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LGBT-feindlicher Aufkleber der polnischen Wochenzeitung „Gazeta Polska“

© Kacper Pempel/File Photo/REUTERS

Homofeindliche Beschlüsse von Kommunen: Fast ein Drittel Polens gilt als „LGBT-freie Zone“

Homophobe Kräfte machen Druck auf Lokalregierungen in Polen. Mit Folgen: Vielerorts gibt es Entscheidungen gegen sexuelle Minderheiten.

Von Ragnar Vogt

In Polen haben sich mehr als 100 Lokalregierungen zu sogenannten „LGBT-freien Zonen“ erklärt. Das ergibt sich aus einem „Atlas des Hasses“ von drei polnischen Aktivisten.

Allein fünf der 16 Regierungsbezirke (Woiwodschaften) des Landes haben demnach einen entsprechenden homophoben Beschluss gefasst (siehe Karte unten). Dazu kämen nach den Recherchen der Aktivisten 37 Landkreise und 55 Gemeinden.

Damit gelten in fast einem Drittel Polens homosexuelle, bisexuelle oder transsexuelle Menschen als offiziell unerwünscht. An vielen Orts- und Landkreisschildern im Land prangt inzwischen der Schriftzug „Strefa wolna od LGBT“ – zu Deutsch: „LGBT-freie Zone“.

Die Aktionen sorgen national und international für Diskussionen. Bereits Anfang Februar hatte die EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli gewarnt, solche Beschlüsse zu fassen. Diese könnten schnell zu physischer Gewalt gegen Minderheiten führen.

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Der „Atlas des Hasses“ wird von den Aktivisten Jakub Gawron, Paulina Pająk und Paweł Preneta. Sie alle leben in Zonen, die als „LGBT-frei“ erklärt sind.

Gawron schreibt dem Tagesspiegel, dass es bei ihm in der Gegend täglich homophobe Angriffe gebe. Man könne damit nicht zu den Behörden gehen, weil die Polizei und die Staatsanwaltschaft in solchen Angriffen kein Problem sehe. Im Paragrafen zu Hassverbrechen sei nicht die sexuelle Orientierung erwähnt, das sei eine übliche Ausrede der Polizei, nicht einzugreifen, schreibt er.

Weimar erwägt Ende der Städtepartnerschaft mit Zamość

Die Stadt Weimar prüft derzeit, ob sie die Städtepartnerschaft mit Zamość beibehalten will. Auch diese polnische Stadt hatte eine homophobe Resolution „gegen LGBT-Ideologie“ beschlossen, wie web.de berichtete. Weimars parteiloser Oberbürgermeister Peter Kleine werde deshalb mit seinem polnischen Amtskollegen sprechen. Linke und SPD forderten bereits deutliche Maßnahmen.

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Die französische Kleinstadt Saint-Jean-de-Braye ist schon weiter: Sie kündigte ihre Partnerschaft mit der polnischen Stadt Tuchow, berichtete France24. Auch dort hatte es einen Anti-LGBT-Beschluss gegeben.

„Wir verurteilen die Position unserer Partnerstadt Tuchow“, hieß es in einem Statement der Stadt in Zentralfrankreich bei Orléans. „Frankreich bekennt sich zum Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, die auf der sexuellen Orientierung beruhen“, schrieb Saint-Jean-de-Braye zur Begründung.

Homophobe Aufkleber in polnischer Zeitung

Auslöser des polnischen Aktivismus gegen LGBT-Rechte war wohl der liberale Bürgermeister Warschaus, Rafal Trzaskowski. Dieser habe Anfang 2019 eine Aufklärungskampagne zum Schutz sexueller Minderheiten vorgestellt, berichtete heise.de. Das hätte in dem stark katholischen Land zu einer Gegenreaktion geführt. Die rechte Wochenzeitung „Gazeta Polska“ hätte zu homophoben Aktionen aufgerufen. Dem Blatt hätten etwa die Aufkleber mit „LGBT-freie Zone“ beigelegen.

Auch von der rechtskonservativen Regierungspartei Pis werden gern homophobe Ressentiments geschürt. Pis-Chef Jaroslaw Kaczynski etwa warnt häufig vor einer angeblichen „Demoralisierung der Kinder“ durch Minderheiten. Homosexuelle würden eine „Bedrohung“ für das Land darstellen, behauptete er.

Katholische Stiftung macht Stimmung

Besonders die katholische Stiftung „Ordo Iuris“ mache Stimmung bei Lokalregierungen für LGBT-feindliche Beschlüsse, berichtet heise.de. Deren Initiative trägt den Namen „Stoppt die Pädophilie“ – und bedient damit das Vorurteil, sexuelle Minderheiten würden zur sexuellen Gewalt gegen Kinder neigen.

Die homophobe Stimmungsmache hat Folgen: „Seit der Initiative 'Stoppt die Pädophilie' hat die Aggression gegen die LGBT-Gruppe deutlich zugenommen“, sagt Magdalena Swider von der polnischen „Kampagne gegen Homophobie“ gegenüber heise.de.

Betreiber der Karte sollen verklagt werden

Die internationale Empörung über die LGBT-freien Zonen zeigt auch Wirkung in Polen – aber keine erfreuliche für die drei Betreiber vom „Atlas des Hasses“. Aktivist Gawron schreibt, die erzkonservative Stiftung „Ordo iuris“ treibe eine Klage gegen die drei Aktivisten voran. Damit wollten zehn Kommunen juristisch erreichen, dass sie nicht mehr auf der Karte auftauchten.

LGBT ist die Abkürzung für die englischen Wörter Lesbian, Gay, Bisexual und Transexuell/Transgender (deutsch: Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transsexuell/Transgender). Inzwischen wird diese Abkürzung in der Regel mit „I“ für intersexuell erweitert: LGBTI. Mehr Erklärungen für Begriffe zur sexuellen Identität finden Sie in unserem Queer-Lexikon.

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