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Auch in Berlin mussten zahlreiche queere Einrichtungen ihr Angebot streichen.

© imago/Seeliger

"Gravierende Auswirkungen auf die LGBT-Community": Queere Initiativen leiden massiv unter der Pandemie

Eine Umfrage der Hirschfeld-Stiftung zeigt: Viele queere Vereine leiden finanziell und personell unter der Pandemie. Auch ihr Publikum hat Schwierigkeiten.

Queere Initiativen und Vereine leiden unter der Corona-Pandemie: Viele von ihnen mussten im vergangenen Jahr ihr Angebot drastisch einschränken und verloren ehrenamtlich Tätige. Insgesamt berichten die Initiativen über eine Reihe von Schwierigkeiten für ihre Nutzer:innen.

Das ergibt eine Umfrage unter 255 LGBTI-Einrichtungen in Deutschland im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Jörg Litwinschuh-Barthel, geschäftsführender Vorstand der Stiftung, spricht von „gravierenden Auswirkungen“ der Pandemie auf die queere Community, die von Hilfsprogrammen und politischen Entscheidungen nicht adressiert oder abgefedert würden. „Wenn hier nicht von der Politik gegengesteuert wird, haben wir auf Jahrzehnte mit den Folgen zu kämpfen“, sagte Litwinschuh-Barthel dem Tagesspiegel.

In der Umfrage gaben 37 Prozent der befragten Initiativen an, dass wegen der Beschränkungen in der Pandemie ein Großteil ihrer Angebote ersatzlos ausfalle. 23 Prozent kürzten ihre Angebote zeitlich, während 37 Prozent sie ins Internet verlegten.

Fehlende finanzielle Ressourcen

Auswirkungen sind demnach auch bei den finanziellen Ressourcen zu merken – was für viele Initiativen, die ohnehin selten über viele Mittel verfügen, gravierende Folgen hat. Insgesamt berichteten knapp 28 Prozent derjenigen Initiativen, die überhaupt über finanzielle Ressourcen verfügen, dass sich durch die Pandemie ihre finanzielle Situation verschlechtert habe.

Bei weiteren 16 Prozent war dies zum Zeitpunkt der Befragung noch unklar, zum Beispiel weil über entsprechende Förderanträge noch nicht entschieden worden war.

Viele der Vereine, Einrichtungen und Initiativen leben vom Engagement der Ehrenamtlichen, ohne sie ist ein Betrieb oft kaum möglich. Doch nun berichtet die Mehrheit der befragten Institutionen, die Zahl der Ehrenamtlichen gehe zurück – und die, die blieben, hätten weniger Kapazitäten.

Ehrenamtliche geben auf

Gründe dafür seien unter anderem höhere psychische Belastungen, finanzielle Schwierigkeiten, Angst vor Ansteckung oder mehr Aufwand in der Kinderbetreuung. Manchmal mussten auch neue Interessenten abgelehnt werden, weil es für sie keine Aufgaben mehr gab. Immerhin: Bei einer Minderheit war es genau umgekehrt – Ehrenamtler im Homeoffice hatten auf einmal mehr Zeit.

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Gefragt wurde auch danach, wie die Initiativen das Wohlbefinden und die Gesundheit der Personen einschätzen, die ihre Angebote normalerweise nutzen. Hier gibt es einen niederschmetternden Befund, der sich auch mit Diagnosen und Berichten aus vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen deckt. Mehr als neun von zehn der Initiativen merken, dass sich die psychische Gesundheit ihrer Nutzer:innen verschlechtert hat, bei zwei Dritteln gilt das auch für die körperliche Gesundheit.

Manche Gruppen sind besonders gefährdet

Manche Gruppen seien besonders gefährdet, heißt es: So berichteten diejenigen Initiativen, die schwerpunktmäßig mit Menschen arbeiten, die behindert und/oder chronisch krank sind, signifikant häufiger als andere Initiativen, dass ihre Nutzer:innen Angst haben, die Wohnung oder das Haus zu verlassen. Initiativen, deren Angebote sich schwerpunktmäßig an intergeschlechtliche Personen richten, sagten signifikant häufiger, Einsamkeit habe zugenommen.

Drei Viertel der Initiativen sagen zudem, ihre Nutzer:innen hätten finanzielle Schwierigkeiten bekommen, oder bestehende Probleme hätten sich vergrößert. Über die Hälfte berichtete von einer Zunahme von Gewalterfahrungen zu Hause und Stress durch ein LSBTIQA+-feindliches Umfeld, und knapp ein Viertel über eine Zunahme von Gewalterfahrungen im öffentlichen Raum.

Um die besonderen Härten und Herausforderungen für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und inter Menschen in der Pandemie zu dokumentieren, hat die Hirschfeld-Stiftung jetzt auch eine Dokumentation herausgegeben. Damit soll auch im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl für das Thema sensibilisiert werden. Die Grünen hatten bereits für einen „Regenbogen-Rettungsschirm“ und  Hilfen für die Zivilgesellschaft geworben, waren damit aber bei der schwarz-roten Bundesregierung nicht durchgedrungen.

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