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Bei der Demonstration wurde kritisiert, dass das BAMF die Asylanträge queerer Geflüchteter bereits in der Vergangenheit ablehnte.

© Wolfram Kastl/dpa/ picture alliance / dpa

„In ihrer Heimat droht Jamila der Tod“: Demo gegen Abschiebung einer trans Frau aus Äthiopien

In Äthiopien war Jamila massiver Gewalt ausgesetzt. Trotzdem wurde ihr Asylantrag in Deutschland abgelehnt. Organisationen wie die dgti protestieren dagegen.

Jenny Wilken von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) ist Mitorganisatorin der Demonstration „Jamila bleibt“, die am vergangenen Samstag in Berlin stattfand. Im Interview spricht sie über Hintergründe des Protests und erklärt, warum es für Jamila lebensgefährlich wäre, wenn das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sie nach Äthiopien abschiebt.

Am vergangenen Samstag protestierten etliche Menschen am Breitscheidplatz unter dem Motto „Jamila bleibt“. Sie gehören zu den Organisator*innen der Demonstration. Worum ging es dabei?
Wir haben uns spontan zu dritt mit der YouTuberin Juliana und Marion-Nur zusammengefunden auf Twitter und die Demo organisiert, weil uns das Schicksal von Jamila sehr am Herzen liegt. Jamila ist eine trans Frau aus Äthiopien, die dorthin abgeschoben werden soll mit fadenscheinigen Begründungen vom BAMF.
In Äthiopien war sie massiver Gewalt ausgesetzt und hat ernstzunehmende Morddrohungen aus dem privaten Umfeld erhalten. Ihre Onkel würden sie töten, wenn sie erfahren, dass Jamila wieder in Äthiopien ist. Darauf wollten wir aufmerksam machen, dass eine Gefahr für Leib und Seele besteht und an das BAMF appellieren, den Ablehnungsbescheid noch einmal zu prüfen. Dazu haben wir mobilisiert.

Wie viele Personen waren dabei?
Wir waren etwa 50 Personen, von jung bis alt war alles dabei. Jamila kam überraschend zur Abschlusskundgebung und hat sich sichtlich gerührt gezeigt und noch einmal ihre Geschichte erzählt. Aus der Politik war leider nur die SPD-Queer dabei, ansonsten haben alle mit Abwesenheit geglänzt.

Können Sie etwas zu den Hintergründen des Falls sagen?
Jamila ist äthiopische Staatsbürgerin und wurde in Katar geboren. Dort hat sie lange Zeit gelebt und ist dann über Äthiopien nach Deutschland geflohen, weil ihr Gewalt angetan wurde und sie Todesängste hatte. In beiden Ländern hat sie außerdem keine rechtliche Möglichkeit, eine Personenstandsänderung zu vollziehen. Bei ihrer Flucht über Äthiopien hat sie sich einer Person anvertraut, die sie allerdings an die Behörden verraten hat, weil auf ihrem Pass noch ihr Deadname steht.
Jamila hat ein sogenanntes Cis-Passing, das heißt, man kann nicht ohne weiteres erkennen, dass sie trans ist aufgrund des Äußeren. Nachdem die Person sie verraten hatte, wurde sie verhaftet und erpresst und in ein Gefängnis mit Männern gesteckt. Dort wurde sie misshandelt und vergewaltigt. Außerdem wurden Fotos von ihr gemacht, die im nationalen Fernsehen verpixelt gezeigt wurden.

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Das BAMF hat später behauptet, dass das Fotografieren eines Antragstellers keine Verfolgungshandlung darstelle und grundsätzlich nicht rechtswidrig sei. Dabei hat das nichts damit zu tun, ein Foto zu machen von jemandem, der inhaftiert wird. Jamila wurde der Öffentlichkeit preisgegeben und bloßgestellt.

Wie begründet das BAMF die Ablehnung des Asylantrags?
Dass Jamila ein Cis-Passing hat, ist für das BAMF ein Beleg dafür, dass ihr gar keine Verfolgung drohe, weil sie wie eine Frau aussehe. Aber vom Aussehen lässt sich nicht die Geschlechtsidentität ablesen. Hinzu kommt, dass sie aufgrund der fehlenden Ausweispapiere das Problem eines Zwangsoutings hat und ständig mit einer Verhaftung und Überprüfung auf dem Polizeirevier rechnen muss.
Durch die Misshandlungen in der Haft hat Jamila außerdem eine nächtliche Inkontinenz davongetragen. Dazu schrieb das BAMF, dass die Inkontinenz nicht die Qualität einer schwerwiegenden Erkrankung habe, weil sie sich auf den Schlaf beschränke und Jamila ja eine Windel tragen könne. In dem Bescheid wird überhaupt nicht auf die Problematik eingegangen und Jamila wird außerdem immer als Mann bezeichnet. Man hat den Eindruck, dass die Mitarbeiter*innen des BAMF sich nicht mal mit dem Thema LSBTI und Flucht beschäftigt haben.

Am vergangenen Samstag protestierten etliche Menschen am Breitscheidplatz unter dem Motto „Jamila bleibt“.
Am vergangenen Samstag protestierten etliche Menschen am Breitscheidplatz unter dem Motto „Jamila bleibt“.

© dgti

Wie ist die Situation queerer Personen in Äthiopien?
In ihrer Heimat droht Jamila der Tod, wenn ihre Familie erfährt, dass sie zurückkommt. Generell können Menschen in Äthiopien gesteinigt werden, wenn herauskommt, dass sie homosexuell oder trans sind. Von psychischer Gewalt über körperliche Misshandlungen bis hin zum Mord ist alles möglich, weil es keine rechtliche Sicherheit gibt. Jamila zum Beispiel wurde von einem Mithäftling verletzt, aber der Arzt weigerte sich, ihre Wunden zu behandeln, weil sie trans ist. Er weigerte sich, sie überhaupt anzufassen, weil sie so ist wie sie ist.

Bei der Demonstration wurde auch kritisiert, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Asylanträge queerer Geflüchteter immer wieder ablehnt...
Genau. Seit 2015 mit Beginn der sogenannten Flüchtlingswelle ist das Thema queere Geflüchtete stark in den Fokus gerückt. Da gab es immer wieder Ablehnungsbescheide, weil für das BAMF nicht ersichtlich war, dass die Person homosexuell oder trans war beziehungsweise die Aussagen der Geflüchteten nicht ernstgenommen wurden. Es wurde komplett ignoriert, welches psychische Leid hinter den Berichten steckt. Auch deshalb gibt es seither so viele Publikationen zu dem Thema, weil etliche Organisationen sich damit verstärkt auseinandergesetzt haben, um Verbesserungen zu schaffen.

Wie ist der aktuelle Stand bei Jamila und was erwartet ihr jetzt von den Politiker*innen?
Wir als Organisationsteam erhoffen uns, dass das Thema weiter in den Fokus rückt und Politik und die Öffentlichkeit stärker davon erfahren. Das ist in Teilen gelungen, so hat sich Sebastian Walter von den Grünen zuletzt bei mir erkundigt, wie der Stand der Dinge ist. Der Fall soll jetzt vom BAMF noch einmal ergebnisoffen geprüft werden, aber die Gefahr der Abschiebung besteht weiterhin.
Jamila fühlt sich außerdem nicht sicher in ihrer Geflüchtetenunterkunft und hofft deshalb umso mehr, dass dem Antrag stattgegeben wird, damit sie in eine Wohnung für LSBTI Geflüchtete ziehen kann, die es in Berlin extra gibt. Wir haben gemerkt, dass der Bedarf der queeren Geflüchteten sehr viel höher ist als die Anzahl der Unterkünfte.

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