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Es soll rund 80 000 Intersexuelle in Deutschland geben.

© dpa

Gesetzentwurf verabschiedet: Kabinett billigt drittes Geschlecht im Geburtenregister

"Divers" soll die neue dritte Geschlechtsoption heißen: Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett verabschiedet. Es bleibt ansonsten bei der bereits bekannten Minimallösung.

Die dritte Geschlechtsoption im Personenstandsrecht soll "Divers" heißen - darauf hat sich die Große Koalition geeinigt. Der Gesetzentwurf zum dritten Geschlecht verabschiedete am Mittwoch das Bundeskabinett, wie unter anderem Bundesfamilienministerin Franziska Giffey auf ihrer Facebook-Seite bekannt gab. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem bahnbrechenden Urteil im vergangenen Herbst die Einführung einer weiteren Geschlechtskategorie neben "männlich" und "weiblich" bis zum Ende dieses Jahres gefordert.

Ursprünglich hatte das Bundesinnenministerium "Anderes" als Name für die dritte Geschlechtsoption vorgesehen, was nicht nur von Interessensverbänden, sondern auch den SPD-Ministerinnen Giffey und Katarina Barely (Justiz) als diskriminierend zurückgewiesen wurde. Erst wurde die Bezeichnung in einem Referentenentwurf zu "Weiteres" abgeändert, jetzt also zu "Divers".

Kritik an "Minimallösung"

Weitere entscheidende Änderungen am Referentenentwurf gab es nicht, wie die Bundesvereinigung Trans* in einer Mitteilung kritisiert - obwohl es massive Proteste gegen den Entwurf gegeben hatte. Dieser sei eine "Minimallösung", hieß es von Kritikern schon vor einigen Monaten. Noch viel mehr als die Bezeichnung für die neue Geschlechtsoption spielte bei den Protesten zum Beispiel eine Rolle, dass man eine ärztliche Bescheinigung zur geschlechtlichen Identität wird vorlegen müssen, um in der Option „weiteres“ aufgeführt zu werden. Das ist auch weiterhin vorgesehen. Der Gesetzentwurf ignoriere damit die Kritik an Pathologisieren und Gewalterfahrungen, die intergeschlechtliche Menschen machten, erklärt der Bundesverband Trans* in seiner Stellungnahme.

Kritik ruft ebenfalls hervor, dass die Option nur für Menschen mit "Varianten der Geschlechtsentwicklung" offenstehen soll, wie es in dem Entwurf heißt. Damit ist allein eine Gruppe von intergeschlechtlichen Menschen gemeint: Bei ihnen lassen sich Geschlechtsmerkmale wie Hormone, Keimdrüsen oder Chromosomen nicht eindeutig in "männlich" oder "weiblich" einordnen. Trans-Menschen zum Beispiel bleiben dagegen von der neuen Option ausgeschlossen.

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Der Personenkreis bleibt eingeschränkt

Karlsruhe hatte in seinem Urteil zwar auf die Klage einer intersexuellen Person reagiert. Die Richter hatten sich aber offen für Lösungen gezeigt, die weit über diese Gruppe hinausgehen - die Richter hatten sogar den Vorschlag gemacht, den Geschlechtseintrag ganz zu streichen. Überhaupt hat für das Bundesverfassungsgericht schon bei mehreren Urteilen im Zweifelsfall die empfundene Identität eines Menschen die entscheidende Rolle gespielt, völlig unabhängig von Geschlechtsmerkmalen.

Dass jetzt der Kreis derjenigen, für die "Divers" gelten kann, stark eingeschränkt wird, bezeichnet der Bundesverband Trans* als "vergebene historische Chance". Trans Menschen zum Beispiel berücksichtigt der Gesetzentwurf nicht. Für sie gilt weiterhin das Transsexuellengesetz, das ebenfalls die Vorlage von Gutachten zur Angleichung des Personenstands vorsieht. Hier muss aber sogar ein Gericht darüber entscheiden, die Prozedur wird von vielen als extrem demütigend empfunden. Für den Bundesverband Trans* ist es "enttäuschend", dass jetzt nicht in einem großen Wurf das Personenstandsrecht insgesamt modernisiert wird. Eine Unterschriftenkampagne des Verbandes gegen Seehofers Gesetzentwurf zur dritten Geschlechtsoption hat bereits 14.000 Unterschriften erhalten.

Die SPD-Ministerinnen wollen als Nächstes das Transsexuellengesetz ändern

Immerhin kündigte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) an, in einem nächsten Schritt werde es jetzt darum gehen, rasch weitere unzeitgemäße Regelungen für Transsexuelle zu beseitigen. Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) forderte darüber hinaus die Aufhebung des derzeit geltenden Transsexuellengesetzes. Dieses müsse "durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt ersetzt werden", verlangte die SPD-Politikerin. Zwangssachgutachten über die geschlechtliche Identität von Menschen, wie sie bisher vorgesehen sind, seien "einfach nicht mehr zeitgemäß". Warum sie genau diesen Gutachten bei dem vorliegenden Gesetzentwurf aber noch einmal zugestimmt hat, ließ sie offen.

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