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Erkan Affan kam von London nach Berlin.

© Leviticus Hinds

Interview mit Kurator*in Erkan Affan: "Solidarität ist ein Lernprozess"

Erkan Affan veranstaltet für die queere muslimische und migrantische Community in Berlin Partys, Workshops und Diskussionen. Im Interview spricht er über Aktivismus und Privilegien.

Erkan, immer mehr neue Orte und Formate wie das anti-cafe be'kech und das von dir mitorganisierte "Noon Festival"zum Ramadan legen den Fokus auf das nicht-weiße, nicht-heterosexuelle Berlin. Wie hat sich die muslimische und migrantische queere Szene in den letzten Jahren verändert? 
Ich glaube die wichtigere Frage ist: Was ist eine Szene und wer darf für sie sprechen? Ich bin seit letztem Jahr hier und versuche mit der Hilfe von Künstler*innen, Aktivist*innen und Organisationen meine Archivarbeit zur queeren türkischsprachigen Berliner Community vorzustellen. Ich und viele andere, die neu in der Stadt sind, haben schnell die Aufmerksamkeit des Mainstreams gewonnen. Dabei gibt es viele queere Muslim*innen und People of Colour, die in Berlin aufgewachsen oder schon ewig hier sind. Aber unsere Identitäten sind für ein weißes Heteropublikum leichter verdaulich. Jahrzehnte vor be’kech oder dem Noon Festival haben sich hunderte Personen, Kollektive, Orte, Projekte und Initiativen queeren Muslim*innen und People of Colour gewidmet: GLADT e.V. gibt es schon seit 1999! Aber inzwischen findet auch der Mainstream zunehmend Gefallen an uns. Queere People of Colour fordern zwar täglich die Zuschreibungen heraus, die ihnen weiße und heterosexuelle Narrative aufzwingen. Besonders queere muslimische Identitäten laufen aber dennoch Gefahr, missbraucht zu werden. Die "Flüchtlingskrise" hat in Deutschland und vielen anderen Ländern zu einer Verklärung westasiatischer, nordafrikanischer und muslimischer Identität geführt: Fetischisierung, Tokenism, Ausbeutung und kulturelle Aneignung sind Riesenprobleme, mit denen sich sowohl die queere Community als auch der Berliner Mainstream unbedingt auseinandersetzen müssen. 

Wie könnte sich denn die größtenteils weiße Berliner Queer- und Homoszene im Kampf gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit oder Fetischisierung mit Betroffenen solidarisieren?
Ich bin eine queere muslimische Person, ich bin arabisch, türkisch und genderqueer. Und trotzdem bin ich in London geboren und hatte daher Privilegien, die andere in meiner Community nicht haben. Solidarität versuche ich erstmal selber zu praktizieren, indem ich mich kritisch mit meiner eigenen Position auseinandersetze und mich frage, wie ich Menschen unterstützen kann, die nicht denselben Zugang haben. Solidarität ist ein Lernprozess und Solidarität ist messy. Wenn dich jemand kritisiert, ist es wichtig, deine persönlichen Absichten erst einmal beiseite zu lassen und dich auf die politische und gesellschaftliche Dimension zu konzentrieren. Das gilt auch für mich. 

[Dieses Interview ist eine Leseprobe aus dem monatlichen Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.]

Was stört dich in der Szene? 
Es gibt nichts, dass uns queeren Araber*innen mehr das Gefühl gibt, fremd zu sein, als "Arab Chasing". Das ist, wenn Menschen an Orten für queere Personen mit westasiatischem und nordafrikanischem Background auf sexuelle und kulturelle Safari gehen. Wir sind nicht für euren orientalistischen Blick da! Wir sind hier, um uns sicher und aufgehoben zu fühlen. Wenn das Fotografieren verboten ist, respektiert das! Und schließlich: bezahlt uns einfach für unsere Zeit! Und zwar angemessen. 

Woran arbeitest du gerade?
 Am meisten begeistert mich gerade die "Queer Arab Barty": ein vielfältiges Kollektiv,  das den Mitgliedern unserer Community einen sicheren Ort für das Experimentieren mit Identität bietet. Bei der “Barty”-Reihe lassen wir unseren inneren Diven zu den Klängen von arabischem 80er-,  90er-, und 00er-Jahre-Pop, Dance und Kabarett freien Lauf. Unsere Workshops und Diskussionen reagieren auf die mangelnde Sichtbarkeit unserer Community in queeren und nicht-queeren Räumen. Schau dir unsere Arbeit auf Facebook und Instagram an, wir haben große Pläne für das nächste Jahr!

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