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Die Berliner Autorin Katrin Frank.

© Anna Leopolder

Jugendroman "Knutschpogo": Anarchie und erste Liebe

Fünf Jahre nach dem Mauerfall: Katrin Frank erzählt in ihrem Jugendroman „Knutschpogo“ von einer Liebe zwischen zwei Schülerinnen in der thüringischen Provinz.

Junge oder Mädchen? Weil das bei der 14-jährigen Lexi nicht gleich zu erkennen ist, wird sie häufig angestarrt. Manchmal fragen sogar Unbekannte auf der Straße sie nach ihrem Geschlecht. Lexi ist es gewohnt, mit „junger Mann“ angesprochen zu werden. Das macht ihr nichts aus.

Doch als sie an einem Herbsttag allein auf dem Marktplatz steht und auf ihre Mutter wartet, tauchen plötzlich zwei Skinheads mit Hund vor ihr auf. Sie halten Lexi für einen jungen Schwulen und reden sie schräg von der Seite an. „Ich versuche, meine Stimme wiederzufinden, die sich vor Schreck tief in meinem Hals verkrochen hat. Aber was bringt es, denen zu sagen, dass ich ein Mädchen bin? Die suchen jemand zum Rumpöbeln, und ich wirke anscheinend wie das perfekte Opfer.“ Dass die Typen von Lexi ablassen, liegt an einigen Punks, die ihr zu Hilfe kommen.

Die Mutter hat einen Neuen

Faschos gegen Punks – das ist der sichtbarste Konflikt in der thüringischen Kleinstadt, fünf Jahre nach dem Mauerfall. Hier hat die 1981 in Suhl geborene und seit 2010 in Berlin lebende Katrin Frank ihren zweiten Roman angesiedelt. Die Ich-Erzählerin von „Knutschpogo“ wohnt bei ihrer allein erziehenden Mutter, der Vater ist kurz vor der Wende in den Westen geflohen. Neuerdings hat die Mutter etwas mit Rolf, einem Polizisten. Lexi findet ihn schrecklich. Zum Glück gibt es da noch ihre Kindergartenfreundin Janine, mit der sie immer ewig telefoniert – natürlich mittels eines Festnetztelefons.

Da die Geschichte im prädigitalen Zeitalter angesiedelt ist, spielen auch Zettel, Flyer und Bücher eine wichtige Rolle. Fehlende Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten sorgen für Spannung und dramaturgische Verzögerungen. So rätselt Lexi etwa lange darüber, was wohl das große „A“ in einem Kreis bedeuten könnte, das sie bei den Punks sieht. Sie tippt erst auf „asozial“, bis sie endlich herausfindet, dass es für „Anarchie“ steht.

Diskutieren und feiern

Lexi ist fasziniert von der Gruppe, vor allem von Rosa mit der grünen Stachelfrisur. Nach dem Vorfall am Markt freundet sie sich mit ihr an. Rosa führt Lexi in ihre Szene ein, spielt ihr Punkrock vor und gibt ihr Bakunin zu lesen. Begierig saugt Lexi alles auf – und verliebt sich in die coole Mitschülerin. Die ist allerdings mit Armin aus der Punker-Clique zusammen... Die Dynamik der Gruppe, ihre Diskussionen, Konzertbesuche und ihre mitunter gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den örtlichen Neonazis beschreibt Katrin Frank sehr anschaulich. Manches dürfte in den östlichen Bundesländern noch heute ähnlich aussehen – man denke nur an die jüngsten Vorkommnisse in Chemnitz. Wobei die vielen humorvollen Momente von „Knutschpogo“ dafür sorgen, dass die Atmosphäre nicht zu finster wird.

Der Roman funktioniert als kurzweilige Coming-of-Age-Geschichte, die klassische Teenager-Themen wie erste Liebe, Ärger mit den Eltern und der besten Freundin mit einem glaubwürdigen zeitgeschichtlichen Setting verbindet. Wobei die vielen floskelhaften Formulierungen („wie vom Pferd getreten“, „gespannt wie ein Flitzebogen“) die Lektüre mitunter etwas zäh machen. Dafür erfährt man, was ein Knutschpogo ist: Zwei Zungen tanzen ihn beim wilden Küssen.
Katrin Frank: Knutschpogo. Verliebt bis in die Haarspitzen. Roman. Ylva Verlag. Kriftel 2018. 178 Seiten, 15,89 €.

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