auf der Webseite des Beratungskoffers ein wenig umschaut, scheint es einen besonderen Fokus auf trans Jugendliche zu geben. Stimmt der Eindruck?
Es orientiert sich an den Themen, die für Fachkräfte präsent sind. Das trans Thema ist in den letzten Jahren sehr in den Mittelpunkt gerückt, ganz einfach weil es auch viele rechtliche Fallstricke zu berücksichtigen gibt. Man denke nur daran, dass man immer noch nach dem veralteten TSG (Transsexuellengesetz, Anm. d. Red.) transitionieren muss. Ich will damit aber nicht in Abrede stellen, dass ein lesbisches oder schwules Coming Out Jugendliche vor ganz ähnliche Fragen stellt: Wer bin ich eigentlich, was wird von mir erwartet?

Vielfaltsunterricht in Kitas und Schulen wird oft durch rechtspopulistische Parteien und Vereine angegriffen. Erleben Sie so etwas auch mit dem Beratungskoffer?
Der ist bis zu den Rechten noch nicht vorgedrungen. (lacht) - Was aber allgemein die Arbeit im Verband betrifft, ist gerade Brandenburg noch einmal ein anderes Pflaster als Berlin. Wir haben massiv mit Anträgen der AfD im Landtag zu tun, von denen einer absurder als der andere ist. Die wissen, dass sie mit diesen Manövern auf Wählerfang gehen. Das belastet uns schon sehr.

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