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Im Dezember 2018 hat der Bundestag ein Gesetz zur dritten Geschlechtsoption beschlossen.

© dpa/ Jan Woitas

Hürden im Personenstandsrecht: Gericht hält Gesetz zur dritten Geschlechtsoption für verfassungswidrig

Das Gesetz zur dritten Geschlechtsoption schließt Personen aus. So sieht es das Amtsgericht Münster und legt Karlsruhe einen entsprechenden Fall vor.

Es ist eine Entscheidung die weitreichende Konsequenzen haben könnte: Das Amtsgericht Münster hält die Anwendung des Personenstandsgesetz für verfassungswidrig. In einem Verfahren hatte eine männliche trans Person die rechtliche Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags beantragt und war mit der Begründung, dass dieses Verfahren nur inter Personen offen stehe, abgelehnt worden. Das Amtsgericht Münster setzt das Verfahren deshalb aus und legt den Fall nun dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität begrüßt den Vorstoß: Eine Verfassungsbeschwerde einzureichen sei mit hohem Aufwand verbunden. Wenn ein Richter sich so viel Zeit nehme, selbst eine Beschwerde zu formulieren, dann habe die Signalwirkung. „Das macht der nicht aus Langeweile, oder aus aktivistischen Gründen wie wir es vielleicht als Interessenvertretungen tun. Der macht das, weil er ein Unrecht erkannt hat und es beseitigen will.“

Ausschluss von trans Personen

Bereits 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil festgelegt, dass die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ als Personenstand nicht ausreichen und den Gesetzgeber dazu aufgefordert, das Personenstandsrecht entsprechend zu ändern. Begründet wurde das damit, dass das Grundgesetz keine binäre Geschlechterordnung erzwinge. Das Bundesverfassungsgericht sah in der Verpflichtung, jeden Menschen dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuzuordnen, einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und das Persönlichkeitsrecht.

Mit dem Urteil traf Karlsruhe eine historische Entscheidung, die den Weg zu einem moderneren Personenstandsgesetz ebnete, einem Gesetz, das der vielfältigen gesellschaftlichen Realität gerecht wird. Der Aufforderung kam der Bundestag nach und beschloss Ende 2018 ein Gesetz, sodass es seither auch die Kategorie „divers“ im Geburtenregister gibt. Im selben Zuge wurde ein Verfahren eingeführt, mit dem "Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung" ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag rechtlich ändern können.

Die Regelung ist allerdings streng begrenzt, denn die Kategorie „divers“ steht nur inter Personen offen und ist an körperliche Bedingungen geknüpft. Erforderlich ist ein ärztliches Attest und nur in Ausnahmefällen reicht eine eidesstaatliche Versicherung. Dadurch werden weitere Personengruppen, wie zum Beispiel trans Personen von dem Gesetz ausgeschlossen.

Kritik von der queeren Community

Von Seiten der queeren Community gibt es deshalb seit Einführung des Gesetzes viel Kritik. Queere Verbände und Aktivist*innen appellierten an Ärzt*innen, sich beim Ausstellen der notwendigen Atteste an der Definition des Bundesverfassungsgerichts zu orientieren und trans Personen mit einzuschließen. Dies hatte zur Folge, dass das Bundesinnenministerium in einem Rundschreiben an alle Standesämter betonte, dass trans Personen vom Geltungsbereich der Regelung explizit nicht erfasst seien.

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Für sie gelte weiterhin das Transsexuellengesetz. Darüber hinaus seien die Standesbeamt*innen dazu verpflichtet die ärztlichen Atteste unter bestimmten Kriterien zu prüfen. Das hatte zur Folge, dass etliche Verfahren ausgesetzt wurden oder als Zweifelsvorlage an die jeweiligen Amtsgerichte weitergeleitet wurden.

"Kritikwürdige Einschüchterung"

Die Aktivistin Julia Monro hat bundesweit über 100 Verfahren begleitet und berät Antragsteller*innen. Sie spricht von einer unerlaubten Einflussnahme: „Wenn im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass man trans und inter Personen nicht ungleich behandeln sollte, diese Warnungen bewusst ignoriert werden und dann behauptet wird, trans Personen hätten die die schwierige Situation von inter Personen ausgenutzt, dann hat das schon einen ganz ekelhaften Beigeschmack.“

Monro berichtet, dass Ärzt*innen eingeschüchtert worden seien. Ihnen sei mit dem Strafgesetzbuch gedroht worden, so dass diese nicht einmal bei inter* Personen ein Attest ausstellen wollten - aus Angst vor Repressalien.

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Wie die Siegessäule berichtete, kam ein vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu dem Schluss, dass das Rundschreiben des Innenministeriums eine „ rechtsstaatlich kritikwürdige Einschüchterung“ erzeugt hätte.

Weitere Verfassungsbeschwerde

Nun kritisiert auch das Amtsgericht Münster in seinem Urteil die gesetzliche Regelung: Soweit das Personenstandsgesetz „nur auf Personen anwendbar ist, bei denen die Bestimmung des Geschlechts als weiblich oder männlich anhand angeborener körperlicher Merkmale möglich ist (intersexuelle Personen)“, sei die Regelung verfassungswidrig. Der Richter vertrat bereits in einem ähnlichen Fall in der Vergangenheit die Ansicht, dass die gesetzliche Regelung nicht nur inter Personen offenstehe, sondern „sich alle Personen hierauf berufen können, die sich auf Grund ihres subjektiven Empfindens nicht mit dem im Geburtenregister erfassten Eintrag zum Geschlecht identifizieren können.“ Er berief sich auf das frühere Urteil aus Karlsruhe.

Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, dem Bundesverband Trans und dem Lesben- und Schwulenverband Deutschlands im vergangenen Jahr eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.

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