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In der Roadmovie-Komödie „Revolvo“ von Francy Fabritz entführen zwei Frauen einen rechtspopulistischen Politiker.

© Katalog

Interview mit Filmemacherin Francy Fabritz: „Ich will die Diversität von Frauen feiern“

Die Berliner Filmemacherin Francy Fabritz im Gespräch über queere Frauen, Humor und das Programm „Berlinale Talents“.

Die Regisseurin und Kamerafrau Francy Fabritz lebt in Kreuzberg. Dieses Jahr zählt die 35-Jährige zu den 205 aufstrebenden Filmemacher*innen, die für die „Berlinale Talents“ ausgewählt wurden. Die internationale Nachwuchs-Plattform findet vom 1. bis 5. März in virtuellen Formaten statt, teilweise auch öffentlich zugänglich.

Fabritz arbeitet mit queeren Stoffen: Ihr preisgekrönter Kurzfilm „Etage X“ (2016) ist eine lesbisch-romantische Komödie über eine Begegnung im Fahrstuhl, in ihrer Roadmovie-Komödie „Revolvo“ (2019) entführen zwei Frauen einen neurechten Politiker. Kamerafrau und Drehbuch-Mitautorin war sie beim Langfilm „Nico“ (2021), in dem die Protagonistin nach einem rassistischen Überfall die Chance ergreift, sich zu emanzipieren und selbst zu ermächtigen.

Francy Fabritz, welche Rolle spielt Humor in Ihren Filmen?
Eine wichtige. Es macht mir vor allem Spaß, humorvoll zu erzählen, meine Figuren so zu begleiten und mit ihnen statt über sie zu schmunzeln. Humor erreicht mich, und ich hoffe, dass es auch das Publikum erreicht, die Menschen für Neues öffnet. Gleichzeitig sehe ich Humor auch als eine Art ‚queere Strategie‘, um humorvoll mit bestimmten Stereotypen umzugehen – sie zum Beispiel mittels Übertreibung zu dekonstruieren oder gar neue ‚Typi‘ zu erschaffen und somit Diversität zu feiern.

Kann man das im Drehbuch alles schon vor dem Dreh festlegen?
Viel erzählt sich auch über Blicke und wie die Charaktere miteinander umgehen. Das ist dann vielleicht im Drehbuch angelegt, aber die Darsteller*innen bringen auch ihren eigenen Humor mit. Damit gehe ich dann sehr ‚zart‘ um, übertreibe also nicht zu sehr, sondern inszeniere das lieber zurückhaltender. Übertreibung kann in einer kleineren Geste oft größer wirken.

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Gehören weibliche Protagonist*innen zu Ihrer Handschrift?
Dazu will ich gerne eine Gegenfrage stellen: Wann haben Sie das letzte Mal eine spannende, selbstbestimmte Frauenfigur im Kino oder Fernsehen gesehen, mit der Sie sich sogar identifizieren können? Auf diese Frage folgt meist Stille. Das zeigt, dass nur ein Bruchteil von interessanten Frauenfiguren im Film überhaupt dargestellt werden.

Doch der Facettenreichtum von erzählten Frauenfiguren auf der Leinwand ist noch längst nicht ausgeschöpft – im Gegenteil. Es gibt so viel mehr Diversität von Weiblichkeiten in Bezug auf Charakter, Körper, Hautfarbe, Alter, Sexualität oder Herkunft auf die Leinwand zu bringen, denn die Lebensrealitäten von Frauen sind divers, facettenreich und sexy. Das soll auch abgebildet werden.

Wie bilden Sie das ab?
Ich konstruiere in meinen Geschichten Frauenfiguren jenseits eines heteronormativen Frauentyps. Dabei ist es mir wichtig, dass sie sich selbst nicht zu ernst nehmen. Eine Strategie kann auch sein, Männerfiguren mal komplett auszusparen. Genau wie eine Lesbe ohne das Vorzeigen einer Partnerin für sich allein lesbisch bleibt, kommt eine Frauenfigur auch prima ohne das scheinbar männliche Pendant aus und bleibt dabei ganz und gar weiblich – was auch immer das sein mag, kann sich dann neu erfinden lassen.

Francy Fabritz ist Regisseurin und Kamerafrau. Sie wurde 1985 in Dresden geboren und lebt in Kreuzberg.
Francy Fabritz ist Regisseurin und Kamerafrau. Sie wurde 1985 in Dresden geboren und lebt in Kreuzberg.

© privat

Was denken Sie, wie sieht es aktuell mit der Gleichberechtigung in der Filmbranche aus?
Da hat sich in den letzten 20 Jahren schon viel getan, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Doch obwohl es immer mehr erfolgreiche Frauen in der Filmbranche gibt – gleichberechtigt und gleichbezahlt sind wir noch lange nicht. Das hängt auch an tiefgreifenden Strukturen, zum Beispiel wer wie gefördert und wer für welches Team angefragt wird. Deswegen bin ich Befürworterin von Pro Quote Film (Initiative für eine „diverse, gleichberechtigte und innovative Film- und Medienbranche“, Anm. d. Red.).

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihre Arbeit?
Es gibt weniger Aufträge, weniger Risikobereitschaft. Stattdessen wird auf bewährte Teams zurückgegriffen. Da wird es für uns Nachwuchsfilmschaffende noch schwerer Fuß zu fassen. Für mich war das Frustrierendste, dass die internationale Auswertung von „Revolvo“ nur online stattfand und Einladungen nach Cannes, Moskau und Tallinn abgesagt wurden. Mit „Nico“ hatten wir im Januar beim Max-Ophüls-Preis 2021 Weltpremiere. Eine tolle Auszeichnung, aber nicht richtig greifbar, weil wir alle allein zu Hause vor dem Rechner saßen. Dabei macht man Filme doch fürs Publikum, den physischen Austausch. Die Filme müssen auf die Leinwand.

Wie wird es mit dem Austausch bei den Berlinale Talents?
Das wird so ablaufen, dass es nach der Eröffnung jeden Tag online Veranstaltungen und Diskussionsrunden mit verschiedenen Filmschaffenden gibt. Ich kann überall teilnehmen und mir nach Themenfiltern mein Programm zusammenstellen. Das ist dann wie ein Online-Seminar. Hoffentlich können wir uns im Sommer nochmal physisch treffen. Die Talents leben ja von der Vernetzung vor Ort. Aber erst mal finde ich gut, dass es überhaupt stattfindet.

An was arbeiten Sie aktuell?
Gerade schreibe ich das Langfilmdrehbuch für meinen Abschlussfilm. Bis August muss die erste Fassung stehen.

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